Es sind Szenarien, die viele nur aus Actionfilmen kennen: Terroristen übernehmen die Kontrolle über die Computer eines Flughafens oder die hochgesicherten Netzwerke von Regierungen. Alles Fiktion? Für deutsche Sicherheitsexperten gehören solche Bedrohungen nach dem Vorbild von Hollywood-Drehbüchern mittlerweile zum Alltag.
Mindestens zwei Mal ist die deutsche Politik seit 2015 bereits zum Ziel von Cyberangriffen von Hackern mit vermutlich russischem Hintergrund geworden: Betroffen waren der Bundestag und die CDU-Zentrale in Berlin. Beim Parlament flossen große Datenmengen ab, beim Konrad-Adenauer-Haus verlief die Attacke wohl eher glimpflich. Vor wenigen Wochen gab es einen Hackerangriff auf ein Krankenhaus in NRW - der Betrieb musste vorübergehend eingestellt werden.
Jetzt hat die Regierung ein neues Konzept zur zivilen Verteidigung verabschiedet. Und damit - auch weil die deutsche Politik quasi ständig im Wahlkampfmodus ist - einen veritablen Sturm der Entrüstung vor allem von Politikern der Linken und Grünen ausgelöst. Die Opposition kritisiert, vor allem die Union und ihr Innenminister Thomas de Maizière (CDU) malten Horrorszenarien mit Hamsterkäufen der Bevölkerung an die Wand, um mit dem Thema Innere Sicherheit bei den Wählern zu punkten. Der Minister weist das strikt zurück. Weder der Wahlkampf spiele eine Rolle, noch rufe er zu Hamsterkäufen auf.
Die wahrscheinlichste Bedrohung: ein längerandauernder Stromausfall
Um was geht es wirklich? De Maizière macht am heutigen Mittwoch schon mit dem Ort, an dem er die Öffentlichkeit über die neue "Konzeption Zivile Verteidigung" informiert, klar, wo er den Schwerpunkt sieht. In einem großen Berliner Wasserwerk geht es um den Schutz von kritischer Infrastruktur vor Terrorangriffen oder Cyberattacken. Die Sorge: Angreifer könnten die für das Überleben der Menschen und das Funktionieren von Politik und Gesellschaft wichtigen Einrichtungen zur Versorgung mit Wasser, Energie oder Telekommunikation beschädigen oder zerstören.
De Maizière lässt keine Zweifel, worin für ihn die wahrscheinlichste Bedrohung liegt: in einem regional oder überregional und länger andauernden Stromausfall. Verwaltung und Gesellschaft seien wegen der Vernetzung derart abhängig von Strom, "das ist weit mehr, als dass man kein Licht hat". Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger, bestätigt: "Ein Stromausfall würde uns existenziell treffen."
Der Minister sagt, er könne sich gut vorstellen, dass es Hackergruppen und Staaten gebe, "die ein Interesse daran hätten, mal auszuprobieren, wie anpassungsfähig die deutsche Gesellschaft ist im Blick auf die Abhängigkeit von der Stromversorgung". Konkreter wird er nicht, aber es ist klar: er meint russische Sicherheitsbehörden und deren vermutete Zusammenarbeit mit Computer-Hackern in dem Land.
Ein paar Kisten Mineralwasser hat auch de Maizière im Keller
Bei dieser modernen Art von Attacken - sogenannter hybrider Kriegsführung - geht es um Angriffe mit verdeckten Mitteln, wie sie Russland etwa in der Ostukraine vorgeworfen werden. Oder eben um Cyberattacken, mit denen Infrastruktureinrichtungen, die Versorgung mit Bargeld oder ganze Wirtschaftszweige lahm gelegt werden könnten. "Die wachsende Verwundbarkeit der modernen Infrastruktur und die Ressourcenabhängigkeit moderner Gesellschaften bieten vielfältige Angriffspunkte", sorgt sich die Regierung.
Als die ersten Details der Pläne am Wochenende durchsickerten, machte schnell die Schlagzeile die Runde, jetzt rufe die Regierung die Menschen auch noch zu Hamsterkäufen auf. Absurd sei das, Panikmache, reiner Sicherheits-Wahlkampf, zürnten Kritiker. Dabei rät das Bundesamt für Bevölkerungsschutz seit langem, sich zuhause Vorräte an Trinkwasser und Nahrungsmitteln zuzulegen, am besten auch ein batteriegetriebenes Radio für den Fall des Stromausfalls. Im Internet sind detaillierte Listen mit entsprechenden Tipps für den Katastrophenfall zu finden.
Etwas zugeknöpft zeigt sich de Maizière, als er gefragt wird, ob er selbst denn auch mit Vorräten für den Notfall vorsorge. Er habe keine Lust, zu erzählen, wie sein Keller vollgestellt sei, entgegnet er dem Fragesteller. "Aber ein paar Kisten Mineralwasser und ein bisschen Proviant würden Sie bei mir im Keller auch finden."
Vorfall im Winter: russische Hacker griffen ein unkrainisches Kraftwerk an
Dass die Sorgen der Regierung etwa vor Cyberattacken aus dem Osten auf staatliche Einrichtungen nicht unbegründet sind, hat ein Vorfall im vergangenen Winter bewiesen. Russische Hackergruppen griffen am 23. Dezember 2015 erfolgreich ein Kraftwerk in der Westukraine an. In hunderttausenden Haushalten ging am Tag vor Weihnachten das Licht aus.
Ein Arbeitsauftrag des Zivilverteidigungs-Konzepts zeigt besonders, wie ernst die Regierung die Lage einschätzt: Unter anderem soll geprüft werden, ob die Bevölkerung vorsorglich für den Fall eines Angriffs mit "persönlicher CBRN-Schutzausrüstung" ausgestattet werden muss. CBRN steht für "chemisch, biologisch, radiologisch und nuklear". (Jörg Blank, dpa)
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