Politik

22.07.2022

Wahlrechtsreform: Das Großstadt-Problem der CSU

Ein Kommentar von Tobias Lill

Seit Langem streiten die Parteien darüber, wie der Bundestag verkleinert werden kann. Saßen nach der Wahl 2002 noch 603 Abgeordnete statt der vorgesehenen 598 in der Berliner Herzkammer der Demokratie, waren es zuletzt bereits 736. Nur China hat mehr Abgeordnete.

Sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate blähen das Parlament auf. Entscheidend für die Aufteilung der Sitze ist zwar die Zweitstimme. Gewinnt eine Partei jedoch mehr Direktmandate, als ihr über die Zweitstimmen zustehen würden, erhält sie Überhangmandate. Den anderen Parteien stehen dafür entsprechende Ausgleichsmandate zu.

Ein teurer Spaß: Die Zusatzkosten für Ausgleichs- und Überhangmandate belaufen sich auf 400 Millionen Euro pro Legislaturperiode. SPD, Grüne und FDP wollen das System nun reformieren. Ihrem Vorschlag zufolge sollen die Überhang- und Ausgleichsmandate abgeschafft werden. Direktkandidat*innen mit den jeweils schlechtesten Ergebnissen ihrer Parteien würden nicht mehr ins Parlament einziehen.

CSU-Landesgruppe würde eine ländlich dominierte Truppe

Großer Verlierer wäre die CSU. 2021 errang sie elf Überhangmandate. Die Christsozialen dürften dem neuen Modell zufolge bei künftigen Wahlen eine Vielzahl an Mandaten verlieren – allesamt in Großstädten, wo ihre Direktkandidat*innen traditionell schlecht abschneiden.

Zwar soll es, damit jeder Wahlkreis repräsentiert bleibt, laut den Ampel-Plänen auf dem Wahlzettel eine sogenannte Ersatzstimme geben – so sollen die Wählerinnen und Wähler bestimmen können, wer aus ihrem Wahlkreis einziehen soll, wenn der Direktkandidat den Einzug in den Bundestag schafft. Doch hier dürften im urbanen Raum viele Grünen- und SPD-Wähler ihren Parteien gegenseitig die Stimmen geben, um einen CSU-Sieg zu verhindern.

Die CSU-Landesgruppe würde in der Folge eine ländlich dominierte Truppe werden. Das ist ein Problem für eine Partei, die nicht zuletzt deshalb groß wurde, weil es ihr mehrere Jahrzehnte lang gelang, die Interessen der sehr unterschiedlichen bayerischen Regionen sowie die von Stadt und Land gut zu vereinen.

Zwar hat die CSU angekündigt, gegebenenfalls gegen ein solches Wahlmodell zu klagen, doch ob sie damit Erfolg haben wird, ist unklar. Hilfreicher wäre es, wenn die Partei sich endlich wieder stärker der Interessen der Stadtbevölkerung annehmen würde. Denn es ist die CSU, die wirksame Maßnahmen gegen explodierende Mieten verhinderte und die in ihrer Verkehrspolitik allzu oft ignoriert, dass viele Stadtleute längst ohne Auto leben. Die CSU darf die Menschen in den Ballungsräumen nicht vergessen.
 

Kommentare (1)

  1. FredFeuerstein am 25.07.2022
    „Manche Kommunen könnten unbewohnbar werden“ -ja, in Deutschland! Das war eine Überschrift aus Ihrer Ausgabe vom 15.07.22 (S.1). Vor diesem Hintergrund erscheint die Gesamtzahl der Bundestagsmandate nicht als Großstadt-, sondern als Luxus-Problem!
    Keine der zur Bundestagswahl angetretenen Parteien hat ein Wahlprogramm vorgelegt, das der völkerrechtlichen Verpflichtung der BRD auf max. 1,5° Steigerung aus COP21/Paris auch nur annähernd gerecht geworden wäre. In den Koalitionsverhandlungen und den bisherigen Regierungsmonaten der Ampel hat die FDP die Nato-Grünen und die SPD am Nasenring durch die Manege geführt, Hofreiter und Co. hatten sich ja schon vor Beginn der Koalitionsverhandlungen der Autoindustrie unterworfen und auf Tempo 130 verzichtet.
    Nicht mal ein Hinterbänkler hat es geschafft, mit einer dann sicher aufsehenerregenden klimapolitischen Forderung an die Öffentlichkeit zu gehen, die das Überleben der Kinder und Enkel dieser Politikergeneration klimabezogen als wahrscheinlich erscheinen ließe.
    Solche Regierungen gefährden unabhängig von der Zahl ihrer Mandate das ökologische Wohl des Volkes, indem sie weiter die Fata Morgana unbegrenzten Konsums predigen.
    Wir sind auf dem Weg zu 3° globaler Erwärmung, dann werden uns auch 100 Milliarden zusätzlicher Verschuldung für die Bundeswehr nicht mehr helfen. Auch diese Politikergeneration verweigert klimapolitische Verantwortung! Allein mit Beschlüssen ohne konsequente, für alle verpflichtende, wirksame Maßnahmen für Nachhaltigkeit brauchen wir über die Mandate nicht mehr diskutieren!
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