CSU-Chef Horst Seehofer will erst mit Ablauf des 13. März 2018 von seinem eigentlich bis zur Landtagswahl am 14. Oktober gewählten Amt des bayerischen Ministerpräsidenten zurücktreten. Das kündigte der 68-Jährige, der am 14. März in Berlin zum Bundesinnenminister vereidigt werden soll, bei der Sitzung des CSU-Vorstands in München an.
Damit räumt Seehofer sein gewähltes Amt kurz vor der Kanzlerinnenwahl und der Ernennung des neuen Bundeskabinetts. Neben Seehofer wird auch der bisherige Generalsekretär Andreas Scheuer als Verkehrsminister dem Bundeskabinett angehören. Als Entwicklungsminister bleibt Gerd Müller im Amt. Staatsministerin für Digitalisierung soll Dorothee Bär werden. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Montag am Rande der CSU-Vorstandssitzung in München. Zuvor "Süddeutsche Zeitung" hatte zuvor über die Personalien berichtet.
Nach dpa-Informationen soll die Wahl von Markus Söder zum neuen bayerischen Ministerpräsidenten erst am 15. oder 16. März im Rahmen einer Sondersitzung des Landtags erfolgen. Die Staatsregierung oder ein Drittel der Abgeordneten können das jederzeit das erwirken.
Horst Seehofer führte die CSU zurück zur absoluten Mehrheit in Bayern - und in die historische Pleite bei der Bundestagswahl 2017. Er machte Stoiber-Reformen rückgängig, er sorgte für ein Ende der politischen Eiszeit mit dem Nachbarn Tschechien - er hinterlässt aber auch Baustellen. In Kürze wird die knapp zehnjährige Amtszeit Seehofers als bayerischer Regierungschef vorbei sein. "Auch wenn ich mich jetzt verabschiede, bleibt Bayern das Paradies, und das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten das Schönste nach dem Heiligen Vater", sagte der 68-Jährige zuletzt. Ein Rückblick:
DER ANFANG:
Am Anfang der Ära Seehofer in Bayern stand ein heftiger CSU-interner Machtkampf: Nach dem Landtagswahlfiasko 2008 mit dem Verlust der absoluten Mehrheit gab es vier Bewerber für den frei gewordenen Ministerpräsidenten-Posten - und Seehofer siegte. Als "letzte Patrone im Colt der CSU", wie der Politologe Heinrich Oberreuter sagte, wurde Seehofer von Berlin nach München geholt. "Das ist der größte Moment in meinem politischen Leben", sagte er am 27. Oktober 2008, bevor ihn der Landtag zum Regierungschef wählte. Seehofer führte die erste Koalitionsregierung seit mehr als vier Jahrzehnten, aus CSU und FDP.
POLITISCHE WEICHENSTELLUNGEN - UND KEHRTWENDEN:
Seehofer hat mehrere Reformen aus der Ära Stoiber rückabgewickelt. Er vollzog beispielsweise die Rückkehr von der 42- zur 40-Stunden-Woche für Beamte; er sorgte, getrieben von einem Volksbegehren und einer nahenden Wahl, für die Abschaffung der Studiengebühren; und zuletzt kehrte die CSU unter seiner Führung vom acht- zum neunjährigen Gymnasium zurück, aber erst nach jahrelangem Zaudern. Und noch weitere Kehrtwenden der CSU während Seehofers Amtszeit als Parteichef und Ministerpräsident bleiben in Erinnerung: die Abschaffung der Wehrpflicht, der Atomausstieg, das Hin und Her beim Rauchverbot.
Mit dem Namen Seehofers bleiben außerdem verbunden: der geplante Münchner Konzertsaal, das Mammutprojekt Behördenverlagerung, die neue Augsburger Uniklinik, die geplante eigene Uni in Nürnberg und mehrere Verfassungsänderungen: In der Bayerischen Verfassung verankert wurden etwa "gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land". Und: Seehofer schuf ein bayerisches Heimatministerium - die Idee exportiert er nun auch auf Bundesebene.
Die von ihm gepredigte "Koalition mit den Bürgern" trieb Seehofer auf die Spitze, als er dafür sorgte, dass zwei geplante Mega-Stromtrassen unter der Erde verlaufen werden - trotz immenser Mehrkosten. Bis heute umstritten ist dagegen der von ihm und der CSU durchgeboxte Mindestabstand für neue Windräder. Der Windkraftausbau im Freistaat ist so quasi zum Erliegen gekommen. Seehofer aber ist froh, dass er die von ihm gefürchtete "Verspargelung" der Landschaft gestoppt hat.
KRISEN UND KATASTROPHEN:
Seehofers erste Amtszeit begann schon mit einer großen Krise: Kaum im Amt, musste die neue Regierung die BayernLB mit einer Finanzspritze von zehn Milliarden Euro vor der Pleite retten. Und die Bank blieb lange Sorgenkind, etwa wegen des Skandal um die BayernLB-Tochter Hypo Alpe Adria. Hinzu kamen aber auch andere (wirtschafts-) politische Herausforderungen, etwa die Pleite des Versandhändlers Quelle.
Die Verwandtenaffäre um Abgeordnete, die enge Familienangehörige in einem gesetzlichen Graubereich als Mitarbeiter beschäftigten, brachte die CSU vor der Landtagswahl 2013 ins Wanken. Mehrere Parlamentarier verloren fraktionsinterne Posten. Und auf dem Höhepunkt der Affäre musste der damalige Fraktionschef Georg Schmid seinen Hut nehmen.
Mehrere Untersuchungsausschüsse im Landtag untersuchten während Seehofers Amtszeit potenzielles Versagen von Regierung und Behörden, etwa in der Causa des Justizopfers Gustl Mollath. Zudem gab es eine Affäre um Meinungsumfragen der Staatskanzlei, in denen die Wahlaussichten der CSU analysiert wurden - und das finanziert vom Steuerzahler. Seehofer selbst kam bei alledem aber ungeschoren davon.
DAS LIEBE GELD:
Am Anfang standen (siehe oben) zehn Milliarden Euro neue Schulden auf einen Schlag. In den ersten Jahren musste Seehofers Regierung zudem mit sinkenden Steuereinnahmen klarkommen. Als es mit den Einnahmen dann aber wieder aufwärts ging, gaben Seehofer & Co. das Geld mit vollen Händen aus, unter anderem für viele Tausend neue Stellen. Sprudelnde Steuereinnahmen machten das Regieren aus finanzieller Sicht leicht. Der Oberste Rechnungshof musste mehrfach Einhalt gebieten - war damit aber nur zum Teil erfolgreich: Der Etat 2018 sprengt erstmals in der Geschichte die 60-Milliarden-Euro-Marke. Das von der CSU selbst gesteckte Ziel, das Ausgabenwachstum auf drei Prozent pro Jahr zu begrenzen, wird regelmäßig klar verfehlt.
PERSONALQUERELEN:
Seehofer hat in zehn Jahren Regierungszeit mehrere Minister und Staatssekretäre verloren, unter anderem Ex-Staatskanzleichefin Christine Haderthauer, die über die sogenannte Modellauto-Affäre stürzte. Auf partei- und bundespolitischer Ebene lief Karl-Theodor zu Guttenberg Seehofer zeitweilig den Rang ab, bis dieser, fast schon Bundeskanzler in spe, über die Affäre um seine Doktorarbeit stürzte.
EIN AUF UND AB - SEEHOFER UND "SEINE" CSU:
Seehofer gilt vielen in seiner Partei als beratungsresistent, als Einzelgänger. Seine Kritiker werfen ihm einen fast absolutistischen, rücksichtlosen Führungsstil vor. Es verging deshalb kaum ein Jahr, in dem er nicht mit seiner Partei und speziell der Landtagsfraktion heftig aneinandergeraten wäre, und zwar schon von Beginn an. Als "Kleinstrategen" und "Leichtmatrosen" geißelte er seine Leute nicht nur einmal, gerne auch in aller Öffentlichkeit. Unvergessen sind die "Schmutzelei"-Vorwürfe an die Adresse Markus Söders und Lästereien über andere CSU-Politiker. Und unvergessen ist auch, wie er seiner eigenen Fraktion vor laufenden Kameras Arroganz der Macht vorwarf.
WAHL-TRIUMPHE UND -NIEDERLAGEN:
In seiner Doppelfunktion als CSU-Chef und Ministerpräsident erlebte Seehofer Höhen und viele Tiefen. Bei der Europawahl 2009 feierte die CSU nach dem Landtagswahlfiasko 2008 eine Art Wiederauferstehung - doch schon bei der Bundestagswahl einige Monate später ging es wieder dramatisch bergab. Auf dem absoluten Höhepunkt war Seehofer im Herbst 2013, als die CSU unter seiner Führung die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag zurückholte und bei der Bundestagswahl wieder an die 50-Prozent-Marke herankam. Doch schon 2014 folgte das schlechteste Europawahlergebnis der CSU-Geschichte, auch wegen einer missglückten Wahlkampfstrategie Seehofers. Und dann, bei der Bundestagswahl 2017, sackte die CSU unter ihm sogar unter die 40-Prozent-Marke - nach langen Streitereien und einer späten Versöhnung mit der Kanzlerin.
SEEHOFER ALS "AUSSENMINISTER":
Seehofer reist nicht gern, hat aber in seiner zehnjährigen Amtszeit viele Länder besucht, einige mehrfach: Er war bei Wladimir Putin in Moskau, beim Papst in Rom, in China, Brasilien und auf der arabischen Halbinsel, in europäischen Ländern sowieso. Seine wichtigste Reise aber führte ihn kurz vor Weihnachten 2010 nach Prag. Das ist ein bleibendes Verdienst Seehofers: dass er, nach langem Streit um die Vertreibung der Sudetendeutschen, die Eiszeit beendet und mit dem ersten Besuch eines bayerischen Regierungschefs in Prag ein neues Kapitel in den Beziehungen zu Tschechien aufgeschlagen hat.
VERSPROCHEN - GEHALTEN?
"Versprochen - gehalten": Mit diesem Satz tritt Seehofer gerne auf. Tatsächlich hat er Zusagen eingelöst, er hinterlässt aber auch Baustellen: 2012 verkündete er, Bayerns Staatsschulden bis 2030 komplett zurückzahlen zu wollen. Doch das Tempo beim Schuldenabbau lässt trotz der sprudelnden Steuereinnahmen zu wünschen übrig, selbst CSU-Haushälter nennen die Einhaltung des Versprechens ambitioniert.
Und dann Seehofers Ankündigung, Bayern bis 2023 komplett barrierefrei zu machen, "im gesamten öffentlichen Raum": Sozialverbände und Kommunen zweifeln seit langem, ob Ziel und Zeitplan zu halten sind.
Offen bei Seehofers Rücktritt ist auch, wie es in Sachen dritte Startbahn am München Flughafen weitergeht. Eine andere Ankündigung Seehofers, nämlich einen dritten Nationalpark zu schaffen, könnte dagegen angesichts vieler Widerstände ein leeres Versprechen bleiben.
DAS ENDE:
Unvergessen ist das Hin und Her Seehofers in Sachen Karriereende. Doch nach der historischen Pleite bei der Bundestagswahl 2017 verlor Seehofer rasant an Rückhalt, quer durch die Partei. Schnell war klar, dass er mindestens eines seiner Spitzenämter würde abgeben müssen. Am Ende lief es, obwohl Seehofer das verhindern wollte, auf Söder als neuen Ministerpräsidenten hinaus - auch auf Druck der Landtags-CSU. Seehofer wirkt deshalb in diesen Tagen enttäuscht, macht seiner Mannschaft bei öffentlichen Auftritten und in Interviews bittere Vorwürfe, beklagt eine Demontage seiner Person. Dennoch verspricht er eine Amtsübergabe mit Stil und Anstand. Ob er die Kraft dazu hat?
(Christoph Trost, dpa)
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