Politik

Der bayerische Landtag. Die Landtagswahl hat dort einiges durcheinandergewirbelt. (Foto: dpa)

21.12.2018

Was für ein Jahr!

Landespolitisch war 2018 einiges geboten in Bayern – ein Blick auf die spannendsten Ereignisse

Gewinner

Gern hätte Horst Seehofer verhindert, dass Markus Söder ihn als Ministerpräsident beerbt. Doch da hatte er Söders Machtwillen, dessen Cleverness und Networking-Talent unterschätzt. Söder wurde Mitte März als neuer Regierungschef vereidigt, ein gutes halbes Jahr vor der Landtagswahl. Die indes geriet zum Desaster für die CSU – auch wegen Seehofers nicht enden wollender Störfeuer. Dagegen legten die Grünen deutlich zu – unter der Führung von Katharina Schulze und Ludwig Hartmann fuhr die Ökopartei ein Traumergebnis von 17,5 Prozent ein und fungiert jetzt nach der CSU als zweitstärkste Kraft im Landtag. Ihren Wunsch, zusammen mit der CSU eine Regierungskoalition zu bilden, konnten die Grünen allerdings nicht realisieren.

Dafür avancierten die ebenfalls erstarkten Freien Wähler zum Regierungspartner. In deren Reihen gibt es folglich viele Gewinner: Parteichef Hubert Aiwanger fungiert als Vizeministerpräsident und Wirtschaftsminister, Thorsten Glauber ist Umweltminister, Michael Piazolo Kultusminister, der frühere Fernsehrichter Alexander Hold stieg zum Landtagsvizepräsidenten auf. Schließlich darf sich auch die AfD als Gewinnerin sehen – sie zog erstmals in den Landtag ein.

Verlierer

Eigentlich hätte Horst Seehofer als Retter der CSU in die Geschichte eingehen können – immerhin hatte er bei der Landtagswahl 2008 die absolute Mehrheit zurückerobert. Geliebt haben ihn seine Parteifreunde in Bayern allerdings nie. Was an Seehofers oft erratischer Politik lag, an seinem teils rüden Umgang mit Parteifreunden, seiner Einzelkämpferattitüde. Doch so lange die Umfragewerte passten, schluckten die CSUler ihren Groll runter. Damit war spätestens nach dem Schockergebnis bei der Bundestagswahl im September 2017 Schluss. Seehofer wartete lange, sehr lange, bis er endlich, im März 2018, zurücktrat. Im Januar 2019 gibt der 69-Jährige auch seinen Posten als Parteichef ab – an Markus Söder.

Dumm gelaufen ist es im abgelaufenen Jahr auch für all die CSU-Minister, die nach der Landtagswahl ihren Posten verloren. Überraschend war vor allem das Aus für Justizminister Winfried Bausback. Der Juraprofessor musste seinen Stuhl aus Gründen des Regionalproporzes räumen – Ministerpräsident Söder hatte die junge Unterfränkin Judith Gerlach zur Digitalministerin befördert, weshalb für den Unterfranken Bausback kein Platz im Kabinett war. Der fachlich untadelige Oberbayer Marcel Huber wiederum verlor seinen Posten als Umweltminister, weil der Koalitionspartner FW das Ressort übernahm. Zu den großen Verlierern zählt auch die bayerische SPD. Sie erzielte bei der Landtagswahl klägliche 9,7 Prozent und ist im Landtag nun zweitkleinste Kraft, nach der FDP.

Überraschendste Personalie

Damit hatte keiner gerechnet: Als Markus Söder nach seiner Amtsübernahme im März sein Kabinett vorstellte, sorgte vor allem die Berufung von Marion Kiechle zur Wissenschaftsministerin für Aufsehen. Die Gynäkologieprofessorin gehörte zu dem Zeitpunkt weder dem Landtag an, noch war sie Mitglied der CSU. Dafür stand die 58-Jährige für all das, was der CSU fehlt: Großstadtflair, Frauenpower und eine Prise Glamour. Leider wurde sie nie warm mit der CSU-Landtagsfraktion, ihre Premiere im Wissenschaftsausschuss des Landtags geriet zum Desaster. Insgesamt fiel sie eher mit Patzern denn durch Kompetenz auf. Weshalb ihre Ministerkarriere nach sieben Monaten vorbei war.

Größter Zoff

Die jüngste Novellierung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes war der Mega-Aufreger des Jahres. Rund 30 000 Menschen gingen allein in München dagegen auf die Straße. Erfolglos – der Landtag beschloss die Novelle im Mai mit den Stimmen der CSU. Hintergrund der PAG-Novelle ist, dass alle Bundesländer verpflichtet sind, ihre Polizeiaufgabengesetze an die neuen Datenschutzrichtlinien und an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz anzupassen. Damit soll der Datenschutz gestärkt werden. Weil Bayern in seiner PAG-Novelle aber weitere Neuerungen durchsetzte, geriet das Gesetz zum Zoffthema. Die größte Wut zieht der Begriff der drohenden Gefahr auf sich. Damit erhält die bayerische Polizei die Befugnis, nicht mehr wie bisher eine konkrete Gefahr benennen zu müssen, wenn sie jemanden überwachen oder festsetzen will – eine drohende Gefahr soll genügen. Bayerns Regierung hält dagegen, das Bundesverfassungsgericht habe den Begriff der drohenden Gefahr selbst vorgegeben. Über die Zukunft des PAG entscheiden nun Gerichte: Grüne, SPD, FDP und Linke haben Verfassungsklage eingereicht.

Peinlichste Aktion

Als Ministerpräsident Söder nach seiner Amtsübernahme im März die Zahl der Regierungsbeauftragten erweiterte, war der Aufschrei bei der Opposition groß: Die mit Büro, Dienstwagen und 3000 Euro Aufwandsentschädigung ausgestatteten CSU-Leute seien ein Beleg für Söders Freunderlwirtschaft, rügte die Opposition. Besonders eifrig zogen die Freien Wähler gegen die Beauftragten zu Felde. Schließlich reichte FW-Generalsekretär Michael Piazolo namens seiner Fraktion Verfassungsklage gegen die Beauftragten ein. Kaum aber waren die FW als Koalitionspartner selbst in der Regierung, zogen sie die Klage zurück. Nach einer Absenkung der Bezüge auf 2000 Euro und der Streichung des Dienstwagens für die Beauftragten hatten Aiwanger und Co keinerlei Probleme damit, selbst zwei der zuvor heftig bekämpften Posten zu besetzen. Dafür schämten sich sogar einige FWler.

Überflüssigste Aktion

Zu Söders ersten Amtshandlungen als Ministerpräsident zählte die Kreuzpflicht für staatliche Behörden. Dort soll jeweils im Eingangsbereich ein Kreuz hängen – um die christlich-abendländische Tradition Bayerns deutlich zu machen. Kontrollieren wollte man das Ganze nicht. Söder und Co versprachen sich von der Aktion vor der Wahl Stimmen konservativ-klerikaler Kreise. Tatsächlich fanden nicht mal die Kirchen das Pflicht-Kreuz gut –Kardinal Marx hielt es jedenfalls für angebracht, Söders Vorstoß öffentlich zu kritisieren. Zwar ergab eine Umfrage, dass die Mehrzahl der Bayern die Kreuzpflicht befürwortet – allerdings vornehmlich diejenigen, die ohnedies konservativ wählen.
(Waltraud Taschner)

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