Politik

Die Vergabepraxis beim Pflegebonus sorgt bei vielen Krankenschwestern für Unverständnis. (Foto: dpa/büttner)

26.02.2021

Was Pflegende wirklich wollen

Der Pflegebonus sorgt für Verdruss und war von Anfang an nicht wirklich durchdacht – ein Blick auf die Praxis

Beide versorgen Kranke unter Hochdruck, geben Medikamente, waschen und trösten sie – und riskieren dabei ihre Gesundheit. Doch während Pflegerin Marianne F. für ihren Einsatz vom Freistaat 500 Euro Corona-Pflegebonus erhält, geht Pflegerin und Stationsleiterin Christine A. (Namen von der Redaktion geändert) für die gleiche Tätigkeit auf der gleichen Station leer aus. Grund: die Zusatzfunktion der Stationsleitung.

Kein Einzelfall, wie Kathrin Weidenfelder von der Gewerkschaft Verdi Bayern bedauert, und längst nicht die einzige Ungerechtigkeit. „Wir haben auch Fälle, wo eine Pflegekraft den Bonus bekam und die andere mit der gleichen Tätigkeit einfach nicht“, sagt die für den Bereich Gesundheit zuständige Generalsekretärin der Gewerkschaft. Im Gespräch mit dem Gesundheitsministerium und dem Landesamt für Pflege habe man erreicht, dass solche Fälle nun noch einmal geprüft würden.

Die Gesundheitsexpertin kennt viele Beispiele, bei denen die Vergabepraxis des bayerischen Pflegebonus für Unverständnis sorgt: Auch Dialyse-Pflegekräfte erhielten etwa keine Prämie, „weil sie als ambulant gewertet werden, obwohl sie teilstationär genauso unter erschwerten Bedingungen im Schichtdienst betreuen und pflegen“. Wo es aussichtsreich erschien, habe man den Klageweg empfohlen. Aber es gab auch Einzelbeschwerden etwa von Hilfskräften, die ihren Anspruch mit dem anderer Beschäftigter begründeten. In einigen Fällen sei diesen dann der bereits bewilligte Bonus wieder aberkannt worden.

Frust statt Freude: Pflegebonus beschäftigt viele Gerichte

Was im Frühjahr letzten Jahres also als Wertschätzung der Corona-Pflegekräfte gedacht war, hat mittlerweile bei vielen Frust statt Freude ausgelöst und beschäftigt bayernweit die Gerichte. Denn aus der Gruppe der Pflegekräfte in Krankenhäusern, Reha-Kliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen, ambulanten Pflegediensten und Rettungssanitäter*innen, die den Bonus bekommen sollten, fielen viele heraus.

Mehr als 117 Millionen Euro zahlte der Freistaat als Anerkennung für das Pflege-Engagement in der Pandemie – je nach vertraglicher Arbeitszeit 300 oder 500 Euro. Doch von den rund 350 000 Antragstellenden erhielten rund 19 Prozent eine Absage. Laut Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) war bei der Vergabe vor allem „die besondere Zuwendung an die von den Besuchsverboten betroffenen Menschen“ wichtig.

Genau diese haben die Klagenden ihrer Ansicht nach jedoch geleistet. Mehr als 1000 Betroffene klagten im Freistaat deshalb auf den Erhalt der Prämie. Auch Servicekräfte, Haushälterinnen in Pflegeheimen oder Physiotherapeut*innen riskierten beispielsweise nach eigener Aussage ihre Gesundheit und kümmerten sich um Kranke. Ungerecht behandelt fühlen sich außerdem die Operationstechnischen Assistent*innen (OTA). Sie machen laut Verdi-Frau Weidenfelder die gleiche Arbeit wie OP-Pflegekräfte, erhielten aber im Gegensatz zu diesen keine Prämie, weil sie dem technischen Bereich zugeordnet werden. Empört sind zudem Bayerns Hebammen: Während Festangestellte auf Wochenbettstationen mit 500 Euro belohnt wurden, bekamen andere, die in den Klinik-Kreißsälen oft stundenlang bei der Entbindung halfen, nichts.

Kürzlich wies das Münchner Verwaltungsgericht die Klagen zweier Beschäftigter eines Dialysezentrums, einer Pflegeassistentin eines Krankenhauses sowie einer Hauswirtschafterin eines Altenheims ab. Begründung: Sie standen nicht auf der Liste der Corona-Pflegebonus-Richtlinie, die Zuteilung liege im Ermessensspielraum der bayerischen Regierung. Gesundheitsminister Klaus Holetschek begrüßte das Urteil, räumte aber ein, ihm sei bewusst, dass viele weitere Berufsgruppen und Personen zur Bewältigung der Corona-Pandemie beigetragen hätten. Von einem neuen Corona-Bonus, wie ihn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gerade angekündigt hat, will Holetschek nichts wissen. „Derzeit gibt es für eine bayerische Prämie keine konkreten Überlegungen“, so eine Ministeriumssprecherin.

Der Bonus ist eine nette Geste – mehr aber nicht

Neben der kurzen Freude habe der Pflegebonus von Anfang an für Unzufriedenheit gesorgt, sagt Georg Sigl-Lehner, Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB). Der Leiter einer ambulanten Pflegeeinrichtung in Altötting findet es in Ordnung, dass der Pflegebonus nicht neu aufgelegt wird. Eine weitere Prämie würde erneut zu Unzufriedenheit führen, glaubt er. Was er wichtiger findet, sind Verbesserungen in der Pflege, vor allem eine bessere Personalausstattung, aber auch eine höhere Bezahlung. Für eine gute Versorgung fehlten derzeit mehr als 30 Prozent Pflegepersonal, mehr als 50 Prozent erhielten von privaten Trägern keinen tariflichen Lohn. Viele Pflegende seien ausgelaugt, so der Vorsitzende. Die Anspannung sei hoch – wegen des nötigen Schutzmanagements und der Sorge vor Ansteckung. Wobei die Impfbereitschaft unter Pflegekräften mittlerweile zunimmt.

„Den Pflegebonus finde ich eine freundliche Geste, aber er ist kein Ersatz für eine dauerhafte Verbesserung“, betont eine Krankenpflegerin einer südbayerischen Klinik: „Noch wichtiger als mehr Gehalt wäre mir, dass die unbesetzten Stellen besetzt werden – damit wir nicht so oft in Unterbesetzung rödeln müssen und dann noch mehr Pflegekräfte ausgebrannt mit kaputten Rücken aufhören.“ Sie wünscht sich: mehr finanzielle Anerkennung, aber auch Anerkennung von der Gesellschaft. „Solange es nicht genug Pflegekräfte gibt, brauchen wir einen klar festgelegten Personalschlüssel einschließlich Bettensperrung, wenn nicht genug Pflegende da sind.“ Die Pflegerin ergänzt: „Das Beste an der Brotzeit, die Ministerpräsident Söder zusätzlich zum Bonus spendiert hatte, war für mich, dass wir so regelmäßig eine halbe Stunde Pause machen konnten.“
(Lucia Glahn)

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