Politik

Recht gilt für alle - von wegen. (Foto: dpa)

13.06.2025

Wenn Politiker Recht brechen: Legal, illegal – ganz egal?

Immer wieder pfeifen Regierungen auf geltendes Recht. Je nachdem, wer betroffen ist, gibt es dann einen öffentlichen Aufschrei - fehlt dagegen die Lobby interessieren Gesetze und Gerichtsurteile mitunter aber schlicht niemanden. Ein Kommentar von Tobias Lill

Alexander Dobrindt hat ein dickes Fell. Selbst berechtigte Kritik wie etwa einst beim Maut-Fiasko perlt bei dem CSU-Politiker ab. Auf sein Geheiß weist die Bundespolizei noch immer Migranten an der Grenze zurück, wenn sie dort Asyl beantragen. Seit ein Berliner Verwaltungsgericht diese Praxis im Fall von drei Somaliern bei einer Grenzkontrolle für rechtswidrig erklärte, sieht sich der Bundesinnenminister mit einem Shitstorm konfrontiert. Unzählige NGOs, Linken- und SPD-Politiker werfen ihm offenen Rechtsbruch vor. Sie argumentieren, das Urteil sei für den Bund verbindlich. Doch das ist Nonsens. Dobrindt weist zu Recht darauf hin, dass das Urteil eine Einzelfallentscheidung ist. Tatsächlich ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass etwa ein eher konservatives bayerisches Gericht anders entscheidet.

Letztlich wird der Europäische Gerichtshof die Rechtmäßigkeit klären müssen. Bis dahin ist Dobrindt formal im Recht – ob es klug ist, wegen ein paar verhinderter Asylanträge pro Tag so viele Beamte zu binden, sei dahingestellt. Prinzipiell ist es erfreulich, dass die Zivilgesellschaft im Fall von Flüchtlingen hinschaut, wenn sie den Rechtsstaat in Gefahr sieht. Doch einmal mehr zeigt sich, dass es bei Rechtsbrüchen durch die Politik Opfer erster und zweiter Klasse gibt. Denn als die Staatsregierung vor Jahren die richterliche Vorgabe, für eine bessere Luft zu sorgen, geflissentlich ignorierte, fiel der öffentliche Aufschrei weit geringer aus als jetzt. Vielen Politikern sind Autos wichtiger als Anwohner.

Krass ist der Rechtsbruch im Umgang mit Behinderten

Krass ist der Rechtsbruch im Umgang mit Behinderten. Obwohl das separierte Lernen von Kindern mit Förderbedarf nach Ansicht vieler Bildungsforscher keinen oder nur in sehr seltenen Ausnahmen Sinn macht, besuchte nicht einmal ein Drittel der beeinträchtigten Schüler in Bayern zuletzt eine normale Mittel- oder Realschule oder gar ein Gymnasium – der Rest ging auf eine Förderschule. Dabei ist die UN-Behindertenrechtskonvention geltendes Recht. Sie sieht die Abschaffung der Sonderschulen vor.

Doch weil der Freistaat viel zu wenig Geld in Inklusion steckt, läuft die Konvention ins Leere. Noch immer gibt es an kaum einer Regelschule Sonderpädagogen – und die riesigen Klassen sind nicht nur für Beeinträchtigte eine Zumutung. Letztlich schicken die Eltern ihre Kinder deshalb oft an Förderschulen, die mehr als zwei Drittel der Schüler am Ende ohne anerkannten Abschluss verlassen. Später geht es für 2 Euro die Stunde in die Werkstätte. Das Vorenthalten der ihnen rechtlich zustehenden Inklusion hat fatale Folgen: Autisten etwa haben eine bis zu zehnmal höhere Selbstmordrate. Anders als der Grenzstreit interessiert das aber kaum jemanden.

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