Politik

Christian Doleschal, hier im Europaparlament. (Foto: BSZ)

09.08.2019

"Wer glaubt, die JU sei brav, wird sich noch wundern"

Christian Doleschal (CSU), Europaabgeordneter und designierter Landeschef der Jungen Union, über Söders nachlassenden Spar-Ehrgeiz, Fridays for Future und die Ehe für alle

Der 31-jährige Rechtsanwalt aus dem oberpfälzischen Brand wurde im Mai ins Europaparlament gewählt. Bei der Landesversammlung der Jungen Union am 1. September in Freystadt kandidiert er für das Amt des Vorsitzenden. Amtsinhaber Hans Reichhart, seit der Landtagswahl im vergangenen Herbst bayerischer Bauminister, tritt aus Altersgründen nicht mehr an.

BSZ: Herr Doleschal, vor zwei Jahren hat sich die JU im CSU-Machtkampf zwischen Horst Seehofer und Markus Söder klar auf die Seite Söders gestellt. Wäre das heute noch genauso?
Christian Doleschal: Ja sicher.

BSZ: Obwohl Söder das Ziel der Schuldenfreiheit Bayerns bis 2030 von seiner Prioritätenliste genommen hat? Der JU-Landesversammlung liegen zwei Anträge vor, die das Festhalten am Termin 2030 fordern.
Doleschal: Zunächst einmal muss ich festhalten, dass Markus Söder ein hervorragender Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender ist. Er hat in Bayern neue Akzente gesetzt, und in der Bundesregierung ist die CSU vom Sorgenkind zum stabilisierenden Anker geworden. Was die Finanzpolitik angeht, sind wir als JU dankbar, dass die neue Staatsregierung daran festhält, keine neuen Schulden zu machen und den Weg der Entschuldung weitergeht. Wir mussten aber zur Kenntnis nehmen, dass die Entlastung aus der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs mehr bei den Kommunen als beim Freistaat zu Buche schlägt. Ungeachtet dessen werden wir in den kommenden Monaten als JU darauf achten, dass die Schuldentilgung trotz der geplanten Programme für eine stärkere Technologieförderung weiterhin eine Rolle spielt.

BSZ: Sie selbst haben einmal gesagt, Söder dürfe nicht dem Gift billiger Kredite erliegen. Bleiben Sie dabei?
Doleschal: Dieser Satz gilt nach wie vor. Niemand darf dem Gift billiger Kredite erliegen, auch wenn das mancher Ökonom anders sehen mag. Ich bleibe bei der Meinung, knallhart an der Politik der Entschuldung festzuhalten.

BSZ: Das Geld ist endlich und wird in den nächsten Jahren eher weniger werden. Muss man im Zweifel ran an Wohltaten wie das Familien- und das Pflegegeld, die jährlich Milliarden kosten?
Doleschal: Aus Sicht der JU ist es schon so, dass im konsumtiven Bereich einige hohe Ausgaben beschlossen worden sind – auch auf Druck des Koalitionspartners in Bayern. Sollte sich die Konjunktur jetzt tatsächlich eintrüben, muss das ein oder andere sicher auf den Prüfstand.

BSZ: Also auch Leistungen wie das Familien- oder das Pflegegeld?
Doleschal: Wir als JU plädieren für einen Generationen-TÜV, mit dem nicht nur neue Gesetze und Ausgaben auf ihre Belastungen für die Zukunft geprüft werden sollen, sondern alle fünf Jahre auch bestehende Leistungen. Man muss aus unserer Sicht alle staatlichen Ausgaben regelmäßig bezüglich ihrer Auswirkungen auf künftige Generationen überprüfen. Das gilt auch für diese Programme.

BSZ: Beim Klima- und Artenschutz führt Söder die CSU gerade auf einen grünen Kurs. Geht die JU da mit?
Doleschal: Ja.

"Umwelt- und Klimaschutz sind eigentlich konservative Themen"

BSZ: Beim Blick in die Anträge zur JU-Landesversammlung spiegelt sich das aber kaum wider. Verschläft die JU eine Entwicklung, die viele junge Menschen umtreibt?
Doleschal: Nein, gar nicht. Wir werden zur Landesversammlung einen Leitantrag zum Thema Ökonomie und Ökologie vorlegen. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist ein zutiefst konservatives Thema. Deshalb ist es auch richtig, dass Markus Söder die Ökologie im Themenspektrum der CSU wahrnehmbarer macht. Bayern ist da in vielen Bereichen Vorbild – mehr als manches Land, in dem die Grünen mitregieren. Es ist deshalb auch kein Kurswechsel, sondern das stärkere Herausheben einer Kompetenz, die bei der CSU schon lange beheimatet ist.

BSZ: Hat die JU Kontakt zur „Fridays for Future“-Bewegung?
Doleschal: Es gibt Gespräche, aber mehr auf lokaler Ebene. Für uns als JU, aber auch als Volkspartei CSU ist es wichtig, die Motive und Forderungen der jungen Leute zu verstehen und ernst zu nehmen und ihnen das Gefühl zu geben, mit ihren Anliegen bei uns gut aufgehoben zu sein.

BSZ: Beteiligt sich die JU an den Freitags-Demos oder ruft dazu auf?
Doleschal: Wir sind froh über jeden jungen Menschen, der sich Gedanken über die Zukunft macht. Wir erleben auch eine positive Politisierung in der jungen Generation. Wir rufen aber nicht zur Teilnahme an den Demos auf. Es gibt aber JU-Mitglieder, die sich an den Veranstaltungen beteiligen.

BSZ: Auf Bundesebene sind der neue JU-Bundeschef Tilman Kuban und der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor gerade die Gesichter des Unions-Nachwuchses, beides eher konservativ geprägte Personen. Woher kommt das?
Doleschal: Ich halte von solchen Einordnungen nicht viel. Man muss sich deren Positionen Thema für Thema anschauen. Und wie gesagt: Umwelt- und Klimaschutz sind eigentlich ausgesprochen konservative Themen.

BSZ: Trotzdem gibt es Stimmen in der CSU, die die Senioren-Union im Vergleich zur JU für frisch und progressiv halten. Ist die JU zu brav und altbacken?
Doleschal: Wer das denkt, wird sich noch wundern. In allen Wahlkämpfen war die JU die treibende Kraft. Wir stehen für die notwendige Erneuerung der CSU.

BSZ: Mit welcher Agenda bewerben Sie sich für den JU-Vorsitz in Bayern?
Doleschal: Zunächst ist mir wichtig, dass wir Ökonomie und Ökologie in Einklang bringen. Ich will beweisen, dass wir dafür Konzepte vorlegen, die in der Praxis auch funktionieren. Ich stehe für technologische Anreize, bin gegen Verbote und will das mit konjunkturellen Förderprogrammen ergänzen. Das zweite Thema ist die Digitalisierung. Da haben wir in Europa gegenüber China und den USA einen großen Nachholbedarf. Diesen Themenbereich bearbeite ich ja auch im Europaparlament. Und dann will ich gerade bei der jungen Generation die Frage der Eigentumsbildung mehr in den Blickpunkt rücken. Mit dem Baukindergeld haben wir als CSU schon einen ersten Schritt gemacht, aber da werden wir noch nachlegen müssen. Eigentum schafft Verbindung zur Heimat, Verantwortung und auch eine gewisse Absicherung.

BSZ: Auf der JU-Landesversammlung am 1. September in Freystadt wird es Anträge zur Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken, aber auch solche zur Freigabe von Cannabis geben. Wie stehen Sie zu diesen Forderungen?
Doleschal: Das wird beides von mir nicht unterstützt.

BSZ: Und was halten Sie von der „Ehe für alle“?
Doleschal: Die ist eingeführt, und das ist so auch in Ordnung.

BSZ: In der Liste der JU-Vorsitzenden in Bayern stehen spätere Ministerpräsidenten sowie Landes- und Bundesminister. Ist das für Sie Ansporn oder Bürde?
Doleschal: Ich habe hohen Respekt vor diesem Amt. Schon als ich jetzt ins Europaparlament gewählt worden bin, habe ich gemerkt, was da auf einen an Aufgaben und Verantwortung zukommt. Als Bürde würde ich das aber nicht sehen. Ich will die Aufgabe mutig und selbstbewusst angehen.
(Interview: Jürgen Umlauft)

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