Politik

Konkurrieren um das Präsidentenamt: Manfred Weber und Frans Timmermans (rechts). (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

28.05.2019

Wer hat Chancen?

Das Kandidatenkarusell im Kampf um die EU-Spitze nimmt Fahrt auf

Die Europäische Union sucht eine neue Führungsspitze - und das Kandidatenkarussell gewinnt an Fahrt. Zuerst geht es um den Nachfolger des Luxemburgers Jean-Claude Juncker als Präsidenten der Europäischen Kommission. Einige Kandidaten haben selbst die Hand gehoben, darunter die Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, und der Sozialdemokraten, Frans Timmermans, sowie die liberale EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Über andere Namen wird immer wieder spekuliert. Ein Überblick:

MANFRED WEBER:

Der CSU-Politiker aus Niederbayern ging 2004 aus dem bayerischen Landtag nach Brüssel, als seine Partei noch eher EU-skeptisch auftrat. Er versteht sich als Brückenbauer, Parteifreunde nennen ihn auch Strippenzieher. 2014 wurde Weber Fraktionschef der EVP und 2018 Spitzenkandidat für die Europawahl. Da die EVP am Sonntag trotz herber Verluste wieder stärkste Partei im Europaparlament wurde, sieht sich Weber als Favorit auf Junckers Posten. Er hat aber mächtige Gegner, darunter Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, der die Auswahl nicht auf die Spitzenkandidaten der Parteien beschränken will. Dass Weber aus dem größten Mitgliedsland kommt, hilft nicht unbedingt. Seit den 1960er Jahren wurde kein Deutscher mehr Kommissionschef, auch wegen der Machtbalance in der EU.

FRANS TIMMERMANS:
Der Niederländer präsentierte sich im Wahlkampf als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten unter anderem im deutschen Fernsehen in Duellen mit Weber. In makellosem Deutsch stritt er für sozialen Ausgleich und mehr Klimaschutz in Europa. Sechs weitere Sprachen beherrscht der ehemalige niederländische Außenminister ebenfalls. Bisher ist er erster Vizepräsident der EU-Kommission und dort zuständig für Nachhaltigkeit und Rechtsstaatlichkeit. Er war das Aushängeschild des Strafverfahrens gegen Polen wegen des Umbaus der dortigen Justiz und etlicher Schritte gegen Ungarn wegen Verletzungen von EU-Standards. Das hat ihn im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs nicht unbedingt beliebt gemacht.

MARGRETHE VESTAGER:
Die sozialliberale Dänin druckste im Wahlkampf lange herum. Sie war nicht Spitzenkandidatin der liberalen Parteienfamilie Alde, sondern nur Mitglied im "Spitzenteam". Erst am Wahlabend am Sonntag sagte sie klar: Ja, sie wolle Kommissionschefin werden. Als EU-Wettbewerbskommissarin erwarb sie sich über Parteigrenzen hinweg Anerkennung. Die Mutter von drei Kindern gilt als klar, strukturiert und unerschrocken. Doch auch sie hat ein Problem: In ihrem Heimatland genießt sie vergleichsweise wenig Unterstützung, auch von Seiten der Regierung. Die Alde ist im Parlament nur drittstärkste Fraktion. Und die übrigen Parteien nehmen den Liberalen übel, dass sie den Spitzenkandidaten-Prozess nicht mitmachten.

MARK RUTTE:
In der Brüsseler Gerüchteküche werden dem rechtsliberalen Regierungschef der Niederlande sowohl Chancen auf den Kommissionschefsessel als auch auf die Nachfolge von EU-Ratspräsident Donald Tusk nachgesagt. Er selbst dementierte bislang. Klar ist aber, dass auch er kein Freund des Spitzenkandidaten-Prinzips ist. Wie Macron wirbt er dafür, dass die Staats- und Regierungschefs frei auswählen dürfen.

MICHEL BARNIER:
Als EU-Chefunterhändler in Sachen Brexit machte der konservative Franzose eine ordentliche Figur. In den Hauptstädten gilt der frühere französische Außenminister und EU-Binnenmarktkommissar nicht nur deshalb als bestens vernetzt. Macron würdigte ihn neulich freundlich. Barniers Problem: Eigentlich hat seine Parteienfamilie EVP ja den Spitzenkandidaten Weber. Chancen hätte er vielleicht als Kompromisskandidat.

CHRISTINE LAGARDE: Die französische Chefin des Internationalen Währungsfonds kommt immer wieder ins Spiel, wenn es um die Besetzung europäischer Spitzenposten geht. Beim britischen Wettenanbieter Ladbrokes verzeichnete sie wenige Tage vor der Wahl hinter Weber, Barnier, Timmermans und Vestager die besten Quoten. Auch hier könnte Macron eine zentrale Rolle spielen: Lagarde ist immerhin Französin.
(dpa)

Sondergipfel berät über Führung der EU
Zwei Tage nach der Europawahl wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen am heutigen Dienstag (18.00 Uhr) bei einem Sondergipfel über die neue Führung der Europäischen Union beraten. In erster Linie geht es um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. Aber weitere Spitzenposten sind noch im Gespräch. Ein Überblick:

UM WELCHE POSTEN GEHT ES?
Die Nachfolge von EU-Ratschef Donald Tusk, von EZB-Präsident Mario Draghi, der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini sowie des EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tajani steht zur Diskussion. Deren Amtszeiten enden allesamt. Bis Ende Juni soll ein Personalpaket geschnürt werden. Doch dabei müsste wohl eine feine Balance zwischen Nord, Süd, West, Ost, zwischen den Parteienfamilien sowie mit Blick auf die Geschlechterparität gefunden werden.

WER STELLT ANSPRÜCHE?
Auf die Nachfolge von Kommissionschef Jean-Claude Juncker erhebt vor allem der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU) Anspruch. Denn die EVP wurde trotz herber Verluste bei der Europawahl wieder stärkste Kraft. Auch sein sozialdemokratischer Gegenspieler Frans Timmermans und die Liberale Margrethe Vestager machen sich Hoffnung.
Merkel drang nun auf eine rasche Entscheidung über die Besetzung der Spitzenämter. Die Staats- und Regierungschefs berücksichtigten den Ausgang der Wahlen, meinte sie. Der französische Präsident Emmanuel Macron und andere EU-Staats- und Regierungschefs fühlen sich an das Prinzip der Spitzenkandidaten allerdings nicht gebunden und wollen den Kommissionschef frei auswählen. Merkel hat aber Weber ihre Unterstützung im Europäischen Rat zugesagt.
Bei den übrigen Posten herrscht noch mehr Unklarheit. Klare Favoriten auf einzelne Positionen zeichneten sich zuletzt nicht ab.

WER SPRICHT NOCH MIT WEM?
Hinter den Kulissen laufen derzeit die Drähte heiß. Ein für Montagabend von Weber angepeiltes Treffen mit anderen Fraktionschefs im Europaparlament kam nicht zustande. Es liefen zunächst "technische Gespräche", hieß es in Brüssel. Die Fraktionschefs wollten offiziell vor dem Gipfel am Dienstagmorgen eine gemeinsame Linie suchen. Im Laufe des Tages sind zudem zahlreiche Einzelgespräche unter den Regierungschefs sowie mit EU-Ratspräsident Donald Tusk geplant.

WAS SAGEN ANDERE GRUPPIERUNGEN?

Die Linke im Europaparlament sprach sich klar gegen Weber aus und warnte Grüne und Sozialdemokraten vor Absprachen mit ihm. Es dürfe nicht wieder undemokratische Deals der Parteien im Hinterzimmer geben, sagte Fraktionschefin Gabriele Zimmer der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Kontakte zur Bildung der von Timmermans gewünschten "progressiven Koalition" habe es aber noch nicht gegeben.
(dpa)

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