Politik

Markus Söder beim virtuellen CSU-Parteitag vor seiner Rede in seinem Büro in der CSU-Landesleitung.(Foto: Sven Hoppe/dpa)

27.09.2020

Winter is coming": Söders Botschaften

Es ist eine besondere Parteitagsrede und überhaupt ein besonderer Parteitag: Markus Söder schwört die CSU und das ganze Land auf einen harten Corona-Winter ein. Er hat aber auch noch andere Botschaften

Es ist vielleicht die entscheidende Passage dieses ohnehin denkwürdigen CSU-Parteitags, die noch länger in Erinnerung bleiben wird. Eine halbe Stunde hat Markus Söder schon gesprochen, als er nochmals deutlich ernster und leiser wird. Der Parteichef berichtet von Drohbriefen, Hass-Mails und Anfeindungen, die ihn wegen seines Anti-Corona-Kampfes erreicht haben. Und zitiert dann daraus.

"Sie werden den morgigen Tag nicht mehr erleben", liest Söder vor. "Ich werde Sie erschießen, in Scheibchen schneiden und Tigern zum Fraß vorwerfen." Oder: "Dieser größenwahnsinnige Psychopath muss unbedingt schnellstmöglich am nächsten Baum aufgehängt werden." Noch einige weitere Zuschriften, eine kruder als die andere, liest der bayerische Ministerpräsident vor. "Schon ziemlich krass, oder?"

Und dann kommt Teil zwei dieser Szene: Söder schenkt sich Tee ein, in eine Tasse mit der Aufschrift "Winter is coming" aus dem auch von Söder überaus geschätzten US-Serien-Epos "Game of Thrones". "Durchschnaufen" müsse er erstmal, sagt Söder nach dem Vorlesen der Morddrohungen. Und dann, kurz nachdem er den heißen Tee in die Tasse gegossen hat, ist darauf plötzlich zu lesen: "Winter is here".

Dass die im Internet nach der Rede zwischenzeitlich ausverkaufte Tasse ihr Aussehen beim Einfüllen heißer Flüssigkeit verändert, habe Söder nicht gewusst, heißt es, sie sei ein Geschenk gewesen.

Doch ob gewollt oder nicht: Zwei zentrale Botschaften dieser Parteitagsrede hat Söder mit dem Zitieren der Morddrohungen und mit den Aufschriften der Tasse jedenfalls klar gesetzt. Zur Erläuterung: In der Serie steht die Aussage "Der Winter kommt" für eine tödliche Bedrohung der Menschen durch eine vermeintlich unbesiegbare Armee von Untoten.

Söder will Reichskriegsflagge in Bayern verbieten 

Botschaft eins, und das ist ja Söders zentrale Warnung seit Wochen angesichts der wieder steigenden Corona-Zahlen: Der Winter kommt - mit all den damit verbundenen Gefahren und drohenden Rückschlägen im Kampf gegen das Virus. Botschaft zwei: Das Land müsse zusammenstehen, um in dieser "Naturkatastrophe" zu obsiegen. Und: Dabei müsse man Verschwörungstheoretikern und Neonazis gemeinsam die Stirn bieten. In dem Zusammenhang kündigt er an, die Reichskriegsflagge, die zuletzt oft auf Corona-Kundgebungen geschwenkt wurde, in Bayern zu verbieten.

In Söders fast einstündiger Rede geht es - natürlich - in weiten Teilen um den Kampf gegen Corona. Deshalb hatte die CSU nach einem kleinen Parteitag im Mai auch diesen großen Parteitag zum ersten Mal komplett ins Internet verlegt. Rund 700 Delegierte sind in der Spitze zugeschaltet, aus Wohnzimmern und Dachstudios, manche mit Kindern auf dem Schoß. Später werden im Eiltempo viele Anträge diskutiert und verabschiedet. Doch im Fokus stehen Söder und dessen Rede, die er wie im Mai von seinem Schreibtisch im Parteivorsitzenden-Büro aus hält.

Söder will die breite Öffentlichkeit, aber offenbar auch noch manche Zweifler in seiner Partei, einschwören auf einen noch langen Kampf. "Corona ist mit voller Wucht, aller Macht wieder da, in ganz Europa", warnt er. "Die zweite Welle läuft." Man solle aber nicht ängstlich und kopflos sein, sondern besorgt - und dennoch optimistisch: "Wir sind viel stärker, als wir glauben. Wir können mehr, als wir denken."

Söder macht klar: Er will beim vorsichtigen Anti-Corona-Kurs bleiben - dabei aber je nach aktuellen Infektionszahlen vor allem auf regionale Gegenmaßnahmen setzen. Und: Schule, Kita und Wirtschaft haben für ihn klar Vorrang vor Privatvergnügen. "Für mich als Christ ist es ethisch nicht vertretbar, für das Freizeitverhalten vieler das Leben weniger zu opfern", sagt er und fordert vor allem mehr Vorsicht im Privaten. Söder, mahnend: "Es braucht schon eine Koalition der Freiwilligen, eine Koalition der Vernünftigen, ein Bündnis der Umsichtigen."

Söders zweites Haupttheme: Der Klimawandel

Neben Corona hat Söder noch ein zweites Hauptthema: Er versichert, man werde auch den Kampf gegen den Klimawandel nicht vernachlässigen - im Gegenteil. Der Höhepunkt: Einerseits erneuert Söder die Forderung nach Kaufprämien oder ähnlichem für moderne Verbrenner. Andererseits aber spricht sich der CSU-Chef überraschend für ein Zulassungsverbot für fossile Verbrennungsmotoren ab 2035 wie in Kalifornien aus: Er sei auch für ein solches "Enddatum". Das hatte Söder im Jahr 2007, als Generalsekretär, schon einmal für 2020 gefordert. Aber als Partei- und Regierungschef hat die Forderung nun ungleich mehr Gewicht.

Auch wenn es bei einem Online-Parteitag keinen Applaus und keinen Jubel, sondern allenfalls viele virtuelle "Likes" für den Redner gibt: Söder hat die CSU bei alledem grundsätzlich hinter sich. Manche sähen ihn ja auch gerne als nächsten Kanzlerkandidaten der Union.

Doch Söder wiederholt, auch in der Parteitagsrede, es bleibe dabei: "Mein Platz ist immer bei euch, also in Bayern." Er rammt aber, was die Kandidatenkür angeht, deutliche Pflöcke für die CSU ein: Die CDU habe das Vorschlagsrecht - aber die CSU sei nicht nur da, um das dann abzunicken. "Keiner kann ohne die Stimmen aus Bayern und ohne die Unterstützung der CSU gewinnen", schreibt er den drei CDU-Anwärtern Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen ins Stammbuch.

Zuletzt richtet Söder, wie man dies von einer Parteitagsrede erwarten kann, den strategischen Blick auch auf die Bundestagswahl in einem Jahr. Vor allem warnt er die Union angesichts der aktuellen guten Umfragewerte vor Siegesgewissheit. "Es wird ein Wimpernschlagfinale werden", mahnt er. Es werde "spannend wie nie". Vor allem warnt er vor einem "linken Bündnis" aus SPD, Grünen und Linken - und fragt: "Will man rebellische Regierungen haben oder gute Regierungen?"

Söder weiß vor allem eines: Bis zur Wahl ist es noch ein Jahr hin. Vor allem in Zeiten von Corona ist das eine halbe Ewigkeit. Und wie steht es schon auf Söders Tasse: Erst einmal kommt nun bald der Winter.
(Christoph Trost und Marco Hadem, dpa)

Toiletten, Gendersterne, Kinderschutz: Beschlüsse des Parteitags
In einem oft nur schwer nachvollziehbaren Tempo hat der CSU-Parteitag am Samstag in rund dreieinhalb Stunden eine Masse von Anträgen angenommen oder abgelehnt. Ein Überblick über einige wichtige Beschlüsse, die aber nicht immer wirklich neu sind:

- Der Kampf gegen den Kindesmissbrauch soll verstärkt werden. Dazu fordert die CSU unter anderem die Wiedereinführung der derzeit ausgesetzten Speicherung von Verkehrsdaten im Internet. Der Antrag sieht auch höhere Strafen vor, bis hin zu lebenslänglich. Erzieher und Lehrer sollen besser geschult werden, um Missbrauch zu erkennen.

- In Supermärkten soll es nach dem Willen der CSU künftig eine Verpflichtung für Kundentoiletten geben. Bei Altbauten sollten Kunden zumindest einen Rechtsanspruch erhalten, in Notsituationen auch die Personaltoilette benutzen dürfen. Die CSU-Fraktion im Landtag soll dazu die bayerische Bauordnung ändern.

- In Schulen soll die Digitalisierung weiter vorangetrieben werden. Die verschiedenen beschlossenen Anträge fordern unter anderem eine zentrale Bayern-Cloud, eine Schul-Videoplattform, ein eigenes Schul-Rechenzentrum, zusätzliche digitale Leihgeräte für Schüler und Lehrer, neue IT-Systemadministratoren und neue Stellen für die Aus- und Fortbildung von Lehrern. Die CSU sprach sich auch für eine vollständige Digitalisierung aller Schulbücher samt kostenfreier Bereitstellung für alle Bürger aus.

- Die doppelte Staatsbürgerschaft ist aus Sicht der CSU gescheitert. Der beschlossene Antrag fordert eine Rückkehr zur Rechtslage von vor 2014, das bedeutet Doppelstaatlichkeit soll grundsätzlich vermieden werden, wer zwei Pässe hat, soll sich bei Volljährigkeit für eine Nationalität entscheiden.

- Sowohl im Bundestag als auch im bayerischen Landtag sollen die Abgeordneten nun prüfen, ob eine geschlechtersensible Sprache Nachteile für das Verständnis hat. Der Parteitag bestätigt damit auch seine ablehnende Haltung gegen den immer beliebteren sprachlichen Veränderungen wie Binnen-I und Gendersternchen.

- In Bayern soll es keinen Polizeibeauftragten geben, der für Bürger wie Polizisten bei Konflikten als Anlaufstelle dient. Kritiker sehen in dem Beauftragten einen Generalverdacht gegen die Polizei.

- Der Parteitag sieht keine Notwendigkeit zur Einführung eines verpflichtenden Gemeinschaftsjahrs. Stattdessen bleibt die CSU bei ihrer Forderung nach einem freiwilligen Deutschland-Praktikum.
(dpa)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist das geplante Demokratiefördergesetz sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.