Politik

Karl Straub, CSU-Landtagsabgeordneter aus Pfaffenhofen und neuer Integrationsbeauftragter. (Foto: Nadine Stegmann)

15.12.2023

„Wir schwanken bei der Migration zwischen Extremen“

Seit Anfang November fungiert der CSU-Abgeordnete Karl Straub (52) als Integrationsbeauftragter der Staatsregierung. Der Kfz-Betriebswirt gehört dem Landtag seit 2013 an. Im Kreis der Integrationsbeauftragten der Länder ist er der einzige Unionsmann, alle anderen gehören entweder der SPD oder den Grünen an

BSZ: Herr Straub, Sie kommen gerade von der Tagung der Integrationsbeauftragten von Bund und Ländern: Die inhaltlichen Differenzen dürften groß gewesen sein.
Karl Straub: Ja, natürlich. Bayern hat halt eine klare Linie in der Asylpolitik gefordert. Besonders mit der Beauftragten der Bundesregierung, der Staatsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD), sind die Differenzen noch groß – speziell, was die Begrenzung des Zuzugs und die verstärkten Rückführungen betrifft.

BSZ: Als nächstes Projekt der Bundesregierung in Sachen Migration steht das neue Staatsbürgerschaftsrecht an, das die bayerische Staatsregierung ablehnt. Aber wie will man das verhindern?
Straub: Es ist möglich, dass wir eine Bundesratsinitiative starten, um es zu verhindern. Aber das steht noch nicht fest. Die deutsche Staatsbürgerschaft muss der feierliche Abschluss einer gelungenen Integration sein. Und da sollte man schon stark drüber nachdenken, ob das nach nur drei oder auch fünf Jahren generell schon möglich ist; acht Jahre sind da eindeutig der bessere Zeitrahmen. Und über die doppelte Staatsbürgerschaft besteht auch noch großer Diskussionsbedarf.

BSZ: Sie haben erklärt, „Graubereiche“ in der Migrationsdebatte kämen zu kurz. Was meinen Sie damit?
Straub: Wir schwanken in Deutschland in Sachen Migration immer zwischen übergroßer Hilfsbereitschaft einerseits und massiver Ablehnung andererseits. Hier einen vernünftigen Mittelweg zu finden wäre gut. Wir sollten uns auch immer bewusst sein, dass es um Menschen geht – im Guten wie im Schlechten. Es bringt weder was, Flüchtlinge zu idealisieren noch sie zu verdammen. Auch bei drei Millionen Flüchtlingen sind keine zwei Personen gleich; jeder ist ein Einzelschicksal und muss als solches betrachtet werden.

BSZ: Viele Menschen haben Vorbehalte gegen die wachsende Migration. Wie begegnen Sie solcher Skepsis, und wo hört Ihr Verständnis auf?
Straub: Bei Rassismus und Antisemitismus hört mein Verständnis auf, da debattiere ich auch nicht mehr. Aber für Menschen, die Angst vor einem neu entstehenden Flüchtlingsheim haben und einem solchen Projekt ablehnend gegenüberstehen – für die habe ich Verständnis. Über Bedenken möchte ich mit der Bevölkerung vor Ort sprechen und Vorbehalten entgegenwirken, aber auf Bundesebene auch klar auf die Grenze des Zumutbaren für die Bevölkerung hinweisen. Allerdings ist es nicht so, dass wir eine wirkliche Trendwende schon eingeleitet und die Migration wirksam begrenzt haben; der Zuzug hält aufgrund der Zögerlichkeit der Bundesregierung noch weitgehend an und in naher Zukunft werden weitere solche Unterkünfte gebaut werden müssen. Die Geduld der Menschen aber ist längst erschöpft. Unsere Aufnahmekapazität ist nicht unendlich. Hier muss man Ansprechpartner und präsent sein – auch wenn man dann mal deren verbale Wut abbekommt.

BSZ: In Ihrem Amt müssen Sie eng mit dem Bayerischen Integrationsrat zusammenarbeiten. Wie läuft das?
Straub: Ich hatte erst eine gemeinsame Sitzung mit dem Integrationsrat. Aber der setzt sich ja aus unterschiedlichen Akteuren zusammen. Und bei vielen Mitgliedern ist eine Änderung des Meinungsbilds zu spüren – dahingehend, dass die aktuell praktizierte Asylpolitik längst nicht mehr human ist. Man kann doch nicht immer weiter Flüchtlinge auf eine Gesellschaft verteilen, in der es in der großen Mehrheit längst keine Akzeptanz mehr dafür gibt. Da hat man am Ende nur Verlierer. Dass es mehr Begrenzung und Steuerung braucht, hat man nach meiner Einschätzung auch im Integrationsrat erkannt.

BSZ:  Die CDU hat gerade ein neues Migrationspapier vorgelegt, in dem die Durchführung von Asylverfahren in sicheren Drittstaaten ins Spiel gebracht wird – ohne konkrete Staaten zu benennen. Welche kommen infrage?
Straub: Da müssten Sie konkret die CDU fragen. Ich persönlich habe mich im Plenum bereits gegen Begriffe wie Ruanda-Modell ausgesprochen. (Die britische Regierung plante, ihre Asylverfahren ins afrikanische Ruanda auszulagern. Inzwischen hat Ruanda aber von den Plänen wieder Abstand genommen. Anm. d. Red.) Und selbst wenn man Verfahren in solche Länder auslagert – dann muss trotzdem gewährleistet sein, dass diese zwar einerseits schnell, aber andererseits auch unter humanen Bedingungen durchgeführt werden. Wenn ein Land wie Ruanda das Asylverfahren nachprüfbar ordentlich und vor allem unter Beachtung der Menschenrechte durchführt, dann kann man grundsätzlich darüber reden; vorher nicht.

BSZ: Sehen Sie Vorteile in solch ausgelagerten Asylverfahren?
Straub: Grundsätzlich kann es auch im Interesse der Geflüchteten sein, Asylverfahren auf der südlichen Seite des Mittelmeers durchzuführen – damit sie den lebensgefährlichen Weg übers Wasser gar nicht erst antreten. Sondern vorher Klarheit erhalten, ob es für sie eine Zukunft in Europa gibt oder nicht. Darüber hinaus muss man aber auch verstehen, dass es Flüchtlingshelfer gibt, bei denen der Terminus „Asylverfahren in Drittstaaten“ – womöglich nicht völlig unberechtigt – unschöne Assoziationen auslöst.

BSZ: Die AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner sagte im Landtag kürzlich, „AfD wirkt“. Heißt, ohne die AfD im Nacken hätte sich auch die CSU nicht bewegt in der Asyldebatte. Was sind die drei markantesten Unterschiede zwischen christsozialer und AfD-Asylpolitik?
Straub: Menschlichkeit, Menschlichkeit, Menschlichkeit. Ich möchte es nur an einem Beispiel festmachen: Frau Ebner-Steiner sprach in der jüngsten Plenardebatte unter anderem von „Massenimporten von Vergewaltigern und Messerstechern“. Eine solche Rhetorik ist menschenverachtend und sie wird auch den Geflüchteten als Individuen nicht gerecht. Es stimmt einfach nicht. Natürlich gibt es auch unter den Flüchtlingen einige Verbrecher, aber die allermeisten sind völlig anständige Menschen. Dass viele von ihnen trotzdem nicht hierbleiben können und wieder gehen müssen – das ist eine andere Sache. Darüber hinaus: AfD wirkt nicht. Meine Partei sagt heute in der Asyldebatte nichts anderes als 2015 und 2016 – der Zeit der ersten großen Flüchtlingswelle. Damals aber konnten wir uns in der Bundesregierung bedauerlicherweise gegen die anders ausgerichtete Einstellung der CDU und der SPD nicht durchsetzen. (Interview: André Paul)

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