Politik

Ronja Endres, Landesvorsitzende der Bayern SPD, spricht beim Landesparteitag der SPD Bayern in den Eisbachstudios. (Foto: dpa/Felix Hörhager)

28.10.2022

„Wir wissen, wie man regiert“

Bayern-SPD-Vorsitzende Ronja Endres über eine persönliche Niederlage, die Aufbruchstimmung nach dem Landesparteitag und die Chancen ihrer Partei bei der Landtagswahl

Nur 10 Prozent der Wahlberechtigten würden die SPD dem BR-Bayerntrend zufolge wählen, wenn jetzt Landtagswahl wäre. Ungeachtet dessen trat die Bayern-SPD bei der Kür ihres Spitzenkandidaten Florian von Brunn vor rund einer Woche selbstbewusst auf. Seine Co-Landesvorsitzende Ronja Endres, 36, erklärt im BSZ-Interview, woraus sich dieses Selbstbewusstsein speist und was sie dem Bundeskanzler mit auf den Weg gegeben hat.

BSZ: Frau Endres, nach Ansicht vieler Teilnehmenden beim SPD-Landesparteitag haben Sie die mitreißendste Rede gehalten. Ist es da nicht geradezu tragisch, dass Sie bei der Landtagswahl eher in der zweiten Reihe stehen werden?
Ronja Endres: Ich finde es total schön, dass die Leute mit einem positiven Gefühl und hochmotiviert aus diesem Parteitag rausgegangen sind. Das ist für eine Landtagswahl unheimlich wichtig. Dazu habe ich voller Freude tatkräftig beigetragen und kann sagen, ich habe meine Rolle ganz gut gefunden.

BSZ: Sie hätten ja schon gewollt, haben aber keinen Stimmkreis gekriegt.
Endres: Das ist richtig.

BSZ: Man könnte das als Affront gegenüber der Doppelspitze der Partei verstehen. Immerhin hatte auch Ihr Co-Vorsitzender Florian von Brunn für Sie geworben.
Endres: Es ist kein Affront. Ich wollte gerne zu Hause in Regensburg antreten, doch die Basis vor Ort hat anders entschieden. Ich wollte dann aber auch nirgendwo anders antreten, sondern lieber meine Partei in ganz Bayern unterstützen. Ich glaube, jeder, der nicht auch mal einstecken kann, hat in der Politik eh nichts verloren.

BSZ: Es gibt Parteien, bei denen man sich nicht vorstellen kann, dass die Landesvorsitzende ohne Stimmkreis bleibt.
Endres: Ich hoffe, dass die anderen Parteien auch demokratische Verfahren haben, um ihre Kandidaten zu küren. Das Schöne ist, dass wir in Regensburg viele sehr gute Kandidierende hatten. Und es wird dort einen fantastischen Wahlkampf geben, den ich von Herzen unterstützen werde.

"Wir haben im Bundestagswahlkampf gesehen, wie schnell sich die Umfragewerte wieder ändern können"

BSZ: Ihr Co-Vorsitzender ist mit 93 Prozent der Delegiertenstimmen zum Spitzenkandidaten der SPD gekürt worden. Das hört sich nach sehr viel an – ist aber eine geringere Quote als die seiner Vorgänger. Muss er auch erst einmal seine internen Kritiker*innen überzeugen, bevor er in den Wahlkampf zieht?
Endres: Dieser Parteitag hat gezeigt, wie gut die Stimmung unter den Genossinnen und Genossen ist. Florian von Brunn und ich, wir hatten die Parteiführung ja vor anderthalb Jahren mit einem sehr knappen Wahlergebnis übernommen. Da sind 93 Prozent wirklich herausragend gut, da haben wir uns sehr gefreut – das gibt uns auch sehr viel Rückenwind innerhalb der Partei.

BSZ: Rückenwind bräuchten Sie tatsächlich: Vor einem Jahr konnte die SPD angesichts der Umfrageergebnisse von einer bayerischen Ampel-Regierung unter ihrer Führung träumen. Laut dem aktuellen BR-Bayerntrend müssen Sie sich aber eher wieder an den historisch schlechten 9,7 Prozent orientieren, die die SPD bei der Landtagswahl 2018 erzielt hat.
Endres: Das ist aber nur eine Momentaufnahme. Wir haben im Bundestagswahlkampf gesehen, wie schnell sich die Umfragewerte wieder ändern können. Gerade schauen die Leute nicht auf Landesthemen. Sie beschäftigen sich mit den großen Fragen, sie machen sich Sorgen um die Energiepreise und ob sie sich noch alle Lebensmittel leisten können. Deswegen hängen wir in den Umfragen stark am Bund.

BSZ: Da steht die vom SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz geführte Bundesregierung derzeit ordentlich in der Kritik. Was stört Sie denn an der Bundesregierung?
Endres: Mich stört eher die Landesregierung. Die Bundesregierung hat ganz gut vorgelegt. Niemand hätte mit 200 Milliarden Euro Sondervermögen zur Entlastung gerechnet. Da beneiden uns auch die anderen Länder in Europa. Ich war gerade in Wien, die hätten sich so einen Doppelwumms sehr gewünscht.

BSZ: Also dann: Was stört Sie an der Landesregierung?
Endres: Wir haben in Bayern eine etwas höhere Gesamtinflation als in Gesamtdeutschland. Und deswegen fände ich es richtig, die Menschen im Freistaat mit bayerischem Geld zu entlasten. Wir haben einen vorausgesagten Steuerüberschuss, und der sollte den Leuten gegeben werden, die ihn jeden Tag erarbeiten. Das haben wir in der Landtagsfraktion gefordert, die CSU hat das abgelehnt.

BSZ: Eine „Politik mit Wumms“ hatte Florian von Brunn angekündigt, nachdem Sie beide zu Parteivorsitzenden gekürt worden waren. Wie wollen Sie die Menschen erreichen?
Endres: Welche Themen im Landtagswahlkampf vorkommen, steht jetzt noch nicht fest. Es wird sicher viel um Bezahlbarkeit gehen und um die jetzigen Sorgen, die durch die nicht von uns verschuldete Situation in der Ukraine gekommen sind. Ich glaube, dass Florian von Brunn die Weichen richtig gestellt hat. Gerade schreiben wir am Regierungsprogramm.

BSZ: Beim Parteitag haben Sie auch explizit gesagt: „Wir wollen regieren!“
Endres: Das ist das Ziel.

BSZ: Glauben Sie wirklich daran?
Endres: Ja, definitiv. An dieser Stelle meiner Rede haben auch viele Genossinnen und Genossen gejubelt. Wir wissen, wie man regiert. Wir regieren in fast 200 Städten und Gemeinden im Freistaat. Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, dass wir mitregieren können, um auch die soziale Note, den Menschen, mit reinbringen zu können, damit es nicht nur um die Wirtschaft oder nur um den Klimaschutz geht.

BSZ: Bundeskanzler Olaf Scholz war zu Gast beim Parteitag. Hatten Sie oder Ihr Co-Vorsitzender Zeit für ein Gespräch mit ihm?
Endres: Ja, tatsächlich.

BSZ: Worum ging es?
Endres: Es ging viel um Bundesthemen, auch um Energie, weil das ja ein großes Sorgenkind ist. Ich liebe mein Bayern so, wie es ist, ich mag, dass es reich und stark ist. Deswegen macht mir die momentane Entwicklung die größten Sorgen, das habe ich dem Kanzler gegenüber angesprochen. Mit Olaf Scholz spricht man immer gern, weil er ein sehr angenehmer Mensch ist.

BSZ: Wird er im Wahlkampf noch öfter in Bayern auftauchen?
Endres: Wir werden es auf jeden Fall versuchen. Es ist schon mal ein starkes Zeichen, dass er zur Kür des Kandidaten gekommen ist. Tatsächlich war seit 40 Jahren kein Bundeskanzler mehr bei einem Parteitag. Das zeigt auch, dass wir als Bayern-SPD auf Bundesebene wieder eine gestärkte Rolle spielen.

BSZ: Blicken wir ein Jahr in die Zukunft: Was werden Sie am Tag nach der Landtagswahl machen?
Endres: Feiern. Und bestimmt schon Gespräche mit anderen Parteien aufnehmen, um Regierungsoptionen auszuloten.
Interview: Thorsten Stark
 

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