Politik

Der Wolf breitet sich auch in Bayern aus. (Foto: dpa/Hildenbrand)

12.05.2023

Wolf frisst Dolly – das hat Folgen

Das Raubtier darf in Bayern abgeschossen werden – es ist aber strittig, ob das mit EU-Recht vereinbar ist

Seinen Artgenossen hat der Wolf mit der Bezeichnung GW950m mit diesem Riss wohl keinen Gefallen getan: Im September 2022 tötet er auf einer Weide in der Nähe von Hannover das Pony Dolly. Es gehört EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), die dort mit ihrer Familie lebt. Zufall oder nicht: Kurze Zeit später signalisiert die EU-Kommission, den bislang strengen Schutzstatus des Wolfs überprüfen zu wollen.

Bisher ist auf europäischer Ebene noch keine Entscheidung gefallen. Allerdings hat der Freistaat wohl auch von Brüssel ermutigt inzwischen eine Wolfsverordnung erlassen, die seit 1. Mai gilt. Sie besagt unter anderem, dass unter gewissen Umständen schon ein Riss reichen kann, um einen Wolf töten zu dürfen. Die Landratsämter können seitdem selbstständig darüber entscheiden. Viehhalter*innen jubelten. Die Opposition wittert dahinter dagegen Wahlkampfgetöse: SPD und Grüne sind sich sicher, dass die Verordnung juristisch nicht haltbar ist. Der Bund Naturschutz übte scharfe Kritik und hat sich jetzt zu einer Klage entschieden. Die Wolfsverordnung verstößt auch aus Sicht des Umweltschutzverbands gegen deutsches sowie europäisches Recht.

Denn eigentlich gilt nach wie vor die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. In Artikel 16 ist geregelt, in welchen Ausnahmefällen auch geschützte wild lebende Tiere wie der Wolf entnommen, also getötet, werden dürfen. Es sind sehr enge Grenzen, die für die Ausnahmen gesteckt worden sind. Ein einzelner Riss durch einen Wolf würde gemäß dieser Richtlinie nicht ausreichen. Wohl ebenso wenig wie eine bloße Sichtung über mehrere Tage hinweg in einem Umkreis von weniger als 200 Metern von geschlossenen Ortschaften, Gebäuden oder Stallungen. Diese berechtigt laut bayerischer Wolfsverordnung ebenfalls zum Abschuss.

Kein Austausch mit dem Bundesumweltministerium vor dem Erlass

„Eine anlasslose Entnahme von Wölfen zum Beispiel durch Bejagung ist rechtlich nicht möglich“, erklärt eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums. Aber ist die dauerhafte Sichtung eines Wolfes in unmittelbarer Nähe einer Siedlung ein Anlass oder nicht? Diese Antwort gibt die Sprecherin nicht. Sie verweist stattdessen auf einen Praxisleitfaden, den Bund und Länder 2021 abgestimmt haben. Daran habe auch Bayern mitgearbeitet. In dem Leitfaden ist etwa geregelt, dass Wölfe nach wiederholten Übergriffen auf geschützte Nutztiere getötet werden können. Vor Erlass der Wolfsverordnung im Freistaat habe es keinen Austausch mit dem Bundesumweltministerium gegeben, erklärt die Sprecherin.

Eine weitere juristische oder politische Bewertung will sie nicht vornehmen. Klar ist nur, dass Ressortchefin Steffi Lemke (Grüne) kein Fan der Verordnung aus dem Freistaat ist. Zusammen mit elf weiteren europäischen Umweltminister*innen hatte sie sich schon weit vor dem bayerischen Vorstoß an EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevi(c)ius gewandt. Sie wollen verhindern, dass der strenge Schutzstatus des Wolfes in Europa gelockert wird. Denn auch das EU-Parlament hatte in einer Resolution an die EU-Kommission eine Lockerung gefordert. Nicht nur in Bayern gibt es durch das Erstarken der Wolfspopulation zunehmend Konflikte. 

Mit einer konkreten Bewertung der bayerischen Wolfsverordnung hält man sich bei der EU-Kommission zurück. „Die Kommission erkennt an, dass die Rückkehr von Wölfen in Regionen der Union, in denen sie seit Langem abwesend sind, und ihre wachsende Verbreitung in neuen Gebieten zu Herausforderungen und Konflikten führt“, erklärt ein Sprecher allgemein. Um „sozioökonomische Interessen zu schützen“, könnten die Mitgliedstaaten von den Verboten der strengen Schutzregelung abweichen. Da werde die Kommission nicht im Wege stehen. Voraussetzung sei allerdings die Einhaltung der Bestimmungen und Bedingungen der Habitat-Richtlinie.

Verstößt Bayerns Wolfsverordnung nun gegen EU- oder nationales Recht? Diese Frage wird wohl abschließend nur der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beantworten können, der sich mit der Klage des Bund Naturschutz beschäftigt. (Thorsten Stark)
 

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