Anders als in Berlin, Rheinland-Pfalz oder im Saarland sind Krankenhäuser in Bayern nicht gesetzlich verpflichtet, einen unabhängigen Patientenfürsprecher zu installieren. Immerhin mehr als 40 Prozent, so Detlef Schliffke, Vorsitzender des Bundesverbands Patientenfürsprecher in Krankenhäuser (BPiK), tut dies jedoch freiwillig. Am Universitätsklinikum Erlangen gibt es sogar zwei Patientenfürsprecherinnen. Eine von ihnen ist seit zwölf Jahren Margareta Klinger, ehemalige Leiterin der Erlanger neurochirurgischen Poliklinik.
Meist muss viel passieren, bis ein Patient sagt: Also jetzt langt es mir aber! Und zum Patientenfürsprecher geht. Die Fürsprecherinnen am Uniklinikum Erlangen hatten es 2022 mit 140 und 2023 mit 120 Patient*innen und Angehörigen zu tun. Das ist laut Margareta Klinger wenig, schließlich werden in Erlangen jährlich über 50 000 Patient*innen stationär und über 500 000 ambulant behandelt.
Die wachsenden Probleme in der Patientenversorgung rühren letzten Endes daher, dass im Gesundheitswesen immer unverhohlener auf die freie Marktwirtschaft und ihre Spielregeln geschielt wird. Dieser Trend besteht seit Einführung der Fallpauschalen 2004. Konkret bedeutet das, dass Ärzte kaum noch Zeit haben, mit Kranken zu reden. Zu wenig Zeit für Kommunikation, so die Erlanger Patientenfürsprecherin, sei heute ein eklatantes Problem in der Patientenversorgung.
Wie leicht man etwas aus sprachlichen Gründen falsch interpretieren kann, weiß Karin Kramer, Pressesprecherin des Kommunalunternehmens Haßberg-Kliniken: „Das Thema Kommunikation steht auch bei uns ganz oben.“ Sprachbarrieren gebe es allerdings beidseitig. Denn viele Patient*innen kämen nicht aus Deutschland.
In den beiden Haßfurter Kliniken ist die Personalsituation laut Karin Kramer im Übrigen nicht angespannt. Allerdings gibt es seit Oktober keinen Patientenfürsprecher mehr. Dafür richtete das Kommunalunternehmen ein „Büro für Patientenzufriedenheit“ ein. Wenn jemand eine strenge Diät einhalten muss, wenn jemand aus Gesundheitsgründen dies oder jenes nicht mehr tun darf, braucht es dafür einleuchtende Erklärungen.
Deutschlandweit werden Patientenfürsprecher aktuell in erster Linie deswegen kontaktiert, weil es mit der Kommunikation nicht klappt, bestätigt Detlef Schliffke, dessen Bundesverband 250 Patientenfürsprecher*innen angehören. Beschwerden gebe es außerdem wegen langer Wartezeiten und organisatorischer Probleme.
Zum Tag des Patienten wünscht sich der BPiK, dass es in jeder Klinik einen qualifizierten Patientenfürsprecher gibt. Nicht selten ist für Patienten unverständlich, wie Ärzt*innen agieren. Sie begreifen die Diagnostik oder Behandlung nicht ganz. Oder wissen nicht genau, wofür sie ein bestimmtes Medikament einnehmen müssen.
In der Psychiatrie ist es besonders schlimm
„Doch nachdem sie spüren, unter welchem Zeitdruck unsere Ärzte und Pfleger stehen, trauen sie sich oft nicht, zu fragen“, sagt Sandra Roth, Patientenfürsprecherin im Krankenhaus Forchheim. In diesen Fällen versucht sie, zu vermitteln. Manchmal klemmt sie sich auch dahinter, wenn Arztberichte „ewig“ nicht eintreffen.
Dass die Patientenversorgung aufgrund von Zeit- und Personalnot immer schlechter wird, betrifft, ob Arm, ob Reich, inzwischen alle gleichermaßen, so die Forchheimer Fürsprecherin. Auch Privatpatienten würden längst nicht mehr bestens versorgt: „Das gesamte Gesundheitssystem krankt und im Grunde wagt niemand, sich das Ausmaß dessen, was uns noch droht, vor Augen zu halten.“ Die Forchheimer steuern durch die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte und Ärzte gegen: „Doch dadurch wird die Verständigung mit den Patienten noch schwieriger.“
Auch Angehörige leiden. Im Augenblick hat Sandra Roth es mit einer Frau zu tun, deren Lebensgefährte in der Forchheimer Klinik starb. Wenn sich durch den Tod eines geliebten Menschen mit einem Schlag das ganze Leben ändert, ist das drastisch. Hätte der Tod verhindert werden können? Lief etwas falsch? Diese Fragen gehen der Angehörigen nicht mehr aus dem Kopf. In ihrer Verzweiflung wandte sie sich an die Patientenfürsprecherin: „Ihr fehlen Antworten, um wieder zur Ruhe kommen und die Sache endlich abschließen zu können.“ Um der Frau zu helfen, organisiert Sandra Roth gerade einen Runden Tisch mit dem beteiligten Medizinpersonal.
Neulich kaufte sie für eine Patientin Zahnpasta und Duschgel ein. Die Frau war als Notfall in die Klinik gekommen. Sie hatte deshalb nur dabei, was sie auf dem Leib trug: „Angehörige gibt es nicht.“
Betroffene können sich auch an Thomas Zöller, Patienten- und Pflegebeauftragter der bayerischen Staatsregierung, wenden. Am 8. November 2023 übernahm der Freie-Wähler-Abgeordnete Zöller von seinem Vorgänger Peter Bauer das Amt. Vor der Corona-Krise wurden rund 1000 Anfragen pro Jahr registriert. 2020 und 2021 kam es zu jeweils circa 2500, 2022 wieder zu rund 1000 und 2023 zu knapp 700 Anfragen.
Thomas Zöller werden unschöne Erlebnisse in Arztpraxen, Kliniken und Pflegeheimen geschildert. „Einige Bürger stellen inzwischen das gesamte Gesundheits- und Pflegesystem infrage“, fällt ihm auf. Dies rühre womöglich daher, dass Themen wie der Fachkräftemangel, Kostensteigerungen in der Pflege, Kliniksterben oder Ärzteproteste so häufig medial aufgegriffen würden. Zöller: „Unsere Bürgerinnen und Bürger wissen, dass Handlungsbedarf besteht, und schließen möglicherweise daraus, dass ihre negativen Einzelerfahrungen das Resultat einer negativen Gesamtentwicklung sind.“
Für eine gute Patientenversorgung bräuchte es dringend mehr Pflegekräfte. Erst kürzlich erreichte ihn der Brief einer Krankenschwester aus Oberbayern, die eindrücklich schilderte, wie schwierig die Lage in ihrer Einrichtung ist.
Die geschilderten Probleme sind Zöller nicht fremd. Bereits als Bürgermeister von Mönchberg, einem Markt in Unterfranken, sowie als Bezirksrat bekam er die prekäre Situation im Pflege- und Gesundheitswesen hautnah mit. Immer wieder erfuhr er von Bürger*innen, dass sie lange nach einem Facharzt suchen müssen. Oder sie schilderten Ängste wegen einer drohenden Klinikschließung. Überall in Bayern sei die Situation schwierig. Aber besonders schwierig sei sie in ländlichen Räumen, so Zöller: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Patientenversorgung gerade hier bestmöglich erhalten bleibt.“
Dass Ärzte ihren Patienten immer wieder eine Bitte abschlagen müssen, einfach weil nicht genug Personal vorhanden ist, wirkt sich vor allem in der Psychiatrie extrem negativ aus. Davon berichtet Heinz Wamser, Patientenfürsprecher des vom Bezirk Oberbayern getragenen Isar-Amper-Klinikums Region München. Bei ihm beschweren sich Betroffene zum Beispiel, weil sie zu wenig Gelegenheit haben, mit Therapeuten zu sprechen. Auch könnten Therapien häufig nicht im gewünschten Umfang stattfinden. Dadurch wiederum kann das Aggressionspotenzial der psychisch Kranken steigen. Probleme, überall. (Pat Christ)
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