Politik

Markus Söder und Hubert Aiwanger sind sich sehr ähnlich, sagt Meinersmann. Politisch und auch vom Typ. (Foto: dpa)

19.10.2018

"Zwei Alphatiere, die sich nicht ins Gehege kommen"

Kommunikationsberater Christoph Meinersmann über erfolgreiche Koalitionsgespräche, Fehler im Wahlkampf sowie die Redequalitäten von Söder und Aiwanger

Christoph Meinersmann ist Kommunikationscoach und Leiter des Redenschreiber-Landesverbands. Er weiß, wo die Fallstricke bei den Koalitionsgesprächen liegen, wie Politiker Wähler überzeugen, welche Kampagnen ziehen und was neue Trends in der politischen Kommunikation sind. Der Wahlkampf war zwar professioneller als sonst, sagt er. Dennoch wurden viele Fehler gemacht.

BSZ: Herr Meinersmann, FW-Chef Hubert Aiwanger hat der CSU bereits vor der Wahl Koalitionsgespräche angeboten – verknüpft mit Bedingungen. Ein guter Schachzug?

Christoph Meinersmann: Ich halte das aus seiner Position heraus für klug, denn auf beiden Seiten ist die Bereitschaft zu koalieren groß. Dass er Bedingungen stellt, ist in diesem Fall der Verhandlungskommunikation richtig. Er zeigt von Anfang an, wo die roten Linien liegen.

BSZ: Aiwanger und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gelten beide als Alphatiere. Sind da erfolgreiche Koalitionsgespräche überhaupt möglich?
Meinersmann: Beide sind sich ähnlich, politisch und auch vom Typ – aber ohne sich dabei ins Gehege zu kommen. Die CSU hat weniger schlimm abgeschnitten als befürchtet. Und Aiwanger redet nicht um den heißen Brei herum, sondern sagt nüchtern, was Sache ist. Das hilft in solchen Situationen.

BSZ: Die Freien Wähler sind eine sehr heterogene Partei. Wird Aiwanger in einer Regierung die Fraktionsflügel fünf Jahre lang im Griff behalten können?
Meinersmann: Wir werden in der Migrationspolitik wahrscheinlich nach wie vor ein ständiges Hin und Her erleben. Ich befürchte: Das Kräftemessen geht weiter und bremst die politischen Entscheidungsprozesse.

BSZ: Söder hat viele Wahlgeschenke verteilt. Warum konnte er damit beim Wähler nicht so punkten wie erhofft?

Meinersmann: Mal hier und mal da mit der Gießkanne 1000 Euro zu verteilen, reicht nicht. Anders zum Beispiel das Raumfahrtprogramm „Bavaria One“ – das hätte Potenzial gehabt, aber es kam viel zu spät und wurde auch noch dilettantisch vermarktet. Das machte die vernünftige Auseinandersetzung fast unmöglich.

BSZ: Jetzt schiebt man der Bundespolitik den schwarzen Peter für das Wahlergebnis zu. Zu Recht?
Meinersmann: Das hatte sich schon im Wahlkampf angebahnt, und so muss man keine neuen Argumente aus dem Hut zaubern. Söder hat vor wenigen Monaten noch in die gleiche Kerbe geschlagen wie Bundesinnenminister Seehofer und den Streit in Berlin zumindest nicht beendet. Von Alleinschuld kann da keine Rede sein.

"Bei dieser Landtagswahl blieb vielen Spitzenkandidaten mangels glaubhaftem Konzept kaum eine andere Wahl, als die Konkurrenz zu attackieren"

BSZ: Viele Parteien haben im Wahlkampf darauf gesetzt, den politischen Gegner schlechtzumachen. Kommt das beim Wähler an?
Meinersmann: Bis zu einem gewissen Grad geht das, und bei AfD-Veranstaltungen wurde das geradezu erwartet. Aber man sollte es nicht übertreiben. Bei dieser Landtagswahl blieb vielen Spitzenkandidaten mangels glaubhaftem Konzept kaum eine andere Wahl, als die Konkurrenz zu attackieren. Nehmen wir die Kernbotschaft der Freien Wähler: Das meiste ist nicht ganz verkehrt, wir brauchen halt ein Korrektiv. Kaum eine Partei hat wirklich neue Wege aufgezeigt.

BSZ: Was war aus Ihrer Sicht die größte politische Kommunikationspanne im Wahlkampf?

Meinersmann: Kleine Fehler macht jeder. Aber insgesamt war der Landtagswahlkampf gut und professionell. Die CSU tendiert manchmal zu einer Überinszenierung – das Event kann die politische Botschaft auch erdrücken. Viele haben auch die Ressourcen vor Ort schlecht genutzt – da stehen die Kandidaten mutterseelenallein auf der Bühne, während die Regionalprominenz daneben ein Schwätzchen hält.

BSZ: Sie saßen in der Jury, die die Grünen-Spitzenkandidatin zur besten Wahlkampfrednerin gewählt hat. Was hat sie besser gemacht als die anderen?
Meinersmann: Uns Rhetorikanalysten vom Verband der Redenschreiber deutscher Sprache hat diese unglaubliche Energie und die sehr lebensnahe, junge Sprache und Ansprache beeindruckt. Kritiker bemängeln oft, Schulze erinnere sie an eine Klassensprecherin. Aber das ist auch eine Stärke. Wer junge Menschen anspricht, darf so klingen. Das war echt und voller Idealismus – und anders als bei den meisten anderen Kandidaten. Ein Teil der politischen Rhetorik wird sich in diese Richtung weiterentwickeln: weg von einer staatstragenden, hin zu einer ungestelzten Sprache, die auf Dialog setzt. Ludwig Hartmann von den Grünen und Ates Gürpinar von den Linken haben das ebenfalls angedeutet.

BSZ: Was halten Sie von Söders Redequalitäten? Und von Aiwangers?
Meinersmann: Söder ist schon physisch einfach ein Kerl, ein Mannsbild. Er hat Ausstrahlung und spielt auf der rhetorischen Klaviatur vielleicht nicht virtuos, aber in jedem Fall gekonnt. Aiwangers Wirkung basiert auf seiner Unverfälschtheit – ein aufrechter Mann ohne Eitelkeiten im Einsatz für die Sache, so vermittelt er das. Die Beziehung zu seinem Anhang wirkt besonders stabil.

BSZ: Was müssen Politiker für eine überzeugende Rede beachten?
Meinersmann: Das Geheimnis politischer Kommunikation ist Zugehörigkeit, – zu zeigen, wir sind vom gleichen Holz. Dialekt hilft dabei, Nähe und Verbundenheit herzustellen und macht Emotionen glaubwürdiger. Aber man darf die Wähler nicht für dumm verkaufen. Das Verhältnis zum Publikum ist ohnehin entscheidend – wer von oben herab spricht oder belehrend daherkommt, hat meist schon verloren. Das ist in diesem Jahr oft passiert.

BSZ: Die AfD hat als einzige Partei ihre Wahlparty nicht in München, sondern im niederbayerischen Mamming veranstaltet. Was wollte sie damit vermitteln?

Meinersmann: Die Partei steht ohnehin mehr für den ländlichen Raum als für die Stadt. Und warum sollten sie gerade dort feiern, wo sie die schlechtesten Ergebnisse einfahren? (Interview: David Lohmann)

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