Politik

Ein Plakat zum Evangelischen Kirchentag mit dem Slogan "Jetzt ist die Zeit" hängt an der Außenfassade des Rathauses am Hauptmarkt. Der Kirchentag findet vom 7. bis 11. Juni in Nürnberg statt. (Foto: dpa/Karmann)

01.06.2023

Zwischen Politprominenz und Spiritualität

"Jetzt ist die Zeit" – so lautet die Losung des 38. Evangelischen Kirchentags in Nürnberg. Es ist die Zeit eines Krieges in Europa, die Zeit der Klimakrise, der Polarisierung, der Verunsicherung. Welche Antworten kann das Glaubenstreffen geben?

Wenn evangelische Christinnen und Christen eine historische Selbstvergewisserung brauchen, sind sie in Nürnberg genau richtig. In der stolzen Reichsstadt fielen einst Martin Luthers Thesen auf fruchtbaren Boden und wurden von dort aus schnell weiterverbreitet. Nürnberg galt als evangelische Vorzeigestadt.

Und heute? Gehört nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung einer der beiden großen christlichen Kirchen an. Auf ganz Deutschland bezogen sieht die Statistik ähnlich aus. Mitglieder der evangelischen und der katholischen Kirche sind nicht mehr in der Mehrheit.

Der 38. Evangelische Deutsche Kirchentag, der am Mittwoch, 7. Juni), in Nürnberg beginnt, thematisiert auch diese Entwicklung: "Wo finde ich Halt? Sinnstiftung in einer Gesellschaft mit Christ:innen als Minderheit", heißt der Titel eines der Hauptpodien. Aber der Kirchentag wäre natürlich nicht der Kirchentag, würde er nur darum kreisen.

"Die Gesellschaft ist von Unsicherheiten gekennzeichnet, von sehr schwierigen, kritischen Fragen", sagt Kirchentagspräsident Thomas de Maizière. "In einer solchen Lage ist christliche Zuversicht entscheidend für den Zusammenhalt, für Hoffnung, für Engagement."

Viele Themen

Themen gibt es genug: Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine, Sorgen ums Klima, die Inflation, gesellschaftliche Spaltung, Polarisierungen in den Debatten, Extremismus.

"Traditionellerweise ist der Kirchentag eine Plattform und hat keine eigene Meinung. Aber er ist das größte zivilgesellschaftliche Begegnungsereignis in diesem Land", sagt der frühere Bundesminister.

"Wir wollen uns auch nicht thematisch in einer Position verengen. Es gibt ja im Gegenteil sogar den Vorwurf, dass es hier nur um ein bestimmtes Klientel geht. Das wollen wir aber gerade nicht. Wir wollen eine breite Plattform sein. Das gilt für alle drei großen Angebote: geistlich, kulturell und gesellschaftspolitisch."

Trotzdem entwickele sich im Lauf der Tage oft ein Stimmungsbild, sagt de Maizière. Dies sei freilich nicht tagespolitischer Natur. "Ich wäre sehr zufrieden, wenn uns eine gemeinsame Form von Zeitendeutung gelänge." Der Kirchentag wolle zu Lösungen ermutigen und "Zuversicht zeigen angesichts der Probleme".

Natürlich stünden in der öffentlichen Wahrnehmung häufig die politischen Podien im Blickpunkt, sagt Heinrich Bedford-Strohm, Bischof der evangelischen Landeskirche in Bayern. "Aber jeder, der schon einmal auf dem Kirchentag war, weiß, dass die Spiritualität deutlich zu spüren ist."

Es gebe Gottesdienste, Bibelarbeiten und viele geistliche Ausdrucksformen. "Der gesamte Kirchentag ist geprägt von Spiritualität. Und daraus heraus wenden sich Christinnen und Christen den Fragen der Zeit zu. Und das ist genau richtig so."

Zum Auftakt predigt Bedford-Strohm

Bedford-Strohm, der beim Auftaktgottesdienst des Kirchentags predigen wird, verweist auf einen Satz von Dietrich Bonhoeffer. Dieser habe gesagt: Man könne die Gotteswirklichkeit nur erfahren, wenn man sich ganz auf die Weltwirklichkeit einlasse.

"Und genauso ist es. Wenn ich über die Frage nach Krieg und Frieden diskutiere, wenn ich mich frage, wie es mit dem Klima weitergeht und wie wir mit den Herausforderungen der Digitalisierung umgehen, dann tun wir das ja immer aus diesem evangelischen Geist heraus."

Es ist nach Dortmund 2019 der erste Evangelische Kirchentag nach den Einschränkungen der Corona-Pandemie. Folgen spüren die Organisatorinnen und Organisatoren noch, wie de Maizière sagt: "Die Dinge sind kurzfristiger geworden, Menschen legen sich nicht mehr so früh fest, das gilt auch für die angefragten Referentinnen und Referenten."

Mehr Kurzfristigkeit, weniger Verbindlichkeit, spontanere Entscheidungen - das erlebe man auch bei der Organisation des Kirchentags, etwa bei der Suche nach Helfenden. Zugesagt hat jedenfalls schon eine Menge Prominenz aus dem politischen Berlin, angeführt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Kritik an Zuschuss von Freistaat und Kommune

Kritik im Vorfeld freilich blieb auch nicht aus. Dass der Kirchentag aus öffentlichem Geld - konkret vom Freistaat Bayern und der Stadt Nürnberg - mitfinanziert wird, missfällt etwa der Humanistischen Union (HU). "Zahlt Euren Kirchentag selbst, dann haben wir auch gar nichts dagegen, dass er veranstaltet wird", sagte Bundesgeschäftsführer Philip Dingeldey kürzlich der "Nürnberger Zeitung".

Und die pazifistische Martin-Niemöller-Stiftung kritisierte, dass der Kirchentag "friedensethisch vorfestgelegt" sei. Friedenpolitische Veranstaltungen etwa mit Margot Käßmann seien abgelehnt worden, hieß es. Die ehemalige EKD-Vorsitzende fordert einen Waffenstillstand in der Ukraine und wendet sich gegen deutsche Waffenlieferungen an Kiew. (Kathrin Zeilmann, dpa)

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