Unser Bayern

Mit einer schmalen Linie aus roter Tinte sind die Aquarelle von Elgers Urfassung der Flora Bavarica eingerahmt, die im Mettener Klosterarchiv aufbewahrt werden. Hier Arnika/Bergwohlverleih und Sumpf-Greiskraut. (Foto: Petra Raschke)

14.07.2023

Blumige Fleißarbeit

Bayerns Pflanzenwelt vor mehr als 200 Jahren: Über die "Flora Bavarica" des Johann Evangelist Elger

"Ein ungemein verdienstliches Werk (...) welches vertausendfacht und in jeder Schule niedergelegt seyn sollte.“ So urteilte Johann Andreas Schmeller, Kustos der Bayerischen Hof- und Staatsbibliothek, als er 1836 beim Inventarisieren des Bibliotheksbestands die Flora Bavarica des Johann Evangelist Elger (1756 bis 1828) aus dem Jahr 1790 vor sich liegen hatte. Das Werk bestand aus sechs dicken Büchern mit über 1800 Aquarellen, auf denen der Mettener Benediktinermönch die „heimisch wachsende“ Pflanzenwelt des damaligen Bayern dargestellt hat.

Was ist über diese von Schmeller so hoch gelobte „Fleißarbeit“ und ihren Schöpfer bekannt? Neben den verschiedenen Chroniken des Klos­ters Metten, die die Ereignisse der Zeit, in der Elger dem Kloster angehörte, beleuchten, liefert insbesondere die von Mitbruder Pater Maurus Gandershofer im Jahr 1829 veröffentlichte Biografie wichtige Informationen über Elger. Seine Flora Bavarica hingegen steht im Mittelpunkt eines Beitrags in Hoppea, der Denkschrift der Regensburger Botanischen Gesellschaft aus dem Jahr 2005, den Anton Schmidt und Hansjörg Gaggermeier verfasst haben.

Elger wurde am 28. August 1756 in München geboren. Sein Vater war Koch am Hof des bayerischen Herzogs Clemens Franz (1722 bis 1770). Trotz der einfachen Verhältnisse, denen er entstammte, konnte Augustinus Johannes, wie er mit Taufnamen hieß, das Gymnasium besuchen. Die genauen Umstände, warum sich der junge Mann einige Zeit nach dem Abitur für ein Leben im Klos­ter entschied, bleiben im Dunkeln. Gandershofer vermutet, dass er dem Beispiel zweier Landsmänner folgen wollte. Fakt ist, dass Elger 1776 im Alter von 20 Jahren in das im Donautal bei Deggendorf gelegene Kloster Metten eintrat. Das 766 gegründete Kloster zählt zu den ältesten Benediktinerklöstern Deutschlands. Bemerkenswert dort ist die prächtige Klosterbibliothek von 1724, eine der schönsten Barockbibliotheken Europas, die überaus reich mit Handschriften und Büchern ausgestattet ist.

In Metten angekommen, hatte sich Elger, der den Ordensnamen Johann Evangelist annahm, zunächst an den strengen Tagesablauf im Klos­ter zu gewöhnen. Schließlich begann jeder Tag um 4 Uhr morgens mit dem Matutin. Ansonsten standen in seinen ersten Klosterjahren das Gebet, theologische Studien und – weil Abt Lambert Kraus die klösterliche Musikpflege über alles stellte – der Chorgesang im Vordergrund. 1777 legte Elger die feierlichen Gelübde ab und wurde 1779 in Passau zum Priester geweiht. Nach einer „öffentlichen Disputation“ aus dem Kirchenrecht, der er sich 1780 unterzog, wies man ihm zunächst keine speziellen Aufgaben im Klos­ter zu. So konnte „der Thätigkeit liebende junge Mann“, wie Gandershofer berichtet, in den folgenden Jahren die Mußestunden verwenden, um seinen Neigungen nachzugehen.

Zentrales Interesse an der Botanik

Schon während der Schul- und Studienzeit in München hatte Elger begonnen, sich mit Pflanzen zu beschäftigen. Ob ihm jemand behilflich war, den Zugang zur Pflanzenwelt zu finden? Darüber lässt sich nur spekulieren. Das Interesse Elgers an der Botanik war für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich. Denn seit der schwedische Naturforscher und Arzt Carl Linné (1707 bis 1758) im Jahr 1754 sein zweibändiges Werk Spezies Plantarum veröffentlicht hatte und damit die bis dahin unüberschaubare Vielfalt der Pflanzenwelt (und analog dazu auch die Tierwelt) systematisch gliedern konnte, kam die Beschäftigung mit der Botanik und überhaupt mit der Naturkunde immer mehr in Mode.

Linné hatte unter anderem erkannt, dass die Blüten der Pflanzen männliche und weibliche Organe enthalten, nämlich die männlichen Staubblätter und die weiblichen Fruchtblätter. Er traute sich, diese für die damalige Zeit brisanten Erkenntnisse öffentlich zu machen. Je nach „Männigkeit“, das heißt je nach der Anzahl der Staubblätter, und weiterer Merkmale innerhalb der Blüte teilte er die Pflanzen in 24 verschiedene Klassen ein. Außerdem verwendete Linné erstmals durchgängig zweiteilige Namen für die Pflanzen. Diese Nomenklatur, bestehend aus einem lateinischen Gattungs- und einem Artnamen, hat sich bis heute erhalten.

Vor allem Ärzte und Apotheker, aber auch andere gebildete Leute nahmen an den Entdeckungen Linnés regen Anteil. Viele fingen an, Pflanzen zu sammeln und zu bestimmen; manche legten mit den getrockneten und gepressten Pflanzen Herbarien an, stellten die ersten Lokalfloren zusammen, und einige begannen auch, die Pflanzen bildlich darzustellen, zu malen und zu zeichnen. Unter den Pflanzenillustratoren gab es wahre Könner wie beispielsweise den Heidelberger Gärtner Georg Dionysius Ehret (1707 bis 1770), der für Linné und andere Autoren als Pflanzenmaler tätig war und eine Vielzahl herausragender Abbildungen geschaffen hat.

In Metten war Elger nicht der einzige Konventuale, der naturkundlich interessiert war. So hatte Pater Korbinian Aufleger eine beachtliche Vogel- und Naturaliensammlung zusammengetragen, Pater Columban Staudinger züchtete Nelken und Pater Ildephons Pachlehner musste als Apotheker schon von Berufs wegen profunde Pflanzenkenntnisse gehabt haben.

Garteninspektor im Kloster

Nun also begann Elger zu sammeln: Insekten, Steine und Schneckenhäuser, vor allem aber Pflanzen. Die Bedingungen für botanische Exkursionen in der Umgebung des Klosters waren günstig. Metten – nicht weit von der Donau entfernt und an den Ausläufern des Bayerischen Waldes gelegen – bot eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume, sodass Elger in der Region ein reiches Artenspektrum antraf. Die zwischen 1780 und 1785 aufgefundenen Pflanzen bildeten den Grundstock für Elgers Herbar, dessen Verzeichnis sich bis heute im Klosterarchiv befindet. Elger verwendete auch Kulturpflanzen aus dem Klostergarten, für den er ab 1786 als Garteninspektor zuständig war. Wie man auf Abbildungen aus dem 18. Jahrhundert erkennen kann, bestanden innerhalb und um die Klostergebäude herum eindrucksvolle Gartenanlagen nach barocker Manier: Kunstvoll gestaltete Parterreflächen, die von Buchsbaumhecken umrahmt waren, Kübelbäumchen, die in regelmäßigen Abständen an den geraden Wegen aufgestellt waren, Baumhaine aus Formobstgehölzen, aber auch Nutzgärten für den Anbau von Gemüse und Kräutern.

Während seiner Tätigkeit als Garteninspektor fing der inzwischen 29-Jährige an, Pflanzenbilder anzufertigen. Doch bald schon wurde Elger versetzt: In Stephansposching, auf der anderen Seite der Donau, war eine kleine Pfarrei zu betreuen, und Elger wurde dort Hilfspfarrer. In Metten konnte man wohl auf ihn, der sich für das andauernd praktizierte Chorsingen als „untauglich“ gezeigt hatte, verzichten. In Stephansposching hielt sich bei drei weiteren Geistlichen für ihn der Aufwand bei der Seelsorgearbeit in Grenzen. So konnte sich Elger dort über mehrere Jahre hinweg ausführlich dem Zeichnen und Malen widmen. Und dabei blieb ihm sogar noch Zeit, das Stephansposchinger Pfarrhaus zu verschönern. Gandershofer berichtet nämlich, dass Elger „das Speisezimmer daselbst mit einer Sammlung von den schönsten Schmetterlingen auf die Weise [zierte], dass eine jede von den herumhängenden Bilderrahmen einen aus lauter Schmetterlingen zusammengesetzten Buchstaben des Wortes Stephansposching enthielt“. In jener Zeit gab es wohl auch noch ausreichend viele Schmetterlinge für ein solches Unterfangen.

Beinahe 900 Aquarelle der Urfassung der Flora Bavarica, die Elger damals anfertigte, sind als lose Blattsammlung im Mettener Klosterarchiv aufbewahrt. Auf ihnen sieht man Aurikel, Biberklee, Engelsüß, Flieder, Fliegenschwamm, Gänserich, Hasenkohl, Mauerampfer, Mayenblume, Kandelwisch, Roehrleinkraut, Schlehendorn, Wallwurz, Wohlgemut, Weberkarde und Zimmetrose, um nur einige Pflanzenbeispiele zu nennen. Jedes Blatt des handgeschöpften Papiers ist mit einer schmalen Umrahmung aus roter Tinte versehen, die Pflanzenzeichnungen haben eine Kontur aus dunkler Tinte und sind plastisch mit naturgetreuen Aquarellfarben ausgemalt, zuweilen sind Detaildarstellungen von Teilen der Blüte oder von Früchten beigefügt. Darüber steht der Pflanzenname: links nach der Linné’schen Nomenklatur auf Lateinisch, rechts auf Deutsch, dazwischen meist ein Schmucksignet ... (Petra Raschke)

 Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Ausgabe Juli/August des BSZ-Online-Magazins UNSER BAYERN. Sie können die komplette, 40-seitige Ausgabe downloaden unter www.bayerische-staatszeitung.de. Für BSZ-Abonnenten ist dieser Service kostenlos, sonst 3 Euro pro Ausgabe.  

 

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