Unser Bayern

Die Staatsbibliothek Bamberg hat einen reichen Schatz an Buntpapieren. Hier Marmorpapiere als Umschläge für Broschüren. (Foto: SBB/Gerald Raab)

05.01.2024

Das Kleid der Bücher

Mit ihrer reichen Sammlung erklärt die Staatsbibliothek Bamberg die Kulturgeschichte der Buntpapiere

"Die Wahrheit verehren, das Erworbene schützen, nichts fürchten!“ Mit diesem seit dem frühen 19. Jahrhundert tradierten Wahlspruch repräsentiert die Staatsbibliothek Bamberg mit einem Bestand von über einer halben Million Büchern, bedeutenden Handschriften und Frühdrucken von internationalem Rang eine der wichtigsten Gedächtnisinstitutionen nicht nur Bayerns. Die Bibliotheksgründung führt zurück in die Zeit der Säkularisation und der Auflösung von Klöstern in Bayern, nachdem ab 1803 das einstige Fürstbistum Bamberg in das Königreich Bayern eingegliedert worden war. Dem gebürtigen Bamberger Zisterzienser des Klosters Langheim, Heinrich Joachim Jaeck (1777 bis 1847), bot sich die Chance, den aus den Klöstern des Bistums und der aufgelösten Universität zusammengetragenen Bücherschatz als Bibliothekar zu verwalten und nutzbar zu machen. Dem im Umgang mit anderen nicht immer ganz einfachen Sachwalter, der als Sohn eines Büttners ein familieneigenes Kellerhaus am Oberen Stephansberg in Bamberg bewohnte, gelang es, die Bücherschätze zu erweitern – letztlich auch durch die Schenkung seiner eigenen reichen Büchersammlung. Seiner Initiative und seinem aufklärerischen Streben ist zum anderen die Gründung des Bamberger Tagblatts 1834 zu verdanken.

Für die heutige Bedeutung der Staatsbibliothek Bamberg spricht nicht allein die Aufnahme wertvoller mittelalterlicher Prachthandschriften, wie etwa die Bamberger Apokalypse oder das Lorscher Arzneibuch, in die Liste des Weltdokumentenerbes der Unesco.

Neben herausragenden Sammlungen in Deutschland, etwa der Berliner Staatsbibliothek, der Anna Amalia Bibliothek in Weimar und dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, birgt die Bamberger Institution auch einen reichen Bestand an Buntpapieren als Einband beziehungsweise Vorsatz verschiedener Archivalien und Bücher.

Seit Erfindung des Papiers im ersten nachchristlichen Jahrhundert in China diente es lediglich zum Beschreiben, Bedrucken oder Bemalen. Als das Papier in Europa zu Beginn des 15. Jahrhunderts zunehmend das Pergament als bisheriges Beschreibmaterial zu verdrängen begann, war dies auch die Geburtsstunde des Buntpapiers. Seit dem 15. Jahrhundert versteht man in Euro-pa darunter Papiere, die nach ihrer Herstellung – zunächst auf handwerkliche Weise – dekorativ weiterbehandelt werden, das heißt durchdringend oder nur oberflächlich eingefärbt, ein- oder mehrfarbig bedruckt, gesprenkelt, marmoriert beziehungsweise mit verschiedenen Materialien beschichtet oder in verschiedenen Prägetechniken reliefiert werden.

Schönes für Drinnen und Draußen

Hiervon zu unterscheiden sind die seit Mitte des 19. Jahrhunderts auf industrielle Weise in Buntpapierfabriken (mit Zentren in Aschaffenburg, Nürnberg oder Augsburg) nach historischen Mus­tern unter anderem für Buchbindereien gefertigten Buntpapiere. Überhaupt gewannen diese für die Buchausstattung große Bedeutung – sowohl im Innern des Buches als Spiegel oder Vorsatz als auch auf den Deckeln als Bezugspapier, bisweilen auch für zusätzliche Schmuckseiten. Letztlich eroberten sich Buntpapiere im Zuge der kunstgewerblichen und buchkünstlerischen Reformen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und in deren weiterem Verlauf als originale Künstlerpapiere Beachtung und Bewunderung auf dem Gebiet der angewandten Künste.

Was das Papierdekor betrifft, spiegeln die Sortenbezeichnungen zum Teil die dabei angewendeten Techniken wider (beispielsweise Modeldruckpapier, Walzendruckpapier, Schablonenspritzpapier), zum Teil interpretieren sie die Erscheinungsform der Oberflächen beziehungsweise des Dekors (etwa Holzmaserpapier, Moirépapier, Kalbslederpapier) oder beziehen sich auf Rohstoffe und Pigmente (Metallpapier, Glimmerpapier, Wollvelourspapier).

Vorläufer von Tapeten

Die Herstellung und Verarbeitung von Buntpapier bietet eine der ältesten Arten der Papierverarbeitung und ist zugleich unmittelbarer Vorläufer der Papiertapeten, vor allem der Modelpapiere, aus denen sich der Tapetendruck entwickelte. Buntpapier und Tapetenherstellung und -gestaltung entwickelten sich geradezu parallel zueinander. Anfangs wurde deshalb auch Buntpapier für die tapezierende Auskleidung kleiner Kästchen, Schatullen oder Koffer benutzt, gelegentlich auch für die Rückseiten von Kartenspielen.

Dementsprechend zählt zu den ältesten Belegen für deutsches Buntpapier eine gefütterte, runde Schachtel aus der Zeit um 1550 im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Über frühe Gestaltungstechniken informiert ebenfalls in Nürnberg im Bibliotheksbestand des einst dort befindlichen Katharinenklosters ein seit 1470 bewahrtes Rezeptbuch, nach dem einfarbig gestrichene metallisierte (Velours-)Buntpapiere hergestellt werden konnten. Im Buch enthalten ist auch eine Anleitung zur Herstellung von „Velourspapier“, auch Samtpapier genannt, das durch Aufstreuen von Wollfasern auf ein mit Mastix oder Firnis bestrichenes Papier entstand. Verwendete man für den Auftrag des Klebstoffs eine Schablone oder ein Model, so erhielt man ein gemustertes Velourspapier. Wurden anstelle der Wollfasern Metallspäne aufgestreut, gewann man das „metallisierte Papier“.

Als Handwerk blieb das Färben, Vergolden und Bedrucken der Papiere in Nürnberg den Briefmalern vorbehalten und wurde so auch noch in einer Ordnung aus dem Jahre 1628 festgelegt. In dieser Zeit wurde gleichfalls das Marmorieren von Papier bekannt. 1694 erschien bei Johann Zieger (1646 bis 1711) in Nürnberg eine „Kunst- und Werkschule“ mit Anweisungen zur Herstellung von „türkischem Papier“ (ebenso „wolkiges Papier“ genannt nach dem türkischen Wort „ebru“), bei dem Papier im Farbbad einen Marmoreffekt erhielt. Schon der durch seine Gold­rubingläser in sächsischen Diensten stehende berühmte Alchemist Johannes Kunckel erwähnte in seiner Glaßmacherkunst 1756 im Kapitel „Beschreibung, das schönste Türckische Pappier zu machen“ die Schwierigkeiten, Farben und Treibmittel in Verbindung mit der Empfindlichkeit des mit Ochsengalle versetzten Papiergrunds in Ausgleich zu bringen. Bereits geringe Temperaturschwankungen, auch die Missachtung der Mengenangaben bewirkten, dass die Farben nicht auf der Oberfläche trieben, sondern absanken beziehungsweise ihre Leuchtkraft auf dem Papier nicht entfalteten.

Buntpapierer – ein Job für Frauen

Aus dem Anstieg des Bedarfs an Buntpapieren, der um die Mitte des 17. Jahrhunderts einsetzte, erwuchsen die Voraussetzungen zur Bildung eines selbstständigen Handwerks zu deren Fertigung. Dieser Berufszweig des Buntpapierers zog Personen an, die sich entweder in artverwandten Berufen der Buchherstellung (Formschneider, Brief- und Kartenmaler, Illuministen) befanden oder sich als Berufslose ein Nebeneinkommen oder überhaupt ein Auskommen erhofften. Die neue Berufsbezeichnung „Dominotier“ (abgeleitet von „dominus“ für Herr oder Heiland) bezog sich ursprünglich auf die Illuministen von Heiligenbildchen. Schließlich wurde der Ausdruck auf den Berufsstand des Illuministen oder Briefmalers schlechthin übertragen. Bis in die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts war der Buntpapierer ein freier Beruf, den vor allem Frauen ausübten. Er unterlag keiner Zunftordnung und durfte gegen die Kramerordnung keinen offenen Papierhandel betreiben. Entsprechend war nicht nur das Einkommen, sondern auch das Ansehen gering. Letztlich versorgten die Buntpapierer als billige Heimarbeiter die Papierfabrikanten und Buchbinder. Dies änderte sich erst mit dem Aufkommen der edleren Bronzefirnis- und Brokatpapiere und der Stellung als eigenständige Verleger durch kaiserliches Privileg für ihre Erzeugnisse, was eine Umgehung der Kramerordnung bedeutete.

Martin Engelbrecht (1684 bis 1756), gebürtiger Augsburger Kupferstecher und Kunstverleger, veröffentlichte hierzu um 1730 eine farbige Kupferstichfolge („Neu-eröffnete Sammlung der mit ihren eigenen Arbeiten und Werckzeugen eingekleideten Künstlern, Handwerckern und Professionen“) zu verschiedenen Handwerksständen seiner Zeit. Mit ihren Utensilien ausgestattet finden sich hierunter auch eine „Buntpapiermacherin“ („Une Dominotiere: Eine Gold u. allerley gefärbtes u. geprägtes Papiermacherin“) und ihr männliches Pendant. Lediglich gepuderte Frisur und Brokatunterrock der Handwerkerin erinnern an zeitgenössische Tracht, sonst ist das Kostüm zugleich Werbung: Ein Farbpinsel vertritt die Stelle der Straußenfeder auf dem Barett, am Gürtel hängen der Farbentiegel, die Pressform, noch einige Pinsel, Gabeln und Kämme. Letztere sind Requisiten zur Herstellung türkischer Papiermus­ter. Von den Schultern rauschen echte Gold- und Silberbogen hernieder, und das Oberkleid besteht aus lauter einzelnen Blättern Papier in grellen, das Auge fast verwirrenden Farbzusammenstellungen. Die in der Hand gehaltene „Krückhe“ diente dem Aufhängen der durchfeuchteten Papierbögen.

Bildlich und für den Laien verständlich, lieferte 1736 Johann Jacob Rembold in Das nützliche und künstliche Papier eine Anleitung, sich mit der Herstellung von Buntpapieren vertraut zu machen und etwas über die Gewohnheiten und Gebräuche der Papiermacher zu erfahren. Demzufolge mussten diese vier Jahre und 14 Tage in die Lehre gehen. Losgesprochen, mussten sie einen „solennen Lehrbraten“ reichen, bevor sie sich auf Wanderschaft begaben. Als „Stampffer“, der das Papier mit Eisen glättete, oder als „Glätter“, der dies mit Glätthammer, Steinen oder Holz ausführte, konnte er sich anschließend dem Werkführer (dem „Meister“ oder seinem Stellvertreter, dem „Meisterknecht“) einer Papiermühle verdingen.

Raffinierte türkische papiere

Gegenüber den einfachen Buntpapieren mit gepresstem Muster und wenigen Farbnuancen fallen die damals sehr beliebten türkischen Papiere auf. Ihre Herstellung begann mit dem Auftragen von mit Eiweiß und Ochsengalle angeriebenen Hauptfarben (meist Blau, Weiß und Rot) durch einen großen Pinsel, wie er am Gürtel der Buntpapiermacherin zu sehen ist. Auf den gummigetränkten und mit Farben bearbeiteten Bogen spritzte man dann Spiritustropfen, die die Farbenkleckse strahlenartig auseinanderfahren ließen. Anschließend wurden mit Kamm, Federkiel oder breiteren Pinseln ... (Gerhard Handschuh)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Ausgabe Januar/Februar 2024 des BSZ-Online-Magazins UNSER BAYERN. Sie können die komplette, 40-seitige Ausgabe downloaden unter www.bayerische-staatszeitung.deFür BSZ-Abonnenten ist dieser Service kostenlos, sonst 3 Euro pro Ausgabe. 

Abbildungen (von oben):
Bis der Boom so richtig anfing, war der Beruf des Buntpapiermachers schlecht entlohnt – und bot vor allem Frauen Beschäftigung. Die Illustration stammt aus Martin Engelbrechts Sammlung von Abbildungen zu Handwerkerständen (um 1730).

Brokatpapier im Wechsel auf einfarbig schwarz gestrichenem Papier (erste Hälfte 18. Jahrhundert). (Foto: SBB/Gerald Raab)

Von 1750 bis etwa 1800 zählten Modeldruckpapiere zu den am häufigsten verwendeten Buntpapieren. Damit verziert ist auch diese Buchattrappe (Antiquariat Dieter Zipprich, Bamberg), die sich beim Aufschlagen des scheinbar religiösen Werkes als Kosmetikschatulle entpuppt (zweite Hälfte 18. Jahrhundert). (Foto: SBB/Gerald Raab)

Ein Beispiel aus der 26 Blätter umfassenden Musterkartei (1834) der Weiß- und Buntpapier-Fabrik Maffei & Erich in München. Das Unternehmen ist eher unbekannt, erwähnt wird es allerdings im Zusammenhang mit der Industrieausstellung 1834 in München: Maffei & Erich erhielt die Bronzemedaille, Silber ging an Dessauer in Aschaffenburg. Auf dieser Karte ist Tigermarmor mit Sonnenmarmor auf Irispapier zu sehen (rechte Spalte); beim Irispapier wurde das Papier in Streifen mehrfarbig gestrichen – später auch maschinell gespritzt, womit man regenbogenartige Farbverläufe erzielte. (Foto: SBB/Gerald Raab)

 

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