Die To-do-Liste war ausführlich: 1000 Zwetschgenbäume pflanzen, einen gemeinsamen Backofen für das Dorf errichten und anstelle des Friedhofs, der nach außerhalb verlegt wird, einen Garten zum „Sommeraufenthalt für die Dorfjugend von 2 bis 6 Jahren“ waren nur einige Vorschläge, mit denen Gustav Vorherr
das fränkische Freudenbach in der Nähe von Rothenburg o.d. Tauber auf
Vordermann bringen wollte. Das war vor über 200 Jahren. Der Architekt, Publizist und Lehrer gilt als Begründer der sogenannten Landesverschönerung, die er in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Bayern voranzubringen versuchte. Freudenbach war sein Geburtsort, dort war Gustav Vorherr im Jahr 1778 als Sohn eines Landbaumeisters zur Welt gekommen. Vermutlich war es die Verbundenheit zum Heimatort, dass er genau diesen als erstes verschönern wollte.
Anfang des 19. Jahrhunderts war es in ganz Deutschland ein Trend, das Lebensumfeld zu verschönern. Dahinter steckte die aufklärische Idee, die Schaffung von Ordnung und Strukturen auf dem Land würde dort die Lebensverhältnisse verbessern und die Menschen positiv beeinflussen. Gustav Vorherr hatte diese Zusammenhänge während seiner Studienzeit in Berlin und Paris kennengelernt, wo er seine Architekturausbildung erhielt. Man darf annehmen, dass ihn in Berlin David Gillys Lehre zur „Land-Bau-Kunst“ ebenso beeinflusste wie in Paris Jean-Nicolas Durands Theorien, wonach Nützlichkeit und Ökonomie sowie das Gemeinwohl der Menschen die wichtigsten Grundlagen architektonischen Schaffens seien.
Vorherr schrieb gerne und veröffentlichte bereits als junger Mann Aufsätze. 1808 stellte er – damals als kaiserlich-französischer Stadtbaumeister in Fulda tätig – unter dem Titel Über die Verschönerung Deutschlands. Ein Fingerzeig die Forderung auf, „das ganze Land durch Hebung und Förderung des Ackerbaus, der Gartenkunst und der Baukunst planmäßig zu verschönern“. Das Endziel sei, „dereinst Deutschland zum Eden von Europa verwandelt“ zu sehen. Alle Einwohner sollten profitieren, nicht nur die Obrigkeit: „Jedermann auch der geringe Bürger und Landmann sollte in lieblichen Gefilden, in schönen Wohnungen, Städten und Dörfern athmen,“ schrieb er. Zuerst sollten Dörfer und „Theile des platten Landes“ verschönert werden, dann Städte und erst zum Schluss die Residenzen. Das war neu, denn bislang hatte sich die praktische Umsetzung von Verschönerungen zumeist auf herrschaftliche Landsitze beschränkt.
1809 wurde Vorherr in bayerische Dienste nach München berufen. Er arbeitete zunächst als Kreisbauinspektor im Isarkreis, zuständig für die Planung von Kirchen, Schul- und Pfarrhäusern. Die „Verschönerung“ Bayerns nun in die Tat umzusetzen, war ihm dabei von Anfang an ein Anliegen. Auf der Suche nach vorbildlichen Typen von Bauernhäusern, die seinen ästhetisch-ökonomischen Vorstellungen entsprechen sollten, ließ er beispielsweise zwischen 1811 und 1812 mehr als 100 Bauaufnahmen von Bauernhäusern in Bayern erstellen. Daraus entwickelte Vorherr den Musterplan eines idealen Landhauses. Angelehnt an die in den Gebirgsgegenden des Isarkreises üblichen Gebäude – Einfirsthöfe mit flach geneigtem Dach – ließ er diesen Plan später im großem Stil verbreiten.
1810 wurde Vorherr Mitglied im Münchner Oberbaukommissariat und beteiligte sich an der Erstellung eines Generalplans für München. Der Vorstand der Behörde, Oberbaukommissar Herigoyen, hätte Vorherr gern als seinen Nachfolger gesehen und auch Vorherr liebäugelte mit dem Posten. Tatsächlich konnte Vorherr nach Herigoyens Tod 1817 die Behörde ein Jahr lang kommissarisch leiten. Dennoch kam er anschließend nicht an die Spitze der Münchner Baubehörde – Leo von Klenze machte das Rennen.
Vorherr indes erhielt den Auftrag, sich um die Erweiterung des Südlichen Friedhofs zu kümmern. Dieser vor dem Sendlinger Tor befindliche Friedhof war seit Auflösung der innerstädtischen Friedhöfe im Jahr 1788 der Gesamtfriedhof Münchens und musste dringend vergrößert werden. So ist es Gustav Vorherr zu verdanken, dass der Friedhof eine Erweiterung „in der Form eines antiken, mit Mauern umschlossenen Sarkophags“ und einen halbrunden Arkadengang zum Abschluss der Anlage in Richtung Süden erhielt.
Seit Beginn seiner Tätigkeit in München versuchte Vorherr, Mitstreiter für die Sache der Landesverschönerung zu gewinnen. Und tatsächlich, im Frühling 1812 bildete das General-Comité des Landwirtschaftlichen Vereins auf seine Anregung hin eine eigene Unterabteilung für das Landwirtschaftliche Bauwesen Bayerns. Daraus entstand in Zusammenwirken mit dem Polytechnischen Verein 1820 die „Deputation für Bauwesen und Landesverschönerung“ mit dem Vorstand des Landwirtschaftlichen Vereins, Joseph von Hazzi, an der Spitze. Die Deputation brachte ab 1821 das Monatsblatt für Verbesserung des Landbauwesens und für zweckmäßige Verschönerung des baierischen Landes heraus, ab 1823 kurz Monatsblatt für Bauwesen und Landesverschönerung genannt. Redaktion und Korrespondenz besorgte Vorherr. Damit hatte Vorherr ein Forum, in dem er seine Gedanken zur Landesverschönerung regelmäßig einem größeren Publikum kundtun konnte.
Die Zeiten waren günstig, denn König Maximilian I. Joseph war für jegliche Verbesserung der Lebensverhältnisse auf dem Land sehr aufgeschlossen. Für 1821/1822 gab der König der Deputation einen Zuschuss in Höhe von 500 Gulden, damit jedes Landgericht unentgeltlich zwei Exemplare der Zeitschrift für die „daselbst befindlichen Bauhandwerker“ erhalten könne und er stellte die Errichtung einer Baugewerksschule in München in Aussicht, in der die Verschönerungslehre einen besonderen Stellenwert haben sollte. Das Blatt erfuhr weite Verbreitung: 1824 hatte es eine Auflage von 5000 Exemplaren.
In Texten und auch mit Planzeichnungen berichtete das Monatsblatt über geplante Verschönerungen. Da gab es beispielsweise den „Entwurf für die bessere Gestaltung von Mintraching im Landgericht von Freising“, den „Vorschlag zur Verschönerung des alten, historisch merkwürdigen Dorfes Aschheim bei München“ oder den Beitrag über „die planmässige Wiedererbauung des vor Jahren abgebrannten Marktfleckens Rehau im Obermainkreise“. Gleich im ersten Jahr seines Erscheinens veröffentlichte Gustav Vorherr im Monatsblatt auch die Planzeichnung für die Umgestaltung seines Heimatortes Freudenbach, die er schon Jahre zuvor gedanklich formuliert hatte... (
Petra Raschke)
Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Februar-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 8 vom 20. Februar 2015)
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