Unser Bayern

Ob am WC-la hin und wieder ein Griech um freie Plätze ausbricht, weil die Gäste zu viel in ihre Griech reingeschaut haben? Das Schild findet man in einer Bamberger Gastwirtschaft. (Foto: Karin Dütsch)

06.05.2022

Dodool rieläxd

Mundartschriftsteller Helmut Haberkamm über das Ostfränkische mit seiner Lautpoesie in Aussprache und Redensarten

Jeder Dialekt lebt von der Abweichung von einer Standardsprache, einer Norm, die von einer Schriftsprache vorgegeben wird. Diese Andersartigkeit beruht neben dem Wortschatz und der Grammatik vor allem auf dem Klang: der Aussprache, der Tönung und Satzmelodie. Gerade dies jedoch ist am schwersten zu beschreiben.

Der Klang des Fränkischen wird sehr unterschiedlich charakterisiert. Für die einen klingt diese Mundart derb, für die anderen lieblich. Eine solche Einschätzung beruht meist auf persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen. Gerade mein Dialekt des mittelfränkischen Aischgrunds, zwischen dem Regnitztal von Erlangen und Forchheim und dem Steigerwald gelegen, wird oft als weicher, angenehmer, melodischer bezeichnet als etwa die Nürnberger Mundart oder diejenige im Frankenwald, der Rhön oder im Fichtelgebirge. Auch das Mainfränkische fällt in die Kategorie des Wohlgefälligen.

Wie Honig im Ohr

Eines haben die Spielarten des Fränkischen alle gemein: Die harten Konsonanten P und T werden weich ausgesprochen. Dadurch entsteht ein Tonfall, der wie Nektar und Ambrosia auf der Zunge daherkommt und wie Honig ins Ohr fließt: „Wos duddn etz die Diedn doo? Is des dei Blassdiggbeiderla doo?” Hier geht es um eine Tüte und einen Plastikbeutel. In der Bizzeria oder Draddoria hört man Folgendes: „Der Andi und der Basdi essn Andibasdi. Die Dadjana mooch Dalljadelle und der Benni nimmd die Benne.”

Wie man da die Ohren spitzen und blitzgescheit sein muss bei all den gleichklingenden Mehrdeutigkeiten! Ein Bärla kann ein Bärchen genauso sein wie ein Pärchen, das Blätzla ein Gebäck oder ein Ort, und ein Gebägg was zum Essen oder zum Verreisen. Doppeldeutigkeiten zuhauf – „obber goor ka Deema, mir verstennsi scho!” „Erschd hammersi gwähld – na wermer vonna gwäld.“ Was für ein tiefgründiger Satz über Boliddigger! Sind die Diecher nun Tiger oder Tücher? Ist das Dierla ein Tier oder eine kleine Tür? Im Fränkischen gibt es nur „leidende Ongestellde“. Dafür hat ein Badesee einen interessanten „BH-Weerd“. Alle Jahre wieder ein Dauerbrenner: „An Weihnachdn hobbi a scheene Gribbm kabbd.“

Wenn man im Standarddeutschen Konsonanten wie P oder T korrekt aussprechen will, sind die Sprech- und Stimmwerkzeuge spürbar im Stress, nämlich angespannt und stark unter Druck. Im Fränkischen dagegen sind sie tiefenentspannt und dodool rieläxd, denn B und D kommen ganz geschmeidig dahergeflutscht: so weich wie ein roher Kloß, flauschig sanft wie ein Debbich oder ein Dembodaschndiegla. Wörter wie Babberdeggl, Blassdiggbloona und Bombombabbierle klingen im Dialekt so weich, wie sie in Wirklichkeit eben sind. Die Übereinstimmung von Bezeichnung und Gegenstand ist endgültig geglückt. Selbst die berüchtigte Bauerboindbräsendazion kommt im Dialekt auf dich zu wie eine altvertraute Freundin.

Ein ganz spezieller Fall im Fränkischen ist das K. Manchmal bleibt ein K ein K, manchmal wird es zum G. Und manchmal sprechen wir ein K, wo auf dem Papier eigentlich bloß ein G stehen würde. Ein Katarrh bleibt a Kadoor, aber eine Krippe wird a Gribbm. Der Kren wird zum Gree – obwohl er nicht gree ist, also grün. Der Kopf ist in der Mundart genauso der Kopf, aber das Kreuz und das Knie werden Greiz und Gnie. Ebenso sprechen wir nicht vom Kloß, sondern vom Gloß oder von Glääß beziehungsweise Gleeß, und beim Kraut vom Graud. Ganz schön verwirrend.

Von Kriegen und Krügen

Dabei gibt es hier eine einfache Regel: K vor einem Konsonanten wie L, N, R  oder W wird zum G. Das führt dann gleich wieder zu wunderbaren Doppeldeutigkeiten, die man heraushören und verstehen muss. „Draußn hadds grachd.“ Hat es nun geraucht oder gekracht? „Unner Drinkwasser is glorreich.“ Also mit viel Chlor versetzt – „alles gloor“. „Die schennsdsn Griech sinn die Moßgriech.“ Ein schönes altes fränkisches Sprichwort: Wenn Kriege und Krüge in eins fallen, wird die Welt dann literweise friedlicher? Naja, vielleicht, manchmal.

Das Komplizierte im Fränkischen ist jedoch, dass oft ein K gesprochen wird, wo „goor kanns hiekerd“. Wie zum Beispiel bei hiekerd/hingehört. „Wu isn doo a K? Doo kerd doch goor kanns hie!“ Doch, schon. Hingehören ist „hiekern“ – hingehört aber „hiekorchd“. „Hasd hiekorchd, wu des hiekerd?“ „Naja, wer nedd korchd hadd, dem kerds nedd annersch.“

Die Regel lautet so: Kommen g(e) und h zusam-men, verschmelzen sie zum gesprochenen K. „Ich hobbmi gscheid ookaud.“ Das kann bedeuten, dass man sich schmerzhaft gestoßen hat. Oder auch, dass man sich ganz gehörig den Bauch vollgeschlagen hat. Die Frage nach einer Dingdur oder einem Bräbbarad aus der Abbodeeng führt zu einer kompakten Dreierreihe: „Hasders kolld? Hammsis kabbd? Hadds kolfm?“ Im Fränkischen dreimal K, im Schriftdeutschen kein einziges.

Im La-La-Land

Das zweite große Kennzeichen des Fränkischen sind die Verkleinerungen. Die gibt es wohl in allen Dialekten der Welt. Im Fränkischen wird ständig und überall verkleinert und verniedlicht, allerdings ohne die Nachsilbe -chen, denn die gibt es im Fränkischen nicht. Die gängige Endung in der Einzahl ist das „la“. Deswegen befinden wir uns mit der fränkischen Mundart tagein, tagaus im La-La-Land. Hier wird alles mögliche verzwergt, auch was eigentlich gar nicht geht. So wird gar der Allmächtige verkleinert zu Achgoddla oder Achgodderla. Auch das Allerkleinste wird gern noch weiter verwinzigt, etwa „a weng“ zu „a wengerla“.

Kurios ist, dass wir in unserem hiesigen Dialekt auch ein Tätigkeitswort verkleinern: Das schöne Wort siggsdersla bedeutet wörtlich nichts anderes als siehst-du‘s-lein. Was im Dudendeutsch völlig bescheuert klingt, gewinnt im Fränkischen eine universale Größe und Einsatzfähigkeit. Aber es wird noch schöner! In unserer Mundart können wir sogar das kleine Wort „so“ erstens verkleinern zu sodderla, und zweitens wird dann daraus eine Allzweckformel im Alltagsleben: „Sodderla! Siggsdersla! Etzerdla!“ Ja, genau! Zeitbestimmungen können wir auch verkleinern, also jetzt zu etzerdla, ebenso auch nachher zu nacherdla. Sehr schön klingt das auch in Kombination: „Et-zerdla nedd – nacherdla!“ ... (Helmut Haberkamm)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in UNSER BAYERN, Ausgabe Mai/Juni 2022 (BSZ Nr. 18 vom 6. Mai 2022)

Abbildungen:

Achgodderla! Allmächd! Also naa. (Foto: Karin Dütsch)

Schäuferla mit Gloß und Soß: Eben „a gscheide Mohlzeid – und ka Moongdretzerla“. (Foto: Karin Dütsch)

„Doo Dieder, dei Dadaa!“ (Foto: dpa/Natalie Skrzypczak)

 

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