Unser Bayern

„Spinnts hoid ned gor so laud!“ (Foto: SZPhoto)

22.11.2019

Fei scho so schee aa

Eine besondere Würze der bairischen Sprache sind adverbielle Redeteile und Partikeln

Zu den Eigentümlichkeiten des Deutschen gehört der häufige Gebrauch von Adverbien und Partikeln, die bei der Übersetzung in andere Sprachen meist unberücksichtigt bleiben müssen, so etwa deren acht in der folgenden Aussage: „Das ist ja nun denn doch schon wieder einmal recht bemerkenswert.“ Für die Mundarten trifft dies in besonders hohem Maße zu. Hier sollen einige solche Redeteile betrachtet werden, die fürs Bairische charakteristisch sind.

Dasst fei kimmst

An erster Stelle zu nennen ist hier die Abtönungspartikel fei, die in ganz Bayern heimisch ist und im Gespräch sehr häufig gebraucht wird. Bei der Aktion »Mein liebstes bayerisches Wort«, veranstaltet vom Bayerischen Rundfunk und Fernsehen in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege und der Presse (2004), wurde fei zum gesamtbayerischen Sieger gekürt.

Bei der traditionellen Aussprache [feı], also mit nasaliertem Diphthong, ist der Zusammenhang mit fein noch erkennbar. Die Herkunft ist allerdings verschleiert, wenn, wie heute in zunehmendem Maße üblich, die Nasalierung unterbleibt. Der Einschub von fei modifiziert die Aussage in gewisser Weise, nimmt entweder Allgemeingültigkeit in Anspruch, setzt Vorwissen des Gesprächspartners voraus oder impliziert dessen Einverständnis. Jedenfalls ist die Verwendungsmöglichkeit unglaublich vielseitig. Man sagt: „Dasst fei kimmst“ oder „Der is fei gscheit bläd. Pass fei auf! Reißts euch fei zsamm! Des hat mi fei wirklich gfreut. Kimm fei beizeitn hoam. Dass dir fei ja nix auskimmt.“ In dem Roman »Gottesdiener« von Petra Morsbach heißt es über die einfachen Menschen des Dorfes Bodering: „Sie sterben mit Anstand. Wenn sie’s nicht mehr packen, bleiben sie zu Hause. Sie rufen beim Arbeitgeber an und sagen: ‚Du, i kimm jetzt fei nimmer’.“ Ein unmittelbares Pendant zu fei steht der Hochsprache nicht zur Verfügung.

Im Versepos »Heilige Nacht« von Ludwig Thoma finden sich die Sätze: „Wer war ge der Bursch? Dös hätt ma ge taugt.“ Im südlichen Oberbayern sind ge, gent, gon häufig verwendete Partikeln; sie entsprechen teils eingeschobenem ‚denn, etwa’, treten aber auch in gleicher Funktion auf wie fei.

Geh weiter, Zeit, bleib steh

Mit den Floskeln Geh weiter oder Geh zu kann eine Aufforderung eingeleitet werden. »Geh weiter, Zeit, bleib steh« ist der Titel des erfolgreichsten Gedichtbands des bekannten bayerischen Mundart-Lyrikers Helmut Zöpfl (1970). Geh weiter, möchte man meinen, fordere auf zum Weitergehen, zum Voranschreiten, und wenn es im Anschluss daran heißt bleib steh(en), so scheint das ein Widerspruch zu sein. Das ist aber nicht der Fall. In Herbert Rosendorfers Roman »Briefe in die chinesische Vergangenheit« (1983) wird erklärt, die Floskel „Gehen Sie doch weiter“ sei „in der Umgangssprache von Min-chen (= München) keineswegs eine Aufforderung, sich zu entfernen, sie bedeutet ‚Machen Sie sich keine unnötigen Gedanken darüber’ oder ‚Sie dürfen das nicht so wichtig nehmen’.“

Geh weida und Geh zua können eine Aufforderung einleiten, aber auch Zweifel oder fehlende Glaubwürdigkeit signalisieren. In Joseph Berlingers Sprachkomödie »Mei Fähr Lady« wird dies wie folgt demonstriert: Wenn ein uraltes klappriges Männlein mit einem schweren Rucksack auf die Donaufähre kommt und behauptet, er könne den Fluss ebenso gut schwimmend überqueren, wird die Fährfrau dies mit „Geh weida!“ kommentieren. Die in diesem Sinne verwendeten Phrasen Geh weiter und Geh zu sind Beispiele für eine in der Sprachgeschichte nicht seltene Erscheinung: Die ursprüngliche Bedeutung ist verblasst und die Ausdrücke finden Verwendung in formelhafter Erstarrung, als frei einsetzbare Redeteile (Adverbien oder Partikeln), die kein Satzglied darstellen. Im Bairischen gibt es eine ansehnliche Anzahl davon. Bedeutungsentleerung liegt etwa vor bei umgangssprachlich sauber: „De ham uns sauber bschissn. Gestern sàmma sauber z’spät ins Bett kemma“. Das Adverb gern wird umgangssprachlich im Sinne von ‚häufig, oft’ verwendet: An derer Kreuzung, do kracht’s gern.

Widerspruch in sich?

Geh weiter, bleib steh ist eine Formulierung, die in sich widersprüchlich zu sein scheint, ebenso der Befund „Der is fei gscheid bläd“ (blöd) oder wenn über eine aufgeputzte Dame getuschelt wird, sie sei eigentlich hibsch greisle (hübsch gräuslich, hässlich). In ähnlicher Weise überraschen Wendungen wie „arg nett, schön dreckig“ oder die Feststellung der Mutter, wenn die Kinder vom Spielplatz heimkommen: „Ihr seids ja sauber voi Dreg“ (voll Dreck). Kombinationen wie gescheit blöd, hübsch gräuslich, arg nett, schön / sauber dreckig werden nicht als in sich widersprüchliche Aussagen empfunden. Als Adverbien werden die Wörter gebraucht anstelle von ‚sehr, ziemlich, hochgradig’.

Ersatz für "sehr"

In mundartlicher Rede kommt das Adverb sehr nicht vor; es erweist sich als Anleihe aus der Standardsprache. Im Dialekt gebraucht man stattdessen Alternativen wie etwa: recht, arg, gescheit (gscheid), sauber, fest, stark, schwer (schwàr), gehörig (gheare), hübsch, ziemlich, unbàndig, sàckrisch, mentisch, nàrrisch und andere mehr. Es lässt sich ausprobieren, indem man eines dieser Wörter einbaut in Sätze wie: „Es hat uns ... gefreut. Das reut ihn ... Es tut ... weh. Wir danken euch ... Sie haben uns ... enttäuscht“.

Bei den im Bairischen verwendeten Alternativen für sehr liegt Bedeutungsentleerung vor: recht (eigentlich: gerade, richtig, geeignet, passend); arg (böse, übel, niederträchtig); gescheit (intelli-gent, klug); fest (stabil, hart, nicht flüssig); stark (kraftvoll, unbeugsam); schwer (gewichtig); gehörig (wie es sich gehört); ziemlich (geziemend, angemessen); unbàndig (ungestüm; ursprünglich von Hunden: ‚nicht durch ein Band, eine Leine gehalten’; vgl. bändigen); nàrrisch (verrückt); sàckrisch, mentisch (gekürzt aus: sakramentisch). Im Verschwinden begriffen ist das Adverb laut im Sinne von ‚auffällig’. Gelegentlich noch im Gebrauch ist laut spinnen für ‚sich sehr verrückt benehmen’. „Geh, spinn hoid ned gor so laud!“ fordert man jemanden auf, doch wieder vernünftig zu werden. Früher sagte man auch: „’s Essn schmeckt laud“, also vortrefflich.

Zu ziemlich, sich ziemen gehört das bairische Eigenschaftswort zeam, die mundartliche Lautform von ziem (mittelhochdeutsch: gezæme). „A zeame Musi“ gibt es, „a zeams Gwand“. Das Wort gerät zunehmend außer Gebrauch; man sagt stattdessen eher zünftig (zimpftig). Fast will man es nicht glauben, dass zeam und zünftig aus derselben Wurzel stammen: zünftig ist von Zunft abgeleitet, und dieses ist das Abstraktum zu ziemen, vergleichbar mit (An-) kunft zu (an-) kommen ... (Ludwig Zehetner)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in UNSER BAYERN, Ausgabe November/Dezember 2019 (BSZ Nr. 45 vom 8. November 2019)

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