Unser Bayern

Die heilige Maria Magdalena schuf Balthasar Permoser um 1675 wohl noch in Florenz, bevor er als kursächsischer Hofbildhauer nach Dresden berufen wurde. Ursprünglich zu einer Kreuzigung gehörend, umfasste die reuige Sünderin den Kreuzstamm mit dem Tuch in ihrer Rechten. (Foto: BNM/Bastian Krack)

22.11.2019

Große Kunst in kleinem Format

Das Bayerische Nationalmuseum besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen von Meisterwerken aus Elfenbein

Mit der Neueinrichtung des Obergeschosses West kann seit 2018 nach mehr als zwei Jahrzehnten wieder die spektakuläre Sammlung nachmittelterlicher Elfenbeine des Bayerischen Nationalmuseums präsentiert werden. Innerhalb der neuen Dauerausstellung Barocker Luxus mit ihren zwölf Sälen werden diese für Jahrzehnte verborgenen Skulpturen und Drechselarbeiten aus Elfenbein in zwei Sälen ausgestellt. Die Neupräsentation bietet mit 245 Werken einen Überblick über die Elfenbeinkunst von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis um 1800. Einzelne weitere Werke, darunter der 1624 vollendete Münzschrein des Christoph Angermair für den Kurfürsten Maximilian I., werden in den 2015 wieder eröffneten Sälen des Barock und Rokoko des kunst- und kulturgeschichtlichen Rundgangs im Hauptgeschoss gezeigt.

Die Vorbereitung der Neuaufstellung hat Jahre in Anspruch genommen: 120 Elfenbeinobjekte konnten dank der finanziellen Unterstützung der Bauer´schen Barockstiftung mit großem Aufwand einer eingehenden konservatorischen Behandlung unterzogen, gereinigt und restauriert werden. Das neue Ausstellungskonzept – im Rahmen eines Forschungsprojekts der Eleonore-Schamberger-Stiftung für den neuen Bestandskatalog der ausgestellten Werke erarbeitet – erschließt den Besuchern chronologisch und thematisch geordnet die Vielfalt barocken Elfenbeins mit Hilfe deutsch-englischer Beschriftungen, mit Medienstationen zu den Themen Elfenbein, Elefanten und Artenschutz sowie zu ausgewählten einzelnen Objekten und mit einem eigens produzierten Film, der die Herstellung eines Elfenbeinobjekts auf einer historischen Drehbank den Besuchern unmittelbar vor Augen führt. Vor allem die individuell auf die Werke ausgerichtete, moderne LED-Beleuchtung ermöglicht eine innovative und in anderen Museen so nicht erreichte Sichtbarkeit der zumeist kleinformatigen Werke in ihren maßgefertigen entspiegelten Vitrinen.

Exotischer Luxus

Die Werke barocker Elfenbeinskulptur und -drechselkunst gelten zu Recht als Gipfelpunkt der europäischen Elfenbeinkunst. Das seit der Spätrenaissance und dann vor allem vom 16. bis 18. Jahrhundert wieder äußerst beliebte exotische und teure Material Elfenbein wurde aus Afrika und Asien nach Europa importiert und von führenden Bildhauern, aber auch von ausschließlich in Elfenbein arbeitenden Spezialisten für kunstvolle Statuetten und Reliefs, für Humpenwandungen und Miniaturporträts sowie besonders auch von virtuosen Drechselmeistern und ihren Schülern, den fürstlichen Drechslern, für atemberaubend komplizierte Drechselkunststücke verwendet.

Die Sammlung barocker Elfenbeine im Bayerischen Nationalmuseum in München gehört zu den weltweit größten und bedeutendsten Sammlungen ihrer Art. Mit den ausgestellten Werken – einem Drittel der Bestände des Museums in diesem Bereich – sind alle Hauptwerke der Elfenbeinsammlung öffentlich zugänglich. Viele der namhaftesten Elfenbeinkünstler vom 16. bis 18. Jahrhundert sind vertreten, wobei der Schwerpunkt auf Süddeutschland liegt.

Im Unterschied zu musealen Sammlungen, die ab dem 19. Jahrhundert zusammengetragen wurden, reicht die Elfenbeinsammlung des Barock im Bayerischen Nationalmuseum in ihrer höfischen Entstehung historisch weit zurück. Wie die Sammlungen anderer europäischer Herrscherhäuser wurde sie seit dem 16. und dann vor allem im 17. und 18. Jahrhundert über Generationen zusammengetragen; die Fürsten stellten sie in ihren fürstlichen Kunstkammern und Sammlungsräumen aus. In ihrem Kernbestand waren die ausgestellten Objekte also bereits als Sammlungen vorhanden, bevor öffentliche Museen überhaupt gegründet wurden, in die sie dann im Verlauf des 19. Jahrhunderts überführt wurden.

Wittelsbacher Connoisseure

Die barocke Elfenbeinsammlung des Bayerischen Nationalmuseums geht auf drei bedeutende historische Sammlungskomplexe zurück: die Münchner Elfenbeinsammlung der bayerischen Wittelsbacher, die der Pfälzer Wittelsbacher in Düsseldorf und Mannheim und schließlich die 1811 vom bayerischen Staat erworbene Elfenbeinsammlung des Regensburger Privatsammlers Andreas Udalrich Mayr. Aus der Sammlung der bayerischen Wittelsbacher stammen einige der berühmtesten Elfenbeinwerke überhaupt, die heute in jedem Überblickswerk zum Thema zu finden sind: Dabei steht der Münzschrein mit seinen unübertroffen virtuos geschnittenen Reliefs an erster Stelle, gefolgt vom Ensemble eines Kronleuchters mit Satyrkopf, der ehemals von einem weit ausladenden Geweih bekrönt war und drei maskenartigen Satyrköpfen, von denen zwei mit ihren Geweihen erhalten sind. Von Maximilian I. von Bayern bei seinem Hofelfenbeinschnitzer Christoph Angermair in Auftrag gegeben, wurden diese singulären Objekte der frühen Elfenbeinkunst in Süddeutschland vom Kurfürsten in seiner Kammergalerie, einem Sammlungsraum neben seinem Schlafzimmer in der Münchner Residenz verwahrt.

Virtuose Materialbeherrschung

Vergleichbar in Anspruch und Einzigartigkeit mit diesen Münchner Stücken sind die für den Dres­dner Hof gearbeitete große elfenbeinerne Fregatte des Jacob Zeller (1620) oder die drei Reitermonumente mit Kaiser Leopold I., König Joseph I. und Kaiser Karl VI. für den Wiener Hof von Matthias Steinl, die zwischen 1690 und 1712 datieren. Sowohl künstlerisch-konzeptionell wie in der virtuosen Materialbeherrschung sind diese Spitzenleistungen der Elfenbeinkunst gleichzeitig Höhepunkte der europäischen Kunst des Barock.

Komplizierte Drehbänke

Eine Reihe von eigenhändig gedrechselten respektive gedrehten Kunststücken aus Elfenbein von Maximilian I. haben sich erhalten. Schon seine Vorfahren, die Herzöge Wilhelm IV. und Albrecht V. von Bayern pflegten als fürstliche Freizeitbeschäftigung das Elfenbeindrechseln, eine Tätigkeit, die ab dem 16. Jahrhundert fester Bestandteil der Prinzenerziehung an den meisten europäischen Höfen war und dies auch noch bis in das 19. Jahrhundert blieb. Die dafür ständig verbesserten Drehbänke gehören zu den kompliziertesten Maschinen des vorindustriellen Zeitalters.

Die meisten der aus dem Besitz der bayerischen Wittelsbacher stammenden Elfenbeine der heutigen Sammlung im Bayerischen Nationalmuseum wurden von Herzog Albrecht V. bis zu Kurfürst Maximilian III. Joseph in Auftrag gegeben, erworben und gesammelt. Unter den Drechselkunststücken befinden sich neben denjenigen Maximilians I. auch Drechselarbeiten von Herzog Albrecht V. (1528 bis 1579), Kurfürst Ferdinand Maria (1636 bis 1679) und Kurfürst Maximilian III. Joseph (1727 bis 1777) von Bayern.

Der Münchner Hof spielte in der Entwicklung der Drechselkunst eine entscheidende Rolle, konnte doch unter Herzog Wilhelm V. im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts mit dem aus Mailand kommenden Giovanni Ambrogio Maggiore der Erfinder des Ovaldrehens an den Münchner Hof berufen werden, von wo sich diese technologische Innovation europaweit verbreitete. Ein spätes Beispiel der immer komplizierteren Produkte dieser „l´art pour l´art“ ist die 1788 in der Münchner Residenz nachweisbare meisterlich gedrehte Pyramide mit Contrefait-Kugel des Lambert Xhrouet aus Spa.

Unter den figurativen Elfenbeinen ragen die im kurfürstlichen Auftrag bei dem aus Tirol gebürtigen Meister Simon Troger in Haidhausen zwischen 1750 und 1760 bestellten Kombinationsgruppen hervor. Das einzigartige Ensemble, welches die Materialien Elfenbein mit exotischen Hölzern sowie Glasaugen kombiniert, besteht aus acht Figurengruppen und Einzelfiguren. Die beiden größten Gruppen sowie eine kleine sind im Nationalmuseum ausgestellt. Ursprünglich waren sie auf Konsolen zwischen den Fenstern zur Gartenseite der Großen Galerie von Schloss Schleissheim präsentiert.

Pfälzer Sammlungsmehrung

Um 1800 erhielt die Münchner Elfenbeinsammlung ihre bedeutendste Erweiterung. 1777 hatte der Pfälzer Kurfürst Karl Theodor nach dem Tod seines kinderlosen Vetters, Kurfürst Max III. Joseph von Bayern, dessen Erbe angetreten und verlegte als neuer Kurfürst von Pfalz-Bayern seine Residenz von Mannheim nach München. Die gegen 1800 nach München verbrachten Sammlungsbestände – die berühmte Düsseldorfer Gemäldesammlung sowie auch die Elfenbein- und Bronzesammlungen – waren bereits größtenteils von Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (1658–1716) in Düsseldorf gesammelt worden. Seit 1730 wurden die Elfenbeine unter Johann Wilhelms Nachfolgern in der Mannheimer Residenz aufbewahrt.

Darunter befinden sich virtuose Kunstwerke wie etwa Georg Petels Herkules mit dem Nemäischen Löwen und die manieristischer Bronzeplastik folgende Gruppe mit Nessus und Deianira des Tiroler Meister Jacob Auer. Johann Wilhelm hatte mit Ignaz Elhafen und Antonio Leoni eigene Hofelfenbeinschnitzer beschäftigt, die über fast zwei Jahrzehnte kontinuierlich neue Werke für seine Sammlung schufen. Nirgends sonst lassen sich Elhafens und Leonis Reliefschöpfungen  – diejenigen Elhafens besitzen hauchdünn gearbeitete Rückwände, die bei durchscheinender Beleuchtung eine malerisch-lebendige Wirkung entfalten – und ihre Statuetten in vergleichbarer Fülle bewundern... (Jens Ludwig Burk)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in UNSER BAYERN, Ausgabe November/Dezember 2019 (BSZ Nr. 45 vom 8. November 2019)

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