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Der Fluchtrucksack, der Helen Strauß 1941 in einer Odyssee von Aschaffenburg nach New York begleitete. (Foto: Museen der Stadt Aschaffenburg) Unten die Kopie eines Telegramms vom 20. April 1942, adressiert an Erna Solinger, eine Verwandte in New York: Darin teilt Helen Strauß‘ Großmutter die bevorstehende Deportation der eigenen Tochter Karoline mit. Foto: Stadt- und stiftsarchiv aschaffenburg

05.01.2024

Heimatforschung neu gedacht

Das interaktive, partizipative Onlineportal zu Geschichte und Kultur am bayerischen Untermain lädt zum Mitmachen ein

Helen erzählt – lebendige Briefe

Auf dem Tisch im Digitalladen, in der Fußgängerzone von Aschaffenburg, liegen ausgebreitet und übereinander Briefe, Fotos, Dokumente und Zeitungsauschnitte. Sie betreffen die jüdische Familie Solinger-Strauß, genauer vor allem Helen Feingold und Ulrike Weißhaar. Im Herbst 1994 war es zwischen den beiden Frauen zu einem ers­ten Kontakt gekommen, als Helen Feingold das Familiengrab in Aschaffenburg instand setzen ließ. Es war ihr vor allem wichtig, dass die Daten der Großmutter ergänzt würden: Diese war am 31. März 1943 in Theresienstadt umgekommen – so hatte der Historiker Peter Körner recherchiert. Bereits in ihrem ersten Brief berichtet die 1924 geborene Helen Feingold auf Nachfrage von Ulrike Weißhaar von den letzten Jahren ihrer Familie in Würzburg und Aschaffenburg.

Ende April 1941 war es Helen Feingold, gebürtige Strauß, mit ihren Eltern und ihrer Schwes­ter als eine der letzten jüdischen Bürger*innen Aschaffenburgs (sie waren 1939 von Würzburg umgezogen) gelungen, die Stadt zu verlassen. „Dieser eher knappe Briefverkehr zu einem zunächst geschäftlichen Belang war der Beginn eines intensiven, inspirierenden und empathischen Briefwechsels zwischen meiner mütterlichen New Yorker Freundin und mir. Ungefähr 45 Briefe und mindestens halb so viele üppig beschriebene Karten aller Art und zu den unterschiedlichsten Anlässen gingen in beinahe 30 Jahren zwischen uns hin und her. Es gab zudem zahlreiche Besuche über den Atlantik.“ So schreibt Ulrike Weißhaar in ihrem in Heimathub veröffentlichten Artikel.

Ulrike Weißhaar ist seit 2001 Stadtführerin in Aschaffenburg und spezialisiert auf das jüdische Leben in der Stadt. Zunächst interessierte sie privat, von einer Zeitzeugin das Leben in den Jahren der NS-Diktatur zu erfahren. Die Materialmenge, die sich im Laufe der Jahre darüber angesammelt hatte, und die niemals endende Brisanz des Themas ließen sie aktiv werden und nach Möglichkeiten zur Veröffentlichung suchen. Auch der Umstand, dass Helen Feingold mittlerweile sehr betagt und krank ist, trugen wohl zu dem Entschluss bei, das Schicksal der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

www.heimathub.de

Die Landschaft der Region am Bayerischen Untermain mit Spessart, Odenwald und dem Maintal ist vielfältig. Genauso vielfältig stellt sich die wechselvolle Geschichte und die gesellschaftliche Gegenwart der Region dar. Die Mitmachplattform www.heimathub.de lädt Bürgerinnen und Bürger ein, die Geschichte und Kultur der Region zu bewahren und somit ein digitales Archiv aufzubauen, das für alle zugänglich ist. Historische Dokumente, Geschichten, Artikel, Fotos, wissenschaftliche Abhandlungen und auch persönliche Erlebnisse von Privatleuten, Dokumentationen aus Vereinen oder Firmennachlässe: Schätze, die in privater Hand sind oder im sprichwörtlichen Schuhkarton lagern und an die ein Archiv nicht ohne Weiteres gelangt, können mit diesem partizipativen Projekt gesammelt und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Beispielhaft stellen wir hier zwei Projekte in Verbindung zum Heimat­hub vor. Die Geschichte der jüdischen Familie Solinger-Strauß wird in einer Veröffentlichungsreihe von Ulrike Weißhaar direkt im Heimathub dokumentiert. Eine Veröffentlichung zur Geschichte des Kahlgrunds als Grenzregion von Lina Schröder wiederum ist ein Kooperationsprojekt unterschiedlicher Akteure aus der Region. Die Buchveröffentlichung im Winter 2023/24 wird im Netzwerk des Heimathubs begleitet.

Über einen Zeitungsartikel ist Weißhaar auf das Projekt Heimathub aufmerksam geworden. So kam sie mit ihren gesammelten Dokumenten in den Digitalladen, den Ankerpunkt des Projekts in Aschaffenburg, um dort das Vorgehen zu besprechen. Helen Feingold, beziehungsweise Strauß, ist in Aschaffenburg keine Unbekannte. Sie hat dem dortigen jüdischen Museum ihren originalen Fluchtrucksack von 1941 überlassen: Dieser hatte sie einst von Aschaffenburg über Frankreich nach Bilbao (Nordspanien), von Bilbao über Vigo (Galicien, Nordwestspanien) nach Havanna (Kuba) und von dort schließlich am 3. Juli 1941 nach Ellis Island, New York, begleitet. Sie hatte ihn als einziges Gepäck mitnehmen dürfen auf dieser abenteuerlichen Flucht mit der Familie. An prominenter Stelle in einer Vitrine des jüdischen Museums steht der Rucksack für die Aufgabe, die Helens Lebenszweck wurde: „Er mahnt und er ist ein Zeuge! Wenn man ihn zum Sprechen bringt – dann kann er auch viel erzählen…“, liest man in Weißhaars Heimathub-Beitrag.

Ulrike Weißhaar will in mehreren Artikeln die Geschichte der Familie Solinger-Strauß, die Geschichte von Helen Feingold und der Freundschaft mit ihr erzählen. Es ist ihr wichtig, das Leben der jüdischen Familien unter dem NS-Regime in der Stadt Aschaffenburg zu dokumentieren ... (Anna Hein-Schwesinger)

Lesen Sie den vollständigen, bebilderten Beitrag in der Ausgabe Januar/Februar 2024 des BSZ-Online-Magazins UNSER BAYERN. Sie können die komplette, 40-seitige Ausgabe downloaden unter www.bayerische-staatszeitung.de. Für BSZ-Abonnenten ist dieser Service kostenlos, sonst 3 Euro pro Ausgabe. 

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