Unser Bayern

Die Rheintöchter (Sophie Wolf, M. Bruntsch und Grete Finger bei den Bayreuther Festspielen 1914) lässt Wagner brabbeln: „Wagalaweia! Wallala weialaweia!“. (Foto: SZPhoto)

26.04.2013

Im Anfang war das eigene Wort

Der Dichter-Komponist Richard Wagner. Ein Streifzug durch seine sprachlichen Stilmittel


Oper ist ein janusköpfiges Opus. Als musikalisches Schauspiel erfordert sie zwei Schöpfer: den Wortsetzer und den Tonsetzer. Anders als Mozart oder sein Antipode Verdi war Richard Wagner beides, vom ersten bis zum letzten Werk. Der Operntext sei „als solcher ganz für sich, etwas Besondres, was ein Dichter und Literat gar nicht zustande bringen kann". Das vermöge nur ein Dichter-Komponist, der beim Textverfassen schon alle Töne im Kopf habe. Diese literarische und musikalische Doppelbegabung vereinte Wagner in sich. Markantestes und bekanntestes Kennzeichen von Wagners Werksprache ist der Stabreim im Ring des Nibelungen. Diesen Anlautreim (Alliteration) wählte Wagner nicht nur, weil er die Versform der germanischen Sagendichtung war. Er sah darin „die Sprache auf den stärksten Ausdruck gesteigert". So brachte es sein „Freundesfeind" Nietzsche auf den kürzesten Nenner. In der Alliterationsform lässt sich das wütende Geschimpfe des Zwergen Alberich auf das rutschige Gestein, das ihn hindert, sich den Rheintöchtern zu nähern, sprachakustisch und bildlich direkt nachempfinden: „Garstig glatter glitschriger Glimmer". In unheilvoller Situation geraten auch die Götter in einen vergleichbaren Stabreim. Sie werden „grau, greis und grämlich", weil die Riesen die Göttin Freia als Pfand für Wotans Bauschulden verschleppt haben, ohne deren Äpfel sie altern. Den bekanntesten Stabreim legte Wagner den Rheintöchtern im Rheingold in den Mund: „Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege! Wagalaweia! Wallala weialaweia!" Oberflächlich als Parodie geeignet ist er dennoch erklärbar, ja tiefgründig. Es sind die ersten Worte im Ring nach dem großartigen kosmogonischen Vorspiel, das mit aufsteigenden Es-Dur-Dreiklängen das Weltwerden vertont. In dieser Phase haben die Rheintöchter noch keine Sprache, nur ein Gebrabbel, das sprachmelodisch ihr Wasserwesen und ihr Dasein im wogenden und wallenden Rhein ausdrückt. Mit Tristan und Isolde betrat Wagner eine ganz neue Sprachwelt, mit der er wie mit der Musik in eine ganz neue Dimension vorstieß. Aus der deutschen Sprache destillierte er bis dahin unbekannte, hochpoetische Wörter und Wortkombinationen wie „Todes-Wonne-Grauen" oder Ausdrücke ekstatischer Liebesverzückung wie „wonnehehrstes Weben" und „liebeheiligstes Leben". Tristan und Isolde suchen in „ungemess’nen Räumen" ihr „übersel’ges Träumen". Eine geradezu gegensätzliche, dem Sujet angepasste Sprache wählte Wagner in Die Meistersinger von Nürnberg. Derb ist sie, wenn die Handwerksburschen aufeinander losgehen. Hungerleider, Maßabzwacker, Dummriane und Halunken beschimpfen sie sich. Im Flieder- und im Wahn-Monolog von Hans Sachs klingen dagegen sehr lyrische Sprachtöne an. Die eingebundene Fachsprache der Meistersinger und der Schuster kündet von Wagners Anspruch auf sprachliche Authentizität. So gelingt es ihm, jedem seiner Werke eine eigene sprachliche und musikalische Aura zu verleihen. Richard Wagner war ein Meister der rhetorischen Figuren. Er benützte so viele, dass seine Dramen als Lehrbuch der Rhetorik dienen können. Sie galten ihm als unverzichtbares Werkzeug, die Schlagkraft seiner Worte und Verse zu intensivieren. Ausgesprochen gerne verwandte Wagner die Inversion, die das Subjekt und das Objekt umkehrt. Fricka kann es nicht fassen, wie „bräutlich umfing die Schwester der Bruder", als sie den Inzest von Siegfried und Sieglinde geißelt. Als Parsifal durch Kundrys verführerischen Kuss „welthellsichtig" wird, begreift er, „warum so schlang um den Hals sich der Arm". Nächste Lieblingsfigur ist die Antithese, besonders in Form der Überkreuzstellung der Satzglieder (Chiasmus). Als Paar unzertrennlich hat Brünnhilde Anlass, Siegfried bei seinem Aufbrechen in die Welt jubelnd Lebewohl zu sagen: „Getrennt – wer mag es scheiden? Geschieden – trennt es sich nie!" Da täuschte sich Brünnhilde gewaltig. Die gesteigerte Antithese ist das Oxymoron. Trotz voller Hingabe an Tristan steckt Isolde anfänglich in einem Zwiespalt. Sie sehnt sich nach ihm, braucht aber noch Abstand. Die Ferne ist ihr deshalb die „Freundesfeindin". König Marke verabschiedet Tristan, der ihm Isolde weggenommen hat, mit ähnlicher Gespaltenheit: „du treulos treuester Freund". Für seinen Weltrettungsplan benötigt Wotan einen freundlichen Feind, einen, der gegen ihn und trotzdem in seinem Interesse handelt. Widersprüche in sich! Archaismen, Wörter die aus unserem Sprachschatz verschwunden sind, durchziehen den gesamten Ring-Zyklus. Wagner baute echte Archaismen ein, aber auch ambivalente, die wir noch benutzen, aber in einer gewandelten, meist verengten Bedeutung. Diese Kategorie entpuppt sich als Quelle der Irritation, denn Wagner benützte sie mal im archaischen, mal im zeitgenössischen Sinn... (Viktor Henle) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der April-Ausgabe von Unser Bayern!

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