Unser Bayern

Das markgräfliche Opernhaus in Bayreuth mit dem links benachbarten Redoutenhaus. (Foto: BSV/Florian Schröter)

15.09.2023

Spektakel nach Noten

Bayreuth war schon vor Wilhelmines Ankunft musikbegeistert, doch erst die Markgräfin sorgte für überregionale Anerkennung

Natürlich hängt die Geschichte des Musiktheaters in Bayreuth mit den Markgrafen zusammen. Doch sie beginnt schon einige Jahrzehnte vor Wilhelmine und dem inzwischen zum Weltkulturerbe ernannten Opernhaus, das in diesem Jahr seinen 275. Geburtstag feiert. Was ist in all dieser Zeit gleich geblieben? Bayreuth verfügte damals über kein festes Ensemble – und hat auch heutzutage keines. Stets wurde engagiert, was für das Kulturleben erforderlich war – und was sich als finanzierbar erwies. Unerlässlich für die Repräsentation war allerdings immer ein kleines Ensemble von Instrumentalisten am Hof, das bei Zeremonien und zur Unterhaltung aufspielte. Dazu gehörten Pauken und Trompeten, für Divertimenti benötigte man einige Streichinstrumente, die Tafelmusik beisteuern konnten. Ab und zu ließen Sänger ihre Stimmen erklingen, in den Kirchen gab es Chorknaben, und die Stadt verfügte meist über eine Kapelle mit Blasinstrumenten.

Die Oper, eine Wiederbelebung des antiken Dramas, forderte jedoch als neue Kunstform Dekoration, Kostüm und Maske, sodass der Aufwand deutlich anstieg. Für eine szenische Gestaltung benötigte man einen speziellen Raum mit Bühne und Platz für ein Orchester, mitunter kam ein Chor von Profisängern zum Einsatz. Doch war Anfang des 18. Jahrhunderts „Opera“ nichts anderes als die Kennzeichnung eines musikalischen Werkes, nur kam eben zur Konzertmusik und der Statuarik eines Oratoriums die Bewegung hinzu. Die Personage erweiterte sich um Tänzerinnen und Tänzer – bald bestand eine Oper aus dem, was sie bis heute beliebt macht. Um die Handlung Bühnenrealität werden zu lassen, entwickelte man auch die notwendige Technik immer weiter. Die Komödienhäuser wurden erweitert oder gleich durch Häuser speziell für die Oper abgelöst. Nicht nur in Bayreuth dauerte diese Entwicklung ein gutes Jahrhundert, bis Anfang des 18. Jahrhunderts die Oper zu einem Luxusgut für die Eliten wurde. Fürs­tenhöfe und bedeutende Bürgerschaften (zum Beispiel in Hamburg) wetteiferten um die bestmögliche Qualität.
Die Oper war „in“ geworden. Italien galt als Heimat solcher Bühnenwerke, Frankreich steuerte das Ballett bei, England Prunk und Ausstattung. Wien und München wollten nicht abseits stehen. In Berlin und bald auch in Bayreuth trugen fürstliche Geschwister einen kulturellen Wettstreit aus.

Neben der internationalen Konkurrenz hatten es Komponisten aus dem deutschsprachigen Raum zunächst ziemlich schwer, zumal es keine homogene Begeisterung für Musik und Theater gab. Katholische Höfe und Bürgerschaften liebten es durchwegs lustvoller. Der preußische „Soldatenkönig“ und Vater von Friedrich und Wilhelmine galt als mindestens sparsam, und die Pietisten lehnten derartige Ausschweifungen auf Bühnen ohnehin als unmoralisch ab. Trotz allem konnten sich fünf Meister dieses modernen Genres aus deutsch-österreichischen Landen durchsetzen: Händel, Hasse, Gluck, Haydn und Mozart, der immerhin gegen einen Salieri bestehen musste – die beiden Letztgenannten gehören nach heutigem Verständnis zur Wiener Klassik, die anderen gelten als ausgesprochene Barockkomponisten. Wobei jeder Komponist (vor allem Christoph Willibald Gluck) seine charakteristischen Besonderheiten bewies.

In den Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Krieg schufen in Bayreuth Markgraf Christian Ernst bis 1712 und sein Sohn Markgraf Georg Wilhelm bis 1726 die erste Blüte eines ausgeprägten Kulturlebens, die über das gewöhnliche Maß von Repräsentation in einer kleinen Residenz hinausging. Bespielt wurden verschiedene Räumlichkeiten: ein großer Saal im Alten Schloss am Marktplatz, ein Saal im Redoutenhaus für Bälle, Maskeraden und kleine Spektakel sowie ein Komödien- und Opernhaus hinter dem Gebäude, wo sich unauffälligere Bauten befanden, die dem repräsentativen Neubau des heutigen Markgräflichen Opernhauses weichen mussten, das Bayreuth der Markgräfin Wilhelmine zu verdanken hat. Als das heutige Weltkulturerbe 1748 vollendet war, brauchte man die seitlichen Gebäude nicht mehr: Das Redoutenhaus (1740 neu gestaltet) und das dahinter liegende Terrain wurden verkauft, Überflüssiges teilweise abgerissen. Dort entstand die Synagoge, wie wir sie heute kennen (wenngleich in etwas modernisierter Form). Der Laden im Redoutenhaus bot über Jahrzehnte privaten Betreibern Domizil – aktuell beherbergt das Gebäude, das Georg Wilhelm erbauen ließ, einen Museumsshop und eine Ausstellung zur barocken Aufführungspraxis, also ein Opernmuseum.

Das Markgräfliche Opernhaus feiert heuer seinen 275. Geburtstag, doch die Freude in Bayreuth am damals relativ neuen Genre musikalischer Bühnenwerke ist nachweisbar 25 Jahre älter. Die Markgrafen vor der Ära Wilhelmines verschuldeten das kleine Fürstentum durch eine aufwendige Hofhaltung, wozu Schauspiele, Konzerte und Opern gehörten. Vor allem Georg Wilhelm war schon ähnlich innovativ wie Wilhelmine: Er schmückte die Residenz aus und hatte im heutigen Sankt Georgen eine Ordenskirche, ein Schloss und einen See, auf dem er mit echten Kriegsschiffen Schlachten nachspielen konnte. Im damaligen Schlossbau befand sich ein Saal für Opernaufführungen – einem der Komponisten zu Zeiten von Georg Wilhelm (der auch die Basis für die Eremitage schuf und dort ein erstes kleines Schlösschen baute, bevor Wilhelmine den Park großzügig ausbauen ließ) ist in Bayreuths Innenstadt ein Straßenname gewidmet: Georg Philipp Telemann. Es gab nicht erst Uraufführungen durch Richard Wagner wie die legendären von Siegfried, Götterdämmerung und Parsifal – bereits Telemann schuf im Auftrag von Georg Wilhelm einige Opern, die zwischen 1723 und 1725 in Bayreuth uraufgeführt wurden. Zwar sind diese Werke entweder nicht mehr oder nur noch in Teilen erhalten, doch weiß man, dass Telemann sozusagen als Hofkompositeur für den Markgrafen im Hamburger Homeoffice arbeitete und mindestens zwei fertige Opernwerke nach Bayreuth lieferte. Sie hießen vermutlich Alerich und Adelheid. Telemann lieferte wahrscheinlich auch neueste instrumentale Werke.

Mit dem Tod Georg Wilhelms im Jahr 1726 endete die erste Phase markgräflicher Hochkultur. Der Nachfolger aus einer Nebenlinie (Wilhelmines Schwiegervater) wickelte ab; er war pietistisch, zeigte wenig Sinn für Lustvolles und fuhr einen extremen Sparkurs. Der sollte dann mit Wilhelmines Umzug nach Bayreuth 1732 enden und ins andere Extrem durchbrochen werden. Markgräfin Wilhelmine war ihre eigene Intendantin und sorgte als Komponistin und Autorin für einen regelmäßigen Spielbetrieb. Sie engagierte ein hochkarätiges Ensemble von Sängerinnen und Sängern sowie von virtuosen Instrumentalisten. Durch die Bauten der Fürstin und ihren Anspruch auf Kultur verschuldete sich das Fürstentum erneut über alle Maßen – und ging schließlich ohne männlichen Erben an die Ansbacher Verwandtschaft über. Die Macht wechselte von den Hohenzollern in Brandenburg und Preußen über die Franzosen zum neuen Königreich Bayern (1810). Das Opernhaus fiel nach Wilhelmines Tod 1758 in einen 100 Jahre währenden Dornröschenschlaf und wurde erst durch die Wittelsbacher wiedererweckt, und zwar zum Königlichen Opernhaus.
Doch die Mode hatte sich geändert: Die Klassik war weniger verspielt und strebte nach klaren Formen. Das Gebäude war weder beheizbar noch elektrifiziert, also wurde es nur von gastierenden Truppen ab und zu bespielt. Wenig bekannt ist zum Beispiel, dass die Compagnie von Franz Anton Weber 1792/93 in Bayreuth überwinterte – dessen später zu Berühmtheit gelangender Sohn Carl Maria von Weber, den Richard Wagner überaus bewunderte, war also schon im Alter von sechs bis sieben Jahren in Bayreuth. Später sollte dessen Oper Der Freischütz gleich im Jahr nach der Berliner Uraufführung im Bayreuther Opernhaus gegeben werden, das war 1822.

Verbindung zu Coburg

Ein weiteres bemerkenswertes Gastspiel fand am 30. Juni 1860 statt: In Anwesenheit des bay­erischen Königs Maximilian II. gab es eine Festaufführung von Wagners Tannhäuser – Anlass war die 50-jährige Zugehörigkeit der früheren Markgrafschaft zu Bayern. Es war die erste Vorstellung einer Wagner-Oper in Bayreuth. Zu Besuch kam damals das Herzogliche Hoftheater aus Coburg. Die kulturelle Verbindung beider Städte hält bis zum heutigen Tag an: nicht zuletzt durch die Bühnenmaler Brückner in der Vestestadt, die für Bayreuther Inszenierungen arbeiteten, außerdem durch Herzog Ernst II. und Zar Ferdinand von Bulgarien, die beide den Komponisten Wagner schätzten, und letztlich bis hin zu den Einrichtungen des Rings für das Coburger Orchester, das auch Siegfried Wagner in den Jahren bis 1930 mehrfach dirigierte.
Bei seiner Frankenreise war der junge König Ludwig II. im November 1866 zu Gast in Bayreuth, in einem Galakonzert erklangen Kompositionen seines Lieblingskomponisten Wagner aus Tannhäuser und Lohengrin. Dass Wagner selbst zur Grundsteinlegung seines Festspielhauses am 22. Mai 1872 Beethovens Symphonie Nr. 9 dirigierte, schließt den Reigen dieser Wiederentdeckung des wunderschönen Theaterbaus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ludwig II. wünschte sich eine angemessene Würdigung des kulturellen Erbes in Oberfranken, auch unabhängig von der Gründung der Festspiele auf dem Hügel vor Bayreuth.

Erneute Beachtung fand das Opernhaus nach dem Zweiten Weltkrieg ... (Claus J. Frankl)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Ausgabe September/Oktober 2023 des BSZ-Online-Magazins UNSER BAYERN. Sie können die komplette, 40-seitige Ausgabe downloaden unter www.bayerische-staatszeitung.de Für BSZ-Abonnenten ist dieser Service kostenlos, sonst 3 Euro pro Ausgabe. 

Abbildungen:
„Nichts bereitet mir mehr Vergnügen als eine schöne Oper. Die lieblichen Klänge der menschlichen Stimme dringen mir mitten ins Herz“, schrieb Wilhelmine von Bayreuth an ihren Bruder Friedrich II. Die kunstsinnige Markgräfin initiierte das Bayreuther Opernhaus und komponierte auch selbst. (Foto: SZ Photo)

Grund- und Aufriss des Markgräflichen Opernhauses (um 1817) von Carl Christian Riedel. Das Dokument aus dem ehemaligen Landbauamt Bayreuth ist im Zweiten Weltkrieg verbrannt. (Foto: BSV)

 

 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.