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Detail von "Tante Olgas Silberleuchter" - die Gesamtansicht sehen Sie im Beitrag. (Foto: Münchner Stadtmuseum/Ernst Jank)

11.01.2024

Sprechende Museumsstücke

„Tante Olgas Silberleuchter“ erzählen im Jüdischen Museum München Familiengeschichte und ein Kapitel Stadthistorie

Das stehen sie, die beiden mit „HW“ gepunzten Leuchter im Studienraum des Jüdischen Museums München und erzählen unter dem Ausstellungstitel Tante Olgas Silberleuchter nicht nur die Geschichte von Olga Maier, sondern auch ein Stück Münchner Historie. Ein echtes Münchner Kindl sei die Tochter des Ehepaars Nussbaum gewesen, erfährt man: 1876 geboren, ein Jahr nach dem Umzug der Eltern von Würzburg an die Isar. 1942 wurde sie über das Barackenlager Milbertshofen nach Theresienstadt deportiert und im KZ Treblinka ermordet.

1939 fängt das letzte Kapitel der beiden Leuchter aus dem Besitz Olga Maiers an: mit dem „Zwangsabgabe-Gesetz“ der Nazis. Die Akribie der Nazibürokraten hat dafür gesorgt, dass Olga Maier einen Beleg für die Leuchter bekam, was deren Spur nachverfolgbar macht. Schnell hat seinerzeit das Bayerische Nationalmuseum bei der „Silberverwertungsstelle“ zugegriffen und die 185 Gramm schweren Leuchter pro Stück für 35 Reichsmark gekauft. Und während Olga Maier drei Jahre später ihren Weg ins Vernichtungslager Treblinka antrat, schlummerten sie im Depot des Nationalmuseums – bis zu ihrer Restitution 2022 an die Erbengemeinschaft der anderen Nussbaum-Kinder und -Enkel, die – manche rechtzeitig emigriert – in alle Welt verstreut waren. Um das Andenken an Tante Olga lebendig zu halten, haben sie die Leuchter dem Jüdischen Museum geschenkt, das unter anderem damit die Geschichte der brutalen Entrechtung der jüdischen Bevölkerung und die Geschichte dieser Münchner Familie erzählt.

Die Leuchter im englischen Empirestil stammen aus der Werkstatt des Breslauer Silberschmieds Hermann Weissenborn. Sie entstanden wahrscheinlich um 1830. Olga Maier kaufte sie wohl irgendwo als Schabbat-Leuchter – ein essenzieller Gegenstand für Religion und Familie, der bei der Silberverwertungsstelle der Naziverwaltung auf den reinen Materialwert reduziert wurde.

Die kleine, informative und zugleich anrührende Ausstellung im Museum hat eine Familiengeschichte daraus gemacht: bei Olgas Eltern Henriette und Hermann Nussbaum angefangen, aus einem München, wo der Vater von fünf Kindern (eines war im Kindesalter gestorben) als Tuchkaufmann und Schneidermeister tätig war, wo die Töchter in die Höhere Töchterschule gingen und Olga mit 20 Jahren den Lehrer für jüdische Religion, Moses Moritz Maier, heiratete. Luitpoldstraße 2 und Mathildenstraße 9 waren die Adressen der kinderlosen Maiers. Olgas Geschwister heirateten in alle möglichen Gegenden Deutschlands, trotzdem blieb der Kontakt intensiv und reichte bis zum Austausch von Kuchenrezepten. Ein großes Foto der Hochzeit von Olgas Nichte in Sankt Ingbert zeigt in der Ausstellung die ganze Familie.

1923 ist Olgas Ehemann im Alter von 57 Jahren gestorben. Olga bekam von der Israelitischen Kultusgemeinde 117 Reichsmark Witwenrente. Ihre Liebe galt fortan mehr denn je den Kindern ihrer Geschwister. Noch 1936 hat sie ihren zwei Jahre zuvor nach Palästina emigrierten Bruder Benjamin, der wegen des Berufsverbots für jüdische Ärzte in Deutschland nicht mehr praktizieren durfte, in dessen neuer Heimat Binyamina besucht.

Die beiden Silberleuchter haben das Leben von Olga Maier in München dann bis zur Zwangsenteignung begleitet, im gleichen Jahr 1939 tauchen sie im „Zugangsbuch“ des Nationalmuseums auf, genauso wie die anderen 290 Silberobjekte, für die das Museum 12 605 Reichsmark an das Leihamt bezahlt hat. Im Rahmen der Provenienzforschungen konnten die Leuchter ihrer Besitzerin Olga Maier zugeordnet werden. 2019 hatten sich noch 111 Objekte der Zwangsabgabe im Besitz des Museums befunden. (Uwe Mitsching)

Information: https://www.juedisches-museum-muenchen.de/ausstellungen/tante-olgas-silberleuchter

Abbildung:  Tante Olgas Silberleuchter. (Foto: Münchner Stadtmuseum/Ernst Jank)

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