Unser Bayern

Detail aus dem Widmungsblatt des jüngeren Wappenbuchs von 1767. Im Zentrum thront die mauerbekrönte Bavaria, im Hintergrund ein „Kammermohr“ mit Ring und Preziosen. (Foto: Stadtarchiv München)

05.11.2021

Stolze Tradition

Neuere Forschungen zur Zunft der Münchner Goldschmiede, zu ihrer Markentafel, den Meisterlisten und Wappenbüchern

Die Zunft der Münchner Goldschmiede, die bis 1868 bestand, ist durch Archivalien, Insignien und andere Gegenstände im Stadtarchiv München und im Münchner Stadtmuseum gut dokumentiert. 1912 publizierte Max Frankenburger sein umfassendes und größtenteils immer noch gültiges Werk über Die Alt-Münchner Goldschmiede und ihre Kunst, das heute eine wichtige  Quelle ist. Im Frühjahr 1993 zeigte das Münchner Stadtmuseum die Ausstellung Münchner Goldschmiedekunst von 1800 bis 1868, wo neben kunsthandwerklichen Gegenständen aus den Bereichen Thron und Altar sowie Stadt und Universität auch Objekte der Zunft zu sehen waren.

Die ersten Goldschmiedesätze sind im 14. Jahrhundert nachweisbar, mehrere Zusätze erfolgten im 15. Jahrhundert. Ab 1472 wird die Zunft nobilitiert durch die Zuweisung einer eigenen Kapelle  in der damals neu errichteten Marien-Pfarrkirche,  dem heutigen Dom: Es ist die Katharinen-Kapelle, die zweite am Chorumgang links. Nach längerem Bitten der Goldschmiede erließen Bürgermeister und Rat im Jahr 1558 die erste ausführliche Goldschmiedeordnung. 1738/41 folgte für das gesamte Kurfürstentum Baiern die letzte und umfassendste Goldschmiedeordnung von Kurfürst Karl Albert.

Hl. Eligius als Patron

Wie jede Münchner Handwerkszunft besaßen die Goldschmiede eine Standartenfahne, die beidseits je ein aufgenähtes Gemälde zeigte und von der Patronsfigur des hl. Eligius aus vergoldetem Silber bekrönt wurde. Daneben gab es noch zwei Kelchstangen und eine knapp ein Meter hohe Eligius-Figur aus vergoldetem Kupfer: alles Gegenstände, die 1753 für die Zunft hergestellt und in der Ausstellung 1993 erstmals gezeigt wurden. Meisternamen und dazugehörige Merkzeichen, die die Silber- und Goldprodukte kennzeichnen, bilden den zentralen Knotenpunkt der Goldschmiedezunft.

Der Anfang der wissenschaftlichen Untersuchung begann mit einer kupfernen Markentafel der Münchner Goldschmiede Ende der 1980er-Jahre, die sich seit 1932 im Besitz des Münchner Stadtmuseums befindet. Auf der Tafel sind 427 Stempelabdrücke versammelt – erstaunlicherweise war dieses Stück Max Frankenburger nicht bekannt. So war eine behutsame Annäherung an dieses Dokument angesagt, die in der vollständigen Dechiffrierung aller Marken endete. Die Ergebnisse waren Ausgangspunkt und Grundlage für das zweite Goldschmiedeprojekt, nämlich eine Darstellung der Münchner Goldschmiede von 1800 bis zum Ende der Zunftorganisation 1868. Aus Sicht von Frankenburger war das wieder etwas Neues, denn für ihn endete 1912 der Bericht über die Altmünchner Goldschmiede zeitlich mit dem Jahr 1800. Die nun entstandene umfangreiche und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützte Studie mit Meistermarken und Beschauzeichen, die auch jede Menge Listen und Materialien unterschiedlichster Art enthielt, erschien Anfang 1993.

Zurück zur Markentafel. Darauf wurden die ersten Marken gegen 1650 links oben eingestempelt, und zwar die Meistermarke des Zeichenmeisters (wie er in München hieß) und sein verwendetes Beschauzeichen, zeitlich nicht immer genau einzuordnen. Das ging etwa 90 Jahre so weiter. Dann kam mit der kurfürstlichen neuen Goldschmiede-Verordnung eine Zäsur. Und um diese deutlich zu machen, hat man einfach die Tafel um 180 Grad gedreht und neu mit dem Jahr 1741 angefangen. In erster Linie anders als zuvor war, dass das Beschauzeichen immer die Jahreszahl aufwies, zumindest bei jenen Marken der Zeichenmeister. Dann kam eine zweite Zäsur. Im Rahmen des Vollzugs einer Verordnung vom 17. Oktober 1817 mussten ab 1818 auch die Goldarbeiten mit einem öffentlichen Zeichen des Feingehalts ausgewiesen werden, nämlich mit Stempel von 14 oder 18 Karat. Dafür wurde die Platte ein weiteres Mal um 180 Grad gedreht, die Linienbegrenzung zu den frühen Silbermarken durchgeführt und eine Überschrift eingraviert, die die unterschiedlichen Tatbestände einigermaßen nachvollziehbar macht.

Vorliegen hatte man also die Marken bei Frankenburger, auf der Tafel und in der Studie von 1993. Was noch fehlte waren die Meisternamen, die in der Zunft von Anbeginn eine Rolle spielten. Diese Lücke füllte eine Veröffentlichung im Jahr 2020: eine vollständige Edition der drei Meisterbücher der Münchner Goldschmiedezunft, die zum Teil zeitlich parallel laufen. Das älteste wird Einschreibbuch (auch Salpuch oder Register) genannt. Wie der Name sagt, war das ein Buch, das ab 1418 dafür verwendet wurde, vor allem Ausgaben, Einnahmen und Nachrichten zur Organisation der Goldschmiedezunft einzuschreiben und damit zu dokumentieren. Man erkennt viele Leerseiten in diesem Buch, in fast jedem der kurzen Einträge sind Jahresdatierungen erkennbar. Die Notizen erscheinen aber nicht chronologisch, auch wenn dies zunächst so scheint. Ab f. 84 taucht für 115 Seiten die Meisterliste auf, ab f. 218 für 12 Seiten die Legende des hl. Eligius mit einer Schrift des 15. Jahrhunderts.

Für die Meisterliste gilt dies nicht. Sie ist wie die anderen Listen nummeriert, beginnend mit 1 (wohl 1484) und endend mit der Nummer 317 im Jahr 1829. Die Gestaltung, Länge und Inhalte der Einträge sind unterschiedlich. Sie benennen für kurze Zeit bestimmte Details, die dann wieder weggelassen werden, und erscheinen am Schluss ziemlich formalisiert. Für etwa 345 Jahre war diese Meisterliste bestimmend und maßgeblich für die Zunft und wurde in dem Augenblick obsolet, als die Umwandlung in einen Verein vollzogen wurde.

Die beiden anderen Meisterbücher weisen neben den Meisterlisten eine Besonderheit auf: Man sieht darin neben Namen auch Wappen – jene der neu zu Meistern ernannten Münchner Goldschmiede. Die Exklusivität dieser beiden Bücher –  ein älteres und ein jüngeres – wurde vom Stadtarchiv kurz nach 1966 bei der Zusammenstellung des Repertoriums erkannt und deshalb in den Selektbestand der Zimelien, der heute aus etwa 270 Einzelstücken besteht, aufgenommen. Das ältere Wappenbuch (ÄW) weist zwischen 1555 und 1757 insgesamt 174, das jüngere Wappenbuch (JW) zwischen 1555 und 1867 sogar 333 Meisterwappen auf.

Wie ist diese doppelte Ausfertigung zu erklären? Dafür müssen wir uns die Anfänge samt den Widmungsblättern betrachten. Das ältere Wappenbuch zeigt als erstes das Wappen von Hanns Reimer, der 1555 Meister wurde. Der Eintrag dafür und weiterer Wappen stammt aber aus der Zeit um 1600, denn nur bis zur Jahrhundertwende sind die Sterbedaten der Meister im Originaleintrag zu sehen. Erst danach wurde das Sterbejahr immer nachgetragen. Im Titelblatt des älteren Wappenbuches steht ganz oben die Jahreszahl 1606, die das Ausführungsjahr dieser Seite anzeigt.

Wandel von der Kopie zum Original

Auch das jüngere Wappenbuch zeigt als erstes das Wappen von Hanns Reimer. Das Jahr der Ausführung ist nicht ersichtlich, aus dem Zusammenhang ist jedoch wahrscheinlich, dass die ersten 50 Seiten als Kopie des älteren spätestens zwischen etwa 1757 und 1776 angelegt wurden, und zwar von einem einzigen Maler. Erst als die Meisterwappen in der damaligen Gegenwart angekommen waren, wurden die Wappenaufnahme im älteren Wappenbuch eingestellt und das jüngere Wappenbuch wandelte sich von einer Kopie zum neuen Original.

Wie erwähnt, gab es 1558 und 1741 wichtige Goldschmiede-Verordnungen: Die erste erlassen von Bürgermeister und Rat München, die zweite vom bairischen Kurfürsten. Während die Einrichtung des älteren Wappenbuchs im Zusammenhang mit der Ratsverordnung zu sehen ist, weist der Bezug des jüngeren Wappenbuchs auf den Kurfürsten hin. Das Widmungsblatt des älteren Wappenbilds ist karg ausgestattet und zeigt in den oberen Ecken zwei Putti mit Messkelch und Patene, das entsprechende Blatt des jüngeren Wappenbuches ist ausführlicher: Allegorien (mauerbekrönte Bavaria und Abundantia mit gefülltem Preziosenhorn) und Herrschaftszeichen von Kirche und Kurfürst, ein Kammermohr mit Ring und Geschmeide, flügelloser Putto mit der gebundenen Goldschmiedeordnung von 1741 (als Personifikation der Münchner Goldschmiedezunft), von Minerva zum kurfürstlichen Wappen geführt.

Mit dem letzten Eintrag 1757 wurde das ältere Wappenbuch eingestellt, und das jüngere übernahm neben dem Einschreibbuch die Chronistenpflicht. Erst ab 1765 findet die kurfürstliche Verordnung bei der Meisterwerdung Anwendung, nachdem von fürstlicher Seite eine Revision aller Zunftordnungen im selben Jahr vorgenommen wurde. Dies mag der Grund für die demutsvoll/adorierend gehaltene Widmungsdarstellung im jüngeren Wappenbuch gewesen sein.

Die beiden Wappenbücher sind nicht nur zeitlich unterschiedlich einzuordnen, sondern differieren auch in der Art des Wappenauftrags. Bei dem älteren Wappenbuch ist kaum eine gemeinsame Hand eines Malers feststellbar, im Gegensatz zum neueren Wappenbuch fehlen auch genau benennbare Namen. Hier ist wenigstens mit Anton Pollinger in den 1850er- und 1860er-Jahren ein Namen dingfest zu machen. Möglicherweise ist auf ihn sogar nach der zeitweiligen Einstellung der regelmäßigen Wappenausführungen um 1825 die Wiederaufnahme 1846 zurückzuführen... (Matthias Klein)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in UNSER BAYERN, Ausgabe November/Dezember 2021 in der BSZ Nr 44 vom 5. November 2021

 

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