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Der Straubinger Zoo hat sich heute dem Artenschutz verschrieben: So flattert der in Straubing großgezogene Nachwuchs der vom Aussterben bedrohten weißen Bali-Stare inzwischen wieder im indonesischen Bali herum. (Foto: Tiergarten Straubing)

09.07.2018

Tierische Narretei

Vom Schwanenteich zum modernen Zoo: Der Straubinger Zoo feiert sein 80-jähriges Bestehen

Ein Tiergarten in Straubing? Eine Schnapps­idee!  Die Straubinger selbst machen sich über eine solche Idee lustig. Das war vor 80 Jahren. Heute gehört der Straubinger Tiergarten zu den bedeutendsten und attraktivsten Freizeiteinrichtungen im ostbayerischen Raum, der jährlich weit über 300 000 Menschen anzieht. Es ist ein Ort der Erholung und Entspannung, der Bildung, Forschung und des Arten- und Naturschutzes, eingebettet in eine schöne alte Parkanlage. Aber wie kommt eine niederbayerische Stadt wie Straubing mit unter 50 000 Einwohnern zu einem derartigen Zoo mit Löwen und Luchsen, Pinguinen und Pelikanen, Kamelen und Kängurus?

Anfänge im Stadtpark

Im März 1901 erwarb die Stadt Straubing vom Ziegeleibesitzer Max Jungmeier ein großes Grundstück entlang der Regensburger Straße, um dort eine „Verschönerungs-Wald-Anlage“ zu schaffen. Es war der Beginn des Stadtparks, den man zu Ehren des regierenden Wittelsbachers „Prinzregent-Luitpold-Hain“ nannte. Im folgenden Jahrzehnt wurde der Park um große Flächen nach Westen entlang des Moosbaches erweitert. Die Parkwege erschlossen nun nicht nur die barocke Wallfahrtskirche Frauenbrünnl, sondern die Straubinger konnten weiter bis zum Fuchsenberg und nach Lerchenhaid spazieren. Die Stadtgärtnerei erhöhte die Attraktivität des Parks mit der Anlage von zwei Teichen und der Kneippverein spendierte Anfang der 1920er-Jahre zwei Wassertretbecken. Beliebtes Ausflugsziel wurde das „Hirtenhäusl“ der Familie Aschenbrenner, auch „Mooshäusl“ genannt, wo  man sich mit einem Glas Milch und einem Butterbrot stärken konnte. Schwäne und Enten, Eichhörnchen, Füchse, ein zahmes Reh namens „Lieserl“, Ponys zum Reiten, Rutschen und Schaukeln boten zudem Unterhaltung. Und im Herbst 1936 wurde das neue „Mooshäusl“ als Ausflugswirtschaft eröffnet; es war ein Holzbau, der auf dem Straubinger Volksfest als „Modellwirtshaus der Ostmark“ gedient hatte und anschließend in den Park versetzt worden war.

Als die Straubinger Presse im Februar 1937 aber meldete, dass im Stadtpark um das Mooshäusl und den Schwanenteich ein städtischer Tiergarten entstehen soll, hielten viele die Idee für einen Faschingsscherz. Sogar beim damaligen Faschingszug tollte eine Gruppe verkleideter Straubinger als Affenbande herum nach dem Motto: „Affen laufen so schon rum, jetzt braucht ma bloß den Zaun drum rum.“ Ein angesehener Lehrer und Heimatforscher, Hanns Rohrmayr, urteilte gar: „Straubing und ein Tierpark! Eine hellichte Narretei!“

Es war vor allem der damalige Oberbürgermeister Josef Reiter, ein überzeugter Nationalsozialist und fast fanatischer Tierliebhaber, der den Ausbau eines Zoos betrieb. Neben „auserlesenem Federvieh, Gold- und Silberfasanen, Perlhühnern usw.“ holte er auch (...)

Dompteur wird Direktor

Der Straubinger Tiergarten hätte wohl die schwere Zeit des Zweiten Weltkrieges nicht überstanden, wenn es nicht den sächsischen Löwendompteur Johannes Lange durch einen Zufall in die niederbayerische Stadt verschlagen hätte. Im Juli 1941 gab der Zirkus Europa in Straubing ein Gastspiel. Über dessen erste Aufführung schrieb das Straubinger Tagblatt: „Bedauerlich ist die Tatsache, daß die Raubtierdressur ausfallen muß; denn dadurch, daß ein Löwe eingegangen und ein zweiter erblindet ist, wurde die Gruppe gesprengt.“ Gemeint war die Vorführung des „weltberühmten“ Dompteurs Lange, dessen Künstlername Rocasimi sich aus den Anfangsbuchstaben seiner vier Löwen Romeo, Caesar, Simba und Michel zusammensetzte und der Engagements unter anderem bei den Zirkusunternehmen Busch, Sarrasani und Althoff vorweisen konnte.

Lange erwartete eine neue Löwengruppe und erhielt vom Oberbürgermeister die Erlaubnis, in Straubing bleiben und dort seine Dressurnummer einüben zu können. Dafür hatte er sich „als Fachmann“ um den Aufbau des „herrlichen Tiergartens“ zu kümmern, dessen Tierbestand er fast unverzüglich erweiterte.

(...)

Im Mai 1943 ernannte man Lange offiziell zum Verwalter des Tiergartens mit der Verpflichtung, „seine Löwen im städt. Tierpark zur Schau zu stellen und seine Dressurschule vorzuführen, den Tierpark und die dort untergebrachten Tiere zu überwachen und zu pflegen ...“ Vom Kriegsdienst wurde er „aus Gründen der öffentlichen Sicherheit“ freigestellt, da nur er mit den gefährlichen Raubkatzen umgehen könne. Trotz Kriegszeit holte Lange immer wieder neue Tiere nach Straubing, unter anderem spanische Esel und australische Wildhunde.

(...)

Tierische Kriegsopfer

Bei einem schweren Luftangriff am 5. Februar 1945 wurde aber auch der Straubinger Tierpark getroffen. An Verlusten wurden – neben einigen zerstörten Gehegen – gemeldet: „Tot 1 Lama, 1 Dingohündin, etwa 12 Meerschweinchen, mehrere Silber- und Goldfasane, 1 Schwan, Nymphensittiche, 1 Kamel …“ Ein Elefant starb einige Tage später am Schock. Trotzdem öffnete der Tiergarten bereits im März wieder „auf die vielen Bitten von Straubinger Tierfreunden hin“, wie das Straubinger Tagblatt vom 17./18. März 1945 vermeldete. Geblieben ist von den Kriegsschäden ein Teich, der aus einem Bombentrichter entstand.
In den wirtschaftlich schwierigen Nachkriegsjahren kämpfte Direktor Lange um die Sanierung und die Weiterexistenz des Tiergartens. Unterstützt wurde er dabei seit 1948 vom Verein der Freunde des Tiergartens Straubing e.V., einer der ersten Zoofördervereine Deutschlands. Wie wichtig und beliebt der Tiergarten als Ausflugsziel in dieser Zeit war, beleuchtet eine Reportage in den Niederbayerischen Nachrichten vom März 1948: „Als wir ihn erreichten, stauten sich an der Kasse die Menschen. Hunderte spazierten bereits durch die Anlagen, standen vor den Käfigen, scherzten mit den Tieren oder ließen sich an Büschen nieder, deren Knospen das Sonnenlicht grüßten …“

Legendärer Jimmy

Am 30. November 1955 starb überraschend Johannes Lange, der sich mit großem Engagement um „seinen“ Tierpark gekümmert hatte. Es ist dem Freunde-Verein und der „leidenschaftlichen Unterstützung der Straubinger“ zu verdanken, dass der Tierpark die Existenzkrise, die der Tod Langes auslöste, überstand. Denn politisch war der städtische Unterhalt eines Tiergartens nach wie vor umstritten. Einige Stadträte belächelten ihn als „Tierpark mit einem schwindsüchtigen Löwen und ein paar Hühnern“, der zu viel Geld koste; man erwog sogar schon die Abgabe der Tiere an die Stadt Regensburg, die damals einen Tierpark plante. Der Verein der Freunde engagierte sich weiterhin unermüdlich, finanzierte unter anderem die Errichtung eines neuen Affenhauses.

Darin fand auch der Schimpanse Jimmy genügend Platz. Von seinem früheren Zuhause, einem Bordell in Hamburg, hatte er seine Antipathie gegen blonde Frauen und seine Vorliebe für Zigaretten mitgebracht. Er war der Liebling des neuen Leiters Hans Schäfer, eines langjährigen Mitarbeiters von Bernhard Grzimek im Frankfurter Zoo. Noch heute erinnern sich Straubinger an die Besuche Schäfers und Jimmys im Café Krönner oder im Mooshäusl, wo sie Kaffee tranken und Zigaretten schmauchten – heute undenkbar.

(...)

Unter Direktor Franz Wiegand, einem Tierarzt, vergrößerte sich der Tierpark von 3,8 auf 18 Hektar. So entstanden zum Beispiel die Bärenanlage und das Raubtierhaus. Nicht nur russische Biber und sibirische Tiger, Gänsegeier, Sumpfschildkröten und Trampeltiere zogen in den Tierpark ein, sondern auch Schaukelpferde. 1983 startete die Zooschule mit Bayerns erster Zoo-Pädagogin; seitdem werden unzählige Schulklassen und Besuchergruppen über die Gewohnheiten und Lebensräume der Tiere aufgeklärt. Wiegand hatte, angeregt von der Lage Straubings an der Donau, auch die Idee zur Einrichtung eines „Danubiums“ und eines „Donau-Aquariums“, wo die Lebewesen des Donauraums vorgestellt werden.

Modernisierung und Ausweitung

Die Attraktivität des Tiergartens steigert sich stetig unter dem Biologen Wolfgang Peter, seit 1996 für den Zoo verantwortlich: Im originalgetreu rekonstruierten jungsteinzeitlichen Bauernhaus, im Waldhaus und im aus der Erbschaft der Tierliebhaberin Franziska Danner finanzierten „Dannerhaus“ finden Vorträge, Ausstellungen und Workshops statt. Der Nachlass der Heimatschriftstellerin Edith Heine und des Tierfreundes Alfred Pielmeier sicherten den Bau einer Afrika-Anlage; neu errichtet wurden in den letzten Jahren unter anderem auch eine Känguru- und Emu-Anlage, ein Flamingoplatz, ein Yak-Gehege mit tibetischer Ruheoase, ein Luchs-Bereich. Der Streichelzoo mit Kamerunschafen und afrikanischen Zwergziegen, ein Abenteuerspielplatz, Rast- und Ruheplätze  Biergarten und Kiosk laden zum Verweilen ein.

Wolfgang Peter legt Wert auf die artgerechte Tierhaltung, auf die Förderung des Umweltbewusstseins, um den Tieren ihre Lebensräume zu erhalten, und auf die Beteiligung an Artenschutzprojekten. So konnten beispielsweise im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms die vom Aussterben bedrohten „Bali-Stare“, zur Welt gekommen im niederbayerischen Straubing, wieder in einem Nationalpark auf der indonesischen Insel Bali angesiedelt werden (...) (Dorit-Maria Krenn)

Abbildungen:

Postkarte von 1960. (Foto: Stadtarchiv Straubing/ Postkartensammlung)
Das Hirtenhäusl beziehungsweise Milchhäusl im Stadtpark (hier um 1930) ist die Keimzelle des Tiergartens. (Foto: Stadtarchiv Straubing)
Der frühere Tiergartendirektor Hans Schäfer schmauchte schon mal mit dem Schimpansen Jimmy eine Zigarette. (Foto: Stadtarchiv Straubing)
Noch hatte Oberbürgermeister Markus Pannermayr (links) leichtes Spiel, Thambi zu bändigen, als der 2016 in Straubing geborene Sibirische Tiger zur Impfung bei Zoodirektor Wolfgang Peter auf den Behandlungstisch musste. (Foto: Tiergarten Straubing)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Juli/August-Ausgabe von UNSER BAYERN, die der BSZ Nr. 27 vom 6. Juli 2018 beilag.
Weitere Themen der Ausgabe:

• Die unblutige Revolution. Bayern und der 7. November 1918:
Warum Kurt Eisner der Umsturz so reibungslos gelang
• Schwabings Skandalgräfin. Viele Liebhaber, immer pleite: Franziska zu Reventlow scherte sich nicht um Konventionen und lebte sich als Bohèmienne aus
• Gefiederte Exoten. Über Bayerns Begeisterung im 19. Jahrhundert für Papageien und anderes nichtheimisches Federvieh
• Spannendes aus der Scherbenkiste. Was ein Lampenschirm in der Hofglasmalerei Gustav van Treeck über den Umgang mit Fragmenten alter Glasmalerei verrät
• In Freud und Leid. Geschichts-Kompendium und Love-Story: Die Hauschronik der Herzogin Alexandrine von Sachsen-Coburg und Gotha
• Wundervolle Entpuppung. Restauratorinnen haben eine Marienskulptur „entkleidet“ und ihr somit ihre ursprüngliche Würde zurückgegeben

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