Unser Bayern

30.07.2010

Von der Glut der Liebe und Symbolen der Liebe

Zum 125 Todestag von Carl Spitzweg, der in seine Malerei botanisches Wissen einfließen ließ

Wie kein anderer verstand es Carl Spitzweg, kleinbürgerliche Idyllen eines beschaulichen Lebens im Bild festzuhalten. Einige seiner Werke wie Der arme Poet sind weltbekannt. Er entwickelte eine äußerst köstliche und humorvolle Genremalerei. Seine romantisch-biedermeierliche Malweise näherte sich im Spätwerk auch dem Impressionismus an. Spitzweg wurde einer der populärsten Maler des 19. Jahrhunderts, und das nicht erst nach seinem Tod am 23. September 1885 (sein Grab findet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof in München). Schon zu Lebzeiten war er ein anerkannter Künstler, war seit 1868 Ehrenmitglied der Münchner Akademie der Bildenden Künste. Dabei war Spitzweg als Maler ein Autodidakt. Der am 5. Februar 1808 geborene Sohn eines wohlhabenden Münchner Kaufmanns war ausgebildeter Apotheker (seine Lehrzeit absolvierte er in der Königlich Bayerischen Hofapotheke von Pettenkofer) und studierter Pharmazeut – brach diese Laufbahn jedoch zugunsten der Malerei ab. Unterstützung und Hilfe fand er bei Künstlerfreunden. 1838 verkaufte er seine ersten Bilder. Motive für seine Kunst fand er in der nahen Umgebung und auf Reisen. Am Hungertuch musste er nicht nagen – eine Erbschaft erlaubte ihm zeitlebens relative materielle Unabhängigkeit. Spitzwegs profundes naturwissenschaftliches Wissen (auch auf dem Gebiet der Botanik und Chemie) kommt in vielen seiner Gemälde und Zeichnungen wunderbar zur Geltung. In vielen seiner Werke sieht man beispielsweise detailgetreue Darstellungen von Pflanzen – die Spitzweg freilich nicht als bloße hübsche Dekoration einfügte, sondern als symbolische Fingerzeige. Um 1855 malte Spitzweg das Bild Der Abschied (Student und Mädchen). Es gehört heute in die Sammlung der Münchner Schack-Galerie. Viele Spitzweg-Gemälde gibt es in unterschiedlichen Fassungen – vom Abschied allerdings existiert nur diese eine Version. Ungewöhnlich ist für den Maler auch die zarte, melancholische Stimmung des Bildes. Die Szenerie wirkt äußerst natürlich und keineswegs künstlich. Der Betrachter wird zum unbemerkten Beobachter. Schauplatz des Gemäldes ist der Eingang eines Hauses. Ein junger Mann in Reisekleidung, wahrscheinlich ein Student, verabschiedet sich von seiner in „unschuldiges" Weiß gekleideten Geliebten, die ihm ernst und ein wenig traurig in die Augen schaut. Zum Abschied wird er ihr eine rote Rose schenken. Noch ist er freilich damit beschäftigt, das Mädchen zu umarmen. Dabei hat er seinen Hut verloren, sein Regenschirm liegt achtlos in der Ecke. Rechts auf der Straße wartet die Kutsche bei der Poststation – der Kutscher bläst schon ungeduldig ins Horn, der Knecht hält den Wagenschlag auf, Mitreisende warten in der Droschke. Die Uhr am Torturm zeigt die Stunde an – es ist kurz nach 5 Uhr morgens. Die Sonne hat gerade die Berge im Hintergrund erreicht und taucht sie in zarte Farben. Der Himmel ist schon hellblau, während die Häuser und Straßen noch im Dunkel liegen. Die Lichtstimmung des anbrechenden Tages ist vortrefflich koloriert und die innigen Gefühle des Liebespaares gibt Spitzweg überzeugend wieder – den Abschied hat er auf der Höhe seiner künstlerischen Möglichkeiten gemalt. Ganz bewusst bindet Spitzweg auch die Pflanzen in das Geschehen ein. Es ist offensichtlich, dass die exakt wiedergegebene rote Rose in der Hand des Mannes das Symbol für die Liebe ist. Die Rose steht aber auch für Vollkommenheit, Schönheit und ist Sinnbild für die Jungfrau oder die Frau. Gleichermaßen wichtig war Spitzweg die am vorderen linken Bildrand deutlich sichtbare Agave, die in seinen Bildern häufig vorkommt. Sie steht vor dem Wohnhaus der jungen Frau, ist dieser also zugeordnet. Der Maler kannte die heilenden Kräfte der Pflanze und hat sich intensiv mit der entsprechenden Fachliteratur beschäftigt. Die Agave gilt als schnellwüchsige Pflanze von großer Ausdauer, ihr Saft und ihre Wurzeln werden als Heilmittel gegen die Geschlechtskrankheit Syphilis verwendet. Die Laube vor dem Wohnhaus des Mädchens ist efeuumrankt. Der Efeu – auch er taucht in Spitzwegs Œuvre gerne auf – ist eine sehr ausdauernde und hartnäckige Pflanze. Was sie einmal umschlungen hat, gibt sie nicht mehr her. Aber sie ist kein Schmarotzer, sie braucht nur eine Kletterhilfe. Der Efeu ist ein Symbol der Treue, vor allem der ehelichen Treue der Frau. Wegen seiner Anlehnungsbedürftigkeit wurde er als weibliche Pflanze interpretiert. Schwerer auszumachen sind die anderen Gewächse, die das Mädchen gepflanzt hat. Auf dem Fenstersims rankt vielleicht wieder Efeu, davor könnte eine Pelargonie, eine noch nicht blühende Duftgeranie stehen. In den Trögen vor dem Haus wachsen weiß- (links) und rotblühende (rechts unten) Pflanzen. Sie könnten die Reinheit des Mädchens und die Glut ihrer Liebe versinnbildlichen. Auch Tiere werden bei Spitzweg gerne als Symbolträger eingesetzt. In diesem Beispiel ist es der Storch. Er steht in seinem Nest auf dem Kamin im Hintergrund und soll wohl auf die Zukunft des Paares anspielen. (Eva Meier)

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