Unser Bayern

Erst bezweifelten EU-Bürokraten den Nährwert der Breze als „gesundes“ Lebensmittel, dann erteilten sie besonders der Bayerischen Breze ihren „Segen“: Seit Februar ist sie mit der geo- grafischen Angabe geschützt, so wie auch die Nürnberger Rostbratwurst und gut 1100 weitere Lebensmittel. Aus markenrechtlichen Gründen sind in die EU-Verordnung gleich mehrere Schreibweisen aufgenommen worden: Bayerische Brezn, Bayerische Brezen, Bayerische Brezel, Bayerische Brez‘n. (Foto: dpa)

25.07.2014

Wildrissig und sattglänzend

Ob mit oder ohne Deppen-Apostroph: Wie sich die Bayerische Breze von ihren Schwestern in aller Welt unterscheidet

Seit Anfang des Jahres ist es offiziell: Die „Bayerische Brezn" muss wirklich aus Bayern stammen, wie auch das „Bayerische Bier". Die Durchführungsverordnung Nr. 161/2014 der EU-Kommission verlieh dem „satt-glänzenden, kupferbraunen" Laugengebäck, mit den „beim Backen entstandenen wilden Rissen" das Gütesie­gel „Geschützte geographische Angabe". Mehr als 1100 Lebensmittel und Agrarprodukte sind inzwischen EU-weit gegen missbräuchliche Nutzung geschützt, darunter der „Schrobenhausener Spargel", der „Allgäuer Bergkäse", die „Nürnberger Rostbratwürste" – und nun eben auch die „Bayerische Brezn". Um dies vorweg zu nehmen: In Bayern und Österreich sagt man Breze oder Brezn (Plural: Brezen) – keinesfalls Brezel! Selbst der Duden billigt uns dies zu, auch wenn das Korrekturprogramm manches supergescheiten Computers „Brezn" penetrant rot unterringelt. Die Schwaben allerdings sprechen von Brezel, eigentlich „Brätzel", obwohl in alten Quellen auch dort von „Brezgen" oder ähnlichem die Rede ist. In der Pfalz hat sich das „l" ebenfalls in Bretzel eingenistet, – und vermutlich hat das Gebäck von dort mit den Auswanderern seinen Siegeszug um die Welt angetreten. Fast überall kann man heute „Pretzel" kaufen – auch wenn sie freilich nicht so schmecken wie daheim. Es gibt gar deutliche Unterschiede zwischen den schwäbischen und den bayerischen Brezen – und gemeint sind hier nur die Laugenbrezen. In Stuttgart liebt man sie eher weich – bei uns eher resch, wobei auch hier der Resche-Grad durchaus variieren kann. Am dicken Ende sind sie auch optisch zu unterscheiden: Während die Schwaben (und auch andere) ihre Laugenbrezeln mit einem Messer vor dem Backen anritzen, damit sich ein gleichmäßiger weißer Spalt bildet, überlässt der Altbayer das Aufplatzen der Kruste dem Schicksal, so dass hier unregelmäßige Risse entstehen. Brezen soll es schon im alten Rom gegeben haben, weswegen die Ableitung des Wortes von „bracchia" bzw. „bracciola", was „verschlungene Arme" bzw. „Ärmchen" bedeutet, nicht unwahrscheinlich klingt. Andere leiteten die Benennung vom lateinischen „precatiuncula" („Gebetchen") ab, wieder andere von „pretiola" („kleine Belohnung"), weil in der ersten christlichen Kirche Brezen ein priesterliches Geschenk für die Kinder gewesen sein sollen. Zugleich gab ihre Form angeblich eine Anweisung zum Beten, da die Brezen zwei zum Gebet verschlungene Hände darstellen könnten. So viele Gedanken zu Herkunft und Namen: doch „nix g’wiß weiß ma net". Im Mittelalter kannte man die Rad-Form, die Triangel-Form und seit dem 9. Jahrhundert dann die Form von zwei sich gegenüberstehenden 6ern oder 9ern – je nachdem wie herum man die Brezn hält. Dabei handelte es sich in der Regel um Fastengebäcke in Klöstern. Sie sind in alten Handschriften überliefert. In einer mittelalterlichen Miniatur ist auch eine der ersten Brezn, wie wir sie kennen, dargestellt. Gegen Ende des Mittelalters und in der frühen Neuzeit nehmen dann die Brezndarstellungen vor allem auf Tafelbildern zu. Nicht selten wird nun zum „letzten Abendmahl" auch eine Brezn serviert. In Bayern waren die Brezen mindestens seit dem Mittelalter beliebt. 1291 machte etwa der Vikar Gebolf von Augsburg zu seinem Seelenheil eine Stiftung: Alle Jahre „zu ewigen Zeiten" sollten den Klosterschwestern von Oberschönenfeld am Karfreitag 40 „Brezgen" von der Augsburger Brotbank gebracht werden, wie er in seinem Testament vermerkte. Am 12. Juli 1318 stifteten in München der wohlhabende Bürger Burkhard Wadler und seine Frau Heilwig dem Heiliggeistspital eine Brezenspende. Alljährlich am 27. Dezember sollten für drei Pfund Münchner Pfennig Brezen gekauft werden, das Stück zu einen Viertel Pfennig, insgesamt also 2880 Brezen. Diese sollten an arme Leute ausgegeben werden. Wer wollte, konnte auch zwei dieser „Bretzen" bekommen. Wann die Austeilung der berühmten Wadler-Spende auf die Nacht vom 1. Mai wanderte ist allerdings ebenso unbekannt, wie die Einführung der Verteilung durch den Brezenreiter. Es heißt, dass der Brezenreiter von Hl. Geist fast 500 Jahre jeweils nach Mitternacht auf einem Schimmel durch die Stadt ritt. Dem Pferd waren angeblich drei Hufe gelockert, so dass die Schritte laut klapperten und die Bevölkerung auf den Reiter aufmerksam gemacht wurde. Zunächst verkündete er nur: „Get’s zum hailig’n Geist, wo man d’ Wallabrezn ausgeit." Später verteilte er das begehrte Gebäck direkt aus einem mitgeführten Sack. Bis zum Jahr 1801 ritt er durch die Straßen. Dann war der Brezenreiter Geschichte. 1802 wurde an der Tür des Heiliggeistspitals ein Zettel angeschlagen, der besagte, dass von nun an die Brezenspende nicht mehr in der Nacht zum 1. Mai vom Reiter ausgeteilt werde. „Dieser Missbrauch ist abgeschafft!" Ab sofort wurden die Brezen wieder an den Toren des Spitals abgegeben, und das um 5 Uhr in der Früh. Als Grund wurde angeführt, dass es im Jahr zuvor zu Schlägereien um die Backwaren gekommen sei. Vielmehr ist jedoch anzunehmen, dass es mit den damaligen politischen Zuständen zusammenhing: Man fürchtete nächtliche Umtriebe. Irgendwann hat die Wadler-Spende dann ganz aufgehört. Allerdings konnte man den Brezenreiter auch in jüngerer Zeit immer wieder einmal begegnen, etwa am 14. Juni 2008 anlässlich des 850-jährigen Stadtgeburtstags. Aus welchem Teig die frühen Brezen waren ist unbekannt. Nicht auszuschließen ist, dass es sich dabei schon um Laugenbrezen gehandelt hat. Vermutlich seit dem 12. Jahrhundert wurden die Brezen vor dem Backen in kalte oder heiße Natronlauge getaucht und danach „gesotten". Offensichtlich haben sich einige Bäcker auf die Herstellung von Brezen spezialisiert. Der Familienname Bretzenbeck oder ähnlich ist bis heute weit verbreitet. Ob allerdings der Ortsname Bretzenheim ebenfalls von dem Gebäck seinen Namen ableitet oder nicht doch eher von einem längst vergessenen Personennamen, müsste genauer untersucht werden. Auf jeden Fall aber führen der Mainzer Vorort Bretzenheim und der gleichnamige Ort an der Nahe Brezen im Wappen. Weiter verbreitet als in Ortswappen ist die Brezn als Zunftzeichen und Ladenschild. Sie wurde von den Bäckern gerne genommen, da Brezen charakteristischer darzustellen sind als etwa Semmeln, die leicht als Knödel oder gar Kanonenkugeln durchgehen könnten. Den Münchner Bäckern wurde sogar eine ganz besondere Ehrung zuteil: Für ihr tapferes Mitwirken in der Schlacht von Mühldorf am Inn gegen den Habsburger Friedrich den Schönen anno 1322 soll ihnen Kaiser Ludwig der Bayer ausdrücklich das Recht verliehen haben, den Reichsadler im Wappen zu führen. Und so prangt auf ihrem Zunftzeichen, das eigentlich das Wappen der Bruderschaft der Bäckerknechte war, bis heute der doppelköpfige Adler samt Brezn – ob die kaiserliche Geschichte nun wahr ist oder nicht... (Cornelia Oelwein) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Juli/August-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 30 vom 25. Juli 2014)

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