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Gedenken an die Toten außerhalb der Friedhöfe: Oft wurden die Bretter auf denen die Toten zu Grabe getragen wurden, anschließend in der Nähe ihres Hauses, an (Kirch-) Wegen oder neben Flurkreuzen aufgestellt. Hier Totenbretter aus Winklarn im Landkreis Schwandorf (um 1900). (Foto: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)

21.11.2014

Zeichen des Gedenkens

Zeichen des Gedenkens Vor allem im Bayerischen Wald entdeckt man viele Totenbretter: Ein Brauchtum, das noch heute gepflegt wird

Zumindest direkt will man heute wenig mit dem Tod zu tun haben. Beklagt wird das anonyme Sterben in Klinken. Als Ursachen werden der Schwund des Religiösen, die Auflösung der traditionellen Familienstruktur, die Landflucht und damit das anonymere Leben in Ballungsräumen angeführt. In früheren Zeiten war der Tod wohl tatsächlich gegenwärtiger. Zugegen war er beispielweise viel häufiger als heute in form von Seelenmessen und anderen Formen des öffentlichen Totengedenkens – auch als Zeichen in der Landschaft: als Marterl, Sühnekreuz, Epitaph oder Memento mori. In weiten Teilen des süddeutschen Raums, aber auch im Salzburgischen, in Nord- und Südtirol, in der Schweiz und in Böhmen war es Brauch, sogenannte Totenbretter aufzustellen. Ursprünglich dienten diese Bretter als Bahr, Transport und Bestattungsbretter. Als es noch keine Leichenhäuser gab – in der Pfarrei Lam im Bayerischen Wald war das bis 1939 so –, blieb der Verstorbene bis zur Beerdigung im Haus. Man bahrte ihn während der drei Tage auf einem mit Leinen bedeckten Totenbrett auf. Dann wurde der in ein Tuch eingenähte Tote auf dem Brett zu Grabe getragen. Dort wurde der Leichnam mit Hilfe des Bretts in das Grab gesenkt. Zuweilen wurde das Brett dem Toten auch mit in das Grab gegeben. Besonders lang hielt sich der Brauch der Totenbretter dort, wo man sich keinen Sarg leisten konnten. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich die Sargbestattung mehr und mehr durch. Die etwa 40 Zentimeter breiten und bis zu zwei Meter hohen Totenbretter wandelten sich in der Folge zu Gedenkbrettern für die Verstorbenen. Sie wurden an einer Kapelle, bei Flurkreuzen, entlang des Kirchwegs oder in unmittelbarer Nähe der Häuser der Verstorbenen aufgestellt. Im Bayerischen Wald gibt es besonders schön verzierte Totenbretter. Solange sie noch als Bahren dienten, wurden sie nach der Bestattung zum Schreiner getragen, der sie dann in die endgültige Form brachte. Das Oberteil eines Totenbretts wurde gerne gerundet und mit Einkerbungen und Verzierungen versehen. Der Maler grundierte es dann mit dem gewünschten Farbton und verzierte es mit Schrift und Bemalung. Als Einleitung ist häufig zu lesen: „Zur frommen Erinnerung" oder „Zum Gedenken". Dann folgen Name, oft auch nur dessen Anfangsbuchstaben, Geburts- und Sterbedatum und Beruf. Häufig schließt sich ein weiterer Text an. Gerne wird ein Bibelspruch zitiert. Zu lesen ist auch: „R.I.P. Auferstehung ist unser Glaube. Wiedersehen unsere Hoffnung. Frommes Andenken unsere Liebe." Oder es wurde gereimt: „Vom rauhen Sturm getroffen, vom Todeshauch berührt, ist’s Auge nun gebrochen, sein Geist zum Licht entführt." „Liebe Gattin weine nicht, weil uns Gott die Ehe bricht. Denn was Gott tut, das ist wohlgetan." Mitunter sind die Inschriften heiter oder humorvoll: „Es ruht die tugendsame Jungfrau Maria Huberbauer, betrauert von ihrem einzigen Sohn Josef". „Es starb das kleine Öchselein, vom alten Ochs ein Söhnelein, der liebe Gott hat’s nicht gewollt, daß er ein Ochse werden sollt." „Hier ruht der Kantor Krug, der Kinder, Weib und Orgel schlug". Viele der Totenbretter weisen eine mehr oder weniger phantasievolle Bemalung auf. Dem Gestaltungsreichtum swaren keine Grenzen gesetzt. Beliebt waren Blumenmotive und Blattranken, Medaillons und andere Zierformen. In aufwendigeren Varianten wurden beispielsweise Totenschädel, Heiligenbilder, kniende Eheleute, das Auge Gottes über einem Wolkenband oder Kreuz, Anker und ein flammendes Herz als Zeichen für Glaube, Liebe und Hoffnung abgebildet. Neben diesen kunstvoll gestalteten Stücken gibt es auch nahezu roh belassene, kaum bearbeitete oder verzierte Totenbretter, in die bestenfalls drei einfache Kreuze geschnitzt wurden. Sie stammen aus der Zeit vor 1900 und wurden wohl von Angehörigen Verstorbener gefertigt, die sich keinen Schreiner oder Maler leisten konnten. In der Regel sind die alten Totenbretter aus Tanne oder Fichte, also aus Weichholz. Denn der Volksglaube war, dass die Seele eines Toten erst dann Ruhe finden wird, wenn das Brett verfault ist. Deshalb ist auch bei vielen Totenbrettern die Inschrift kaum oder nicht mehr zu lesen und die Verzierungen sind verblasst oder nahezu unsichtbar. Im Bayerischen Wald hat sich der Brauch, Totenbretter aufzustellen, bis heute erhalten. Bei Wanderungen in dieser Region trifft man am Wegrand immer wieder auf sie. Heutzutage spricht man in der Regel von Gedenkbrettern. Im Lamer Winkel am Fuße von Osser und Arber bringen die örtlichen Vereine, etwa der Trachten- oder Heimatverein, noch heute Gedenkbretter für verstorbene Mitglieder an. So zieren alte und neue Kunstwerke diese ländliche Region. (Eva Meier)

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