Das bayerische Handwerk hat bei einem Treffen der Kammern mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angemahnt, Reformen im Bund schnell umzusetzen. „Der Koalitionsvertrag enthält viele gute Ansätze. Damit die Konjunktur wieder Fahrt aufnimmt und die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe gestärkt wird, muss die Bundesregierung das Reformtempo anziehen“, betont Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT) und der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern. In folgenden Bereichen ist der Handlungsdruck besonders hoch:
Bürokratieabbau
„Die überbordende Bürokratie führt dazu, dass sich unsere Betriebe bei der Nachfolgesuche immer schwerer tun. Wenn die Bundesregierung und die EU z.B. Berichts- und Nachweispflichten im Rahmen eines Sofortprogramms umfassend reduzieren, dürfte das Übernehmer bestehender Betriebe motivieren“, sagt Peteranderl. Zudem sollen Praxis-Checks bei Gesetzesvorhaben angewendet und der „once-only“-Grundsatz stärker beachtet werden. Dabei müssen Bürger und Unternehmen ihre Daten und Nachweise nur einmal vorlegen, wenn sie Verwaltungsleistungen beantragen. Wichtig ist für das Handwerk außerdem, dass das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im Bund sowie die Bonpflicht schnell abgeschafft, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vereinfacht und die Zahl der schriftlich benannten Betriebsbeauftragten, die sich im Unternehmen um Aufgaben im Bereich Arbeits- und Umweltschutz kümmern, reduziert werden.
Energiepolitik
Der BHT-Präsident: „Bayerns Handwerksbetriebe brauchen dauerhaft niedrige und planbare, international wettbewerbsfähige Energiekosten.“ Die vorgesehene Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß und die Reduzierung der Umlagen und Netzentgelte sind wichtige erste Schritte, um alle Verbraucher um mindestens 5 ct/kWh zu entlasten. Bei der Ausweitung der Strompreiskompensation auf weitere Branchen muss die Bundesregierung sicherstellen, dass alle Handwerksberufe berücksichtigt werden.
Steuerpolitik
„Das Handwerk ist in erster Linie von der Binnennachfrage abhängig. Um diese anzukurbeln, muss die geplante Steuersenkung auf kleine und mittlere Einkommen schon in der ersten Hälfte der Legislaturperiode kommen. Um die Leistungsträger zu belohnen, sollte auch eine Steuerentlastung auf höhere Einkommen geprüft werden“, fordert Peteranderl. Das bayerische Handwerk regt an, mit der schrittweisen Senkung der Körperschaftsteuer schon vor 2028 zu beginnen. Die Einführung einer degressiven Abschreibung von 30 Prozent auf Ausrüstungsinvestitionen bis Ende 2027 wird positiv beurteilt. Ebenso wichtig ist die Verbesserung des Optionsmodells und der Thesaurierungsbegünstigung, um einkommensteuerpflichtigen Unternehmen eine rechtsformneutrale Besteuerung zu ermöglichen.
Soziale Sicherung
Der BHT-Präsident: „Um Betriebe und Beschäftigte im Handwerk zu entlasten, muss die Summe der Beitragssätze zur Sozialversicherung wieder dauerhaft auf unter 40 Prozent gesenkt werden.“ Die Ergebnisse der „Kommission zur Sozialstaatsreform“ müssen schnell umgesetzt werden, um die gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen durch strukturelle Reformen zukunftsfest zu machen. Das Vorhaben, Selbstständige besser fürs Alter abzusichern, begrüßt das bayerische Handwerk.
Arbeitsmarkt und Fachkräftesicherung
„Der Übergang von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit muss ebenso zeitnah kommen, wie steuerliche Anreize für Mehrarbeit und freiwilliges, längeres Arbeiten von Rentnern“, erklärt Peteranderl. Bei der elektronischen Arbeitszeiterfassung braucht es spürbare Entlastungen für kleine und mittlere Unternehmen. Die Mindestlohnkommission muss gestärkt und politische Einmischungen zurückgefahren werden. Damit qualifizierte ausländische Fachkräfte schneller eine Arbeitsgenehmigung erhalten, muss bei der Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen auf die bewährten Strukturen und Prozesse in den Handwerkskammern zurückgegriffen werden. Gleichzeitig gilt es, das hohe Niveau der deutschen Berufsabschlüsse zu wahren.
Berufliche Bildung und Handwerksförderung
Der BHT-Präsident: „Wir brauchen eine ‚Bildungsmilliarde‘, um einen Investitions- und Modernisierungsschub in der beruflichen Bildung auszulösen.“ Der Investitionsstau in den Bildungsstätten des Handwerks liegt mittlerweile bei über 3 Milliarden Euro. Um diesen zeitnah abzubauen, werden 250 Millionen Euro pro Jahr an staatlichen Zuschüssen benötigt. Für die Durchführung der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung (ÜLU) sollte der Bund 100 Millionen Euro pro Jahr für die Sicherstellung der Drittelfinanzierung bereitstellen. Betriebsübergaben und Existenzgründungen verstärkt zu fördern, ist aus Sicht des Handwerks sinnvoll.
Investitionsoffensive und Wohnungsbau
„Massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur sind dringend notwendig. Die Mittel dürfen aber ausschließlich zweckgebunden fließen. Planung und Auftragsvergabe müssen schnell, koordiniert und unbürokratisch ablaufen“, so Peteranderl. Eine grundsätzliche Überarbeitung von Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und (Verwaltungs-)Verfahrensrecht ist absolut notwendig. Der angekündigte „Wohnungsbau-Turbo“ sollte rasch kommen, begleitet von grundlegenden Reformen zur Baubeschleunigung.
(BSZ)
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