Die bayerischen Sparkassen sind zufrieden mit ihren Geschäften im ersten Halbjahr 2022. Die bei den kommunalen Kreditinstituten hinterlegten Einlagen betragen derzeit 192,6 Milliarden Euro (– ein Prozent), das Kreditvolumen konnte auf knapp 165,6 Milliarden Euro (+ 3,6 Prozent beziehungsweise + 5,7 Milliarden Euro) ausgebaut werden. Im Kreditneugeschäft mit Firmenkunden und Privatpersonen sprachen den Sparkassen deutlich mehr Kunden ihr Vertrauen aus als im gleichen Vorjahreszeitraum. Auch das private und gewerbliche Immobiliengeschäft der bayerischen Sparkassen lief in den ersten Monaten weiter auf Hochtouren. „In Krisenzeiten kommt es vor allem auf das Vertrauen an. Das war in der Finanzkrise so und auch in der Pandemie – genauso ist es jetzt in der Energiekrise und der Inflation. Die Menschen wissen, dass die Sparkassen stabil sind und mit Krisen umgehen können“, betonte Ulrich Reuter, Präsident des Sparkassenverbands Bayern.
Während Sichteinlagen und Spareinlagen von nahezu allen Kundengruppen abgebaut werden, sind gleichzeitig Zuflüsse bei Termingeldern (+ 28,3 Prozent) vor allem von Unternehmen und öffentlichen Haushalten zu verzeichnen, erklärte Vizepräsident Roland Schmautz. Der Anteil der täglich fälligen Verbindlichkeiten an den Gesamteinlagen beträgt bei den 61 bayerischen Sparkassen aber noch immer fast 80 Prozent.
Das private und gewerbliche Immobiliengeschäft der bayerischen Sparkassen läuft laut Schmautz noch immer auf Hochtouren. In den ersten sechs Monaten haben sie 7,7 Milliarden Euro an neuen Darlehen im privaten Wohnungsbau zugesagt. Das sind noch einmal 600 Millionen Euro beziehungsweise 8,5 Prozent mehr als im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres. Das Kreditvolumen im privaten Wohnungsbaukreditgeschäft nahm trotz schnell ansteigender Bauzinsen um 3,1 Prozent zu und betrug zum Halbjahr 62,4 Milliarden Euro. „Das Tempo, mit dem die Zinswende eintrat und die Zinsen für Baufinanzierungen auf über drei Prozent anzogen, war enorm. So etwas haben wir alle noch nicht erlebt.“
Viele Bauwillige hätten gerade noch die letzte Phase der im Langzeitvergleich noch immer niedrigen Bauzinsen mitgenommen, die Dynamik werde aber inzwischen durch Lieferengpässe und Preissteigerungen beim Bau gebremst, so der Vizepräsident des Sparkassenverbands Bayern.
Noch stärker als im Privatbereich zeigte sich im ersten Halbjahr die Dynamik in der gewerblichen Wohnungsbaufinanzierung: Hier konnten die Sparkassen trotz Ende des Immobilienbooms neue Darlehen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro zusagen, eine Steigerung gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 23 Prozent. Für den Bausektor rechnet Schmautz allerdings mittelfristig mit deutlichen Rückgängen infolge der Zinswende und der jüngsten Zinsentscheidung der EZB.
Der Kreditbestand der Unternehmenskunden wuchs in den ersten sechs Monaten 2022 um vier Prozent (3,4 Milliarden Euro) auf 89,3 Milliarden Euro an. Das Kreditneugeschäft mit Firmenkunden nimmt im Vergleichszeitraum seit Jahren zunehmend um acht bis neun Milliarden Euro jährlich zu und steigt jetzt nach einem im Vergleich zum Corona-bedingten Rekordjahr 2020 schwächeren 2021 sogar auf ein neues Rekordniveau von elf Milliarden Euro (+ 21 Prozent) an. Schmautz vermutet: „Diese besonders starke Kreditnachfrage im ersten Halbjahr dürfte allerdings auch aus Vorzieheffekten in Erwartung steigender Zinsen resultieren. Wir müssen damit rechnen, dass die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in der kommenden Zeit angesichts steigender Zinsen und rohstoffbedingten Produktionsengpässen eher abnimmt.“
Auch die Privatkunden bewiesen im ersten Halbjahr wieder großes Vertrauen zu ihren Sparkassen, so Schmautz. Sie nahmen wieder fast so viele Kredite in Anspruch wie im entsprechenden Zeitraum der beiden Vorjahre, in denen die Nachfrage trotz Pandemie deutlich gewachsen war. Der Kreditbestand von Privatpersonen wuchs um 2,9 Prozent auf 68,3 Milliarden Euro. Auch die neuen Darlehenszusagen an Private lagen auf hohem Niveau (+ acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr), wenn auch das Wachstum deutlich unter dem der beiden ersten Corona-Jahre liegt. Treiber des Wachstums sind aber nach wie vor Finanzierungen rund um den Kauf oder die Sanierung von Wohneigentum (+ 8,5 Prozent). Der Vizepräsident gab zu bedenken: „Wir müssen uns aber demnächst darauf einstellen, dass die Privatkunden, von denen manche um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes bangen und von denen viele mit großer Unsicherheit dem kommenden Winter entgegensehen, in ihrer Kreditnachfrage eher abwarten werden.“
Daneben reduzierten die privaten Kunden ihre Einlagen bei den bayerischen Sparkassen in den ersten sechs Monaten geringfügig um 307 Millionen auf 150,3 Milliarden Euro. Aufgelöst wurden vor allem Spareinlagen, die zum Teil allerdings wieder in Wertpapierkäufe investiert wurden. Schmautz rechnet bei der auch absehbar hohen Inflation mit weiteren Abflüssen: „Höhere Energiepreise und Lebenshaltungskosten werden manche Kunden dazu bringen, nicht nur weniger zu sparen, sondern sogar ihre Ersparnisse einzusetzen.“
Der Wertpapierumsatz der Sparkassen ist seit Jahresbeginn um mehr als neun Prozent gesunken, denn die Kunden verkauften weniger Papiere als sie neu ins Depot nahmen. Der Nettoabsatz ist daher in den ersten sechs Monaten um + 40 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro gestiegen, die Kunden haben also deutlich mehr Wertpapiere – insbesondere Investmentfonds und Aktien, und wieder deutlich mehr festverzinsliche Wertpapiere – ge- als verkauft.
Angesichts der komplexen und mit vielen Unsicherheiten behafteten Situation mit Blick auf Zinsentwicklung, Inflationsverlauf und die konjunkturelle Entwicklung können zwangsläufig auch Prognosen über das Ergebnis der Sparkassen im weiteren Jahresverlauf nur sehr vorläufig getroffen werden, erklärte Reuter. Das operative Geschäft ist 2022 für die bayerischen Sparkassen bislang sehr zufriedenstellend verlaufen, der Zinsüberschuss und das Bewertungsergebnis hängen jedoch stark von den Entwicklungen im weiteren Jahresverlauf ab.
Mit der Zinswende werden Einlagen für die Sparkassen auf Sicht wieder teurer. Gleichzeitig werde der Zinsertrag nicht im gleichen Maß steigen, denn viele Engagements der Sparkassen verlieren an Wert, so der Sparkassenpräsident. Kredite, die in den vergangenen Jahren zu sehr günstigen Konditionen vergeben wurden, werden die Risikokosten der Sparkassen bereits in absehbarer Zeit belasten. Auch aus den Anlagen der Sparkassen, die regelmäßig aufgrund des Einlagenüberhangs aber auch aufgrund aufsichtsrechtlicher Verpflichtungen getätigt wurden, entstehen Belastungen: Beispielsweise bleiben null- oder negativverzinste Bundesanleihen im Bestand, sind aber deutlich abgewertet.
Die Sparkassen erwarten derzeit, dass ihr Zinsertrag stärker sinkt als der Zinsaufwand und prognostizieren so einen weiteren Rückgang des Zinsüberschusses für das Gesamtjahr 2022. Das Provisionsergebnis prognostizieren die Sparkassen für 2022 als gleichbleibend zu 2021, den Verwaltungsaufwand leicht sinkend, erklärte Reuter. „Insgesamt dürfte das Betriebsergebnis vor Bewertung auf dem Niveau von 2021 liegen.“
Im Verlauf der weiteren Entwicklung müssen die Sparkassen jetzt außerdem – zum ersten Mal seit zehn Jahren – wieder mit Kreditausfällen rechnen, befürchtet Reuter. „Größeren Korrekturbedarf im Kreditportfolio sehen wir derzeit nicht; die Zahl der Einzelfälle dürfte indes wieder steigen. Wir machen uns Gedanken über eine mögliche drohende Rezession. Vor dem Hintergrund der aktuellen Produktions- und Beschaffungsschwierigkeiten werden wir daher bei den Wertberichtigungen noch vorsichtiger planen als in den beiden Pandemiejahren, die aber unerwartet wenig Auswirkungen hatten. Jetzt wird sich zeigen, wie stark sich zum Beispiel möglicherweise ausbleibende Gaslieferungen aus Russland auf unsere Firmenkunden und die Ausfallrisiken im Kreditgeschäft auswirken.“
Die bayerischen Sparkassen haben in den zurückliegenden Jahren mit Kosten- und Effizienzprogrammen auf die Herausforderungen der Nullzinsen reagiert und parallel ihre Leistungsfähigkeit in der Flüchtlings- und in der Corona-Krise bewiesen. „Damit gehen sie gestärkt in eine mögliche nächste Krisenphase. Sie verfügen über genügend Eigenkapital-Substanz, um ihre Aufgaben verlässlich zu leisten – die bayerischen Sparkassen sind stabil. Derzeit sieht es noch danach aus, dass wir insgesamt mittelfristig weniger unter der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung leiden, als wir von der Zinsentwicklung profitieren werden“, zeigte sich Reuter mit Blick auf die bevorstehenden Monate optimistisch.
Der Sparkassenpräsident kritisierte mit Blick auf die Zinsentwicklung und Inflation auch die zögerliche Reaktion der Europäischen Zentralbank (EZB) in den zurückliegenden Monaten. „Sie ist leider spät dran mit dem Beschluss der vergangenen Woche, den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte anzuheben. Dabei gab es seit spätestens Mitte 2021 Anzeichen, dass das Inflationsziel deutlich verfehlt wird, dass die Preissteigerungen keine vorübergehenden Effekte sind. Es gab Energiepreissteigerungen schon vor dem Angriffskrieg in der Ukraine. Das Signal in den Markt hätte also schon vor einem Jahr erfolgen können, dann wäre die Zinswende dosierter und verträglicher gewesen. Die Heftigkeit, mit der etwa die Bauzinsen in 2022 in die Höhe schnellten, wäre also auch langsamer einzuleiten gewesen. Auch 14 Jahre Geldschwemme sind noch nicht vorbei, denn die EZB hat beim Anleihenankaufprogramm nicht beschlossen, das Geld wieder einzusammeln, sondern sie hat nur ihren Fuß leicht vom Gaspedal ge-nommen. Sie ist noch längst nicht im Bremsmodus, siehe auch das neue Kriseninstrument TPI. Wir brauchen jetzt stabile Signale der EZB, dass wir uns auf den Umschwung verlassen können. Der kräftige erste Aufschlag gegen die Inflation darf nicht dazu führen, dass die angekündigte zweite größere Erhöhung im September ausfällt.“
Mit steigenden Leitzinsen fallen auch die in der letzten Zeit eingeführten Verwahrentgelte bei den Sparkassen weg. „Verwahrentgelte gehören demnächst ins Kapitel Geschichte“, so Reuter. Er geht davon aus, dass ab der zweiten Jahreshälfte auch die Zahl der Sparkassen, die wieder verzinste Produkte anbieten, zunehmen wird. „Die Kunden werden sich aber noch gedulden müssen, bis sie mit einer nennenswerten Verzinsung rechnen können. Hier kommt es darauf an, mit welcher Taktung die EZB ihre Sätze anhebt.“
Mittelfristig stärkt die Rückkehr positiver Zinsen die bayerischen Sparkassen in ihrem Geschäft, denn damit ist der Weg zu einer Normalität im Zinsgeschäft vorgezeichnet, auf der ihr Geschäftsmodell basiert, betonte Reuter. Er blickt daher vorsichtig zuversichtlich in die kommenden Monate: „Die Normalisierung des Zinsgefüges ist die Basis, von der ausgehend wir allen anderen Herausforderungen begegnen. Ich rechne nicht damit, dass die EZB vor 2024 ihr Inflationsziel von zwei Prozent erreicht, denn die Inflation wird in Europa wesentlich durch die Energiepreise bestimmt. Ein immer noch möglicher Gaslieferstopp würde die EZB dabei vor neue Herausforderungen stellen und gegebenenfalls die Notwendigkeit zur Neubewertung ihrer Geldpolitik auslösen. Für die Sparer und für die Sparkassen kann die höhere Inflationsrate jetzt allerdings zumindest teilweise über höhere Zinsen ausgeglichen werden. Es bleibt nun zu hoffen, dass sich die Rezessionsanzeichen – und damit auch die zu erwartenden Folgen für das Bewertungsergebnis – nicht noch verstärken, so dass die EZB ihren neuen Zinspfad zügig weiterverfolgen kann.“ (Friedrich H. Hettler)
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