Die beiden benachbarten Landkreise Miesbach und Bad Tölz-Wolfratshausen wollen sich mit einer gemeinsamen Dachmarke besser vermarkten. Sie haben das Label „Münchner Oberland“ gewählt, um die Zusammenarbeit künftig zu verstärken. Bekannt wurde dies jetzt beim gemeinsamen Neujahrsempfang des Wirtschaftsforums Oberland (WFO) und der Standortmarketing-Gesellschaft Miesbach (SMG) in der Kreisstadt Bad Tölz des Landkreises Bad Tölz-Wolf-ratshausen.
Der Ort war bewusst gewählt, „denn er liegt genau gleich weit weg vom nördlichen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen und vom Landkreis Miesbach“, sagte WFO-Aufsichtsratsvorsitzender Reinhold Krämmel in seiner Begrüßung. „Wir sind schon gut vorangekommen. Und gemeinsam mit Ihnen wollen wir den Durchbruch schaffen“, motivierte Krämmel die rund 200 Zuhörer aus Politik, Wirtschaft, Kammern, Innungen und Verbänden. Als Vorbild nannte er das erfolgreiche Regionalmarketing im Allgäu oder in Tirol. Wer an das österreichische Bundesland denke, habe sofort das rot-weiße Logo „Tirol“ vor Augen.
Wettbewerb um Aufmerksamkeit, Reputation und Budgets
„Die Marke ‚Münchner Oberland’ finde ich spitze“, lobte Robert Trasser, ehemaliger Markenbeauftragter der Tirol-Werbung, heute selbstständiger, gerichtlich beeideter Sachverständiger für Markenfragen. Sie vereine das Beste aus beidem: Mit München verbinde man den Flughafen, den FC Bayern und mit dem Oberland einen Erholungsraum. Der Tiroler war Hauptredner des Treffens. Er referierte ebenso informativ wie fesselnd über „Regionalmarketing und Standortmarketing – Chancen und Risiken für das „Münchner Oberland“. „Wir stehen im Wettbewerb um Aufmerksamkeit, Reputation und Budgets – kurz gesagt: Es wird schwieriger“, betonte Trasser. Grund seien die vielen Reize in der Werbung und die Informationsflut durch Fernsehen, Computer, Tablet, Facebook & Co. „Der Mensch kann sich kaum noch zurechtfinden, zum Beispiel beim Überangebot von gleichwertigen Produkten im Supermarkt.“ Letztlich entscheide dann dort doch der Preis – „Geiz ist Geil“.
Und doch wählten die Käufer oder Kunden bei manchen Produkten, obwohl sie absolut gleichwertig seien, die „stärkere Marke“. Als Beispiel nannte er die identischen Vans Ford Galaxy 1,9 Liter TDI, VW Sharan 1,9 Liter TDI und Seat Alhambra 1,9 Liter TDI. „Der bundesdeutsche Absatz im Jahr 2001 betrug für den Ford, der 24.100 Euro kostete, 21.110 Stück, für den VW, der 25.950 Euro kostete, 28.977 Stück und für den Seat 6814 Stück, obwohl er nur 24.590 Euro kostete.“ Die Kunden hatten also den VW Sharan trotz des höchsten Preises gewählt.
Positive Vorstellungsbilder im Kopf
Wie aber gelingt es, doch eine Marke erfolgreich zu platzieren? „Marken sind fest verankerte, unverwechselbare positive Vorstellungsbilder im Kopf des Kunden über ein Unternehmen, ein Produkt, eine Person oder – eine Region.“ Für letzteres nannte er unter anderem die Stadt Rom, die jeder sofort positiv mit dem Kolosseum, dem Papst und dem Petersplatz verbinde; auch die Produkte von McDonald’s oder Nike erkenne man mit ihren die Logos sofort. Allerdings müsse man unterscheiden zwischen Bekanntheit und Begehrtheit. „Es gibt Orte, die sind bekannt, aber nicht begehrt: Würden Sie sich freuen, wenn ich Ihnen eine 14-tägige Reise nach Fukushima oder Tschernobyl schenke?“
Ideal wären hohe Bekanntheit und hohe Begehrtheit (Star-Brand). Die Bekanntheit der Region Tölzer Land/Miesbach sei groß, allerdings müsse an der Begehrtheit noch gearbeitet werden. Um dies zu erreichen, könne man eine Region auch führen wie ein Unternehmen. Die Hauptaufgaben für das Standortmarketing wären dann die Bündelung von Leistungen durch ein Netzwerk von Partnern, bestehend aus Tourismus, Institutionen, Landwirtschaft, Industrie, Sport/Kultur, Medizin und Events. „All diese Branchen sind Teil des Netzwerks „Münchner Oberland.“ Koordinationsaufgabe sei nun die die Markenführung. Es müssten marktfähige Einheiten geschaffen werden: „Denn Kunden orientieren sich an Standorten, nicht an Verwaltungsgrenzen.“
Mehr als Logo und Slogan
Sein Fazit: Die Gestalt einer Region, einer „Standort-Marke“, sei mehr als Logo und Slogan. Standortpolitik bedeute: „Vernetzung + Vernetzung + Vernetzung“. Standortpolitik ohne Koordination hingegen sei sinnlose Geldvernichtung. Aufgabe sei die Gestaltung einer stimmigen Erlebniswelt, in welcher der Gast oder Kunde das Markenversprechen erleben kann. Industrie, Event, Landwirtschaft, Institutionen, Tourismus müssten immer gestalthaft und bildhaft als eine wirklich erkennbare Teilmenge der Standort-Marke erscheinen, damit allen Menschen klar würde, dass es sich immer um einen Teil der Marke handelt. Nur so finde eine Erweiterung der Marke statt. Sein Rat: „Brennen Sie für das ‚Münchner Oberland’ – dann können Sie auch bei anderen das Feuer entzünden.“
Die gewonnen Erkenntnisse wurden anschließend von Landrat Josef Niedermaier, Freie Wähler, (Bad Tölz-Wolfratshausen,) Landrat Wolfgang Rzehak, Bündnis 90/Die Grünen, (Miesbach), Reinhold Krämmel sowie Alexander Schmid Standortmarketing-Gesellschaft Miesbach (SMG) mit Robert Trasser auf dem Podium und mit den Gästen im Saal diskutiert. Die beiden Landräte sind ebenfalls von einer Zusammenarbeit überzeugt: „Ich wünsche uns im ‚Münchner Oberland’ ein super Jahr. Packen wir die Idee 2016 an!“, so Niedermaier. Und Rzehak erklärte, die Marke könne dazu dienen, die Konflikte zwischen den Tourismusverbänden in seinem Kreis zu lösen. „Es geht nicht um den Schliersee oder den Tegernsee. Es geht darum, das ‚Münchner Oberland’ gemeinsam zu verkaufen.“ Hier könnten Tölzer Land und Miesbach Defizite gegenseitig ausgleichen und voneinander profitieren. Trasser gab ihm Recht: Alle Beteiligten müssten sich mit der übergeordneten Marke identifizieren. „Ein Ötztaler ist immer ein Ötztaler und ein Zillertaler ein Zillertaler. Aber am Ende eines Tages sagen sie doch: ‚Wir sind alle Tiroler’.“
(Sabrina Schwenger)
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