Wirtschaft

Im öffentlichen Dienst soll Personal eingespart werden. (Foto: dpa/Ulrich Perrey)

18.01.2024

"Bürokratie abbauen und Verfahren digitalisieren"

Rainer Nachtigall, Vorsitzender des Bayerischen Beamtenbunds, über Stellenstreichungen und die Bedeutung einer effizienten Verwaltung für den Wirtschaftsstandort Bayern

Die fetten Jahre mit sprudelnden Steuereinnahmen sind auch in Bayern vorbei. Als Konsequenz aus der enger gewordenen Finanzlage hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Abbau mehrerer Tausend Stellen in der Verwaltung in Aussicht gestellt.

BSZ: Herr Nachtigall, was bedeuten die angekündigten Stellenstreichungen für die Wirtschaft im Freistaat und somit für den Wirtschaftsstandort Bayern?
Rainer Nachtigall: Das ist angesichts der pauschalen Ankündigung, 5000 Stellen streichen zu wollen, schwer zu sagen. Klar ist aber, dass die effizient funktionierende Verwaltung schon seit jeher ein wichtiger Pluspunkt des Wirtschaftsstandorts Bayern war, der nicht gefährdet werden darf. Deswegen muss für uns das vorantreiben von Bürokratieabbau und Digitalisierung, bis hin zum Einsatz von künstlicher Intelligenz an erster Stelle stehen. Zukunftsvisionen brauchen einen öffentlichen Dienst, der diese trägt. Das funktioniert nicht, wenn er als reines Sparpotenzial gesehen wird.

BSZ: Welche Dienstleistungen können dann nicht mehr angeboten werden?
Nachtigall: Noch ist ja nicht bekannt, in welchen Bereichen die Stellen tatsächlich eingespart werden sollen. Aber natürlich muss mit den vorhandenen Ressourcen gearbeitet werden. Wenn einerseits neue Prozesse eingeführt und andererseits vorhandene Vorschriften auf ihre Notwendigkeit hin geprüft werden sollen, verursacht das – bei allen Vorteilen auf lange Sicht – zunächst einmal eine Mehrbelastung. Bei gleichzeitigen Stellenstreichungen haben die Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf, dass man ihnen sagt, auf welche Leistungen sie zukünftig verzichten müssen. Bedenkt man, dass von den Stellenstreichungen die großen Bereiche Bildung und Polizei ausgenommen sind, könnte es im restlichen öffentlichen Dienst ganz schön eng werden.

BSZ: Was müsste passieren, damit das hohe Niveau der Verwaltungsdienstleistungen für die Wirtschaft erhalten bleibt?
Nachtigall: Mein Ziel wäre nicht das Erhalten des Niveaus, sondern ganz klar eine deutliche Verbesserung. Das ist es, wofür der bayerische öffentliche Dienst steht und was ihn ausmacht. Ich denke Digitalisierung und Entbürokratisierung, hin zu einer Verwaltung auf dem aktuellen Stand der Technik mit schnellen Leistungen und überschaubaren Verwaltungsverfahren, sind hier der richtige Weg.

BSZ: Hat der Bayerische Beamtenbund konkrete Vorschläge für die Entbürokratisierung? Sprich, welche Vorschriften könnte man streichen?
Nachtigall: Da werden wir uns natürlich schnellstmöglich mit unseren 55 Mitgliedsverbänden aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes in Verbindung setzten. Der Ministerpräsident hat ja angekündigt, hier eine eigene Kommission einsetzen zu wollen. Das werden intensive Arbeiten, an denen die Beschäftigten, als diejenigen, die vor Ort mit den Vorschriften ihr Tagesgeschäft erledigen müssen, natürlich beteiligt werden müssen.

BSZ: Nehmen die angekündigten Stellenstreichungen jetzt den Druck aus dem Personalmangel, unter dem die öffentliche Verwaltung im Freistaat leidet?
Nachtigall: Das wäre ja nur der Fall, wenn die Stellen tatsächlich überflüssig wären. Heute sind sie das zumindest noch nicht. Und gerade für die angestrebten Projekte brauchen wir qualifizierte Nachwuchskräfte, die gerne im öffentlichen Dienst sind und hier ihre Perspektive sehen. Es geht ja nicht nur um „Stuhl frei“, „Stuhl besetzt“. Uns muss wichtig sein, wer auf jedem Stuhl sitzt!

BSZ: Wie kann unter diesen Rahmenbedingungen noch Nachwuchsgewinnung stattfinden?
Nachtigall: Wir bemühen uns – auch gemeinsam mit dem bayerischen Staatsministerium der Finanzen – seit Jahren darum, dass das Image des öffentlichen Dienstes auch unserer täglich gelebten Welt gerecht wird. Wir wollen, dass Bewerber sehen, wie interessant die Arbeit im öffentlichen Dienst ist, welche Chancen sie bietet und wie viel Raum sie auch für persönliche Entfaltung bietet. Ankündigungen, wie die des Ministerpräsidenten, sind da eher kontraproduktiv.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

Kommentare (1)

  1. Rudi Seibt am 20.01.2024
    Oh dieses Langzeitthema. BayernsRegierung hat schon Ewigkeiten "digital" auf den Lippen (Laptop und Lederhose), aber nix geht voran. Alle in Industirie und Handwerk wissen um das Problem "Schnittstelle", trotzdem hat jede Komune ihren eigenen Softwaretraum. Es gibt "Modellgemeinden", die nix weiter bringen, noch nicht mal ihren Räten Bauantragsunterlagen digitalk zur Verfügung stellen, weil die Baugesetze Papier zum stempeln verlagen auch wenn die Architekten schon seit 30 Jahren digital zeichnen. Den Führerschein online beantragen? Ja 1x im Leben. Auto ummelden? Ja alle 10 Jahre.
    Haupthindernis ist für die meisten Beamten die Definition von "schriftlich" aus dem BGB §126.
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