Wirtschaft

Wer Solarstrom einspeist, bekommt diesen vergütet. Eine Pflicht, diesen Strom zu liefern und damit zur Versorgungssicherheit hierzulande beizutragen, hat er nicht. (Foto: Bilderbox)

24.12.2010

Der Gesetzgeber ist gefordert

Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft will Einspeiser von regenerativ erzeugtem Strom in die Versorgungspflicht nehmen

Die bayerische Stromversorgung befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Überall im Land entstehen Photovoltaikanlagen, Biogasanlagen und Windparks. Sie alle werden nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) über die so genannte EEG-Umlage gefördert. Der Erfolg des EEG ist spektakulär, was viele Experten lange Zeit für nicht möglich hielten. Allein in Bayern werden aktuell knapp 300.000 Anlagen nach dem EEG gefördert. Die EEG-Umlage beträgt 2011 zirka 3,5 Cent für jede Kilowattstunde. Sie wird von den Stromverbrauchern getragen und macht 2011 fast 15 Prozent der Stromrechnung eines privaten Haushaltes aus. Der Staat bleibt bei der Förderung außen vor. Er verdient allerdings ordentlich an der Mehrwertsteuer, die auf die EEG-Umlage noch oben drauf kommt.
Der allergrößte Anteil der neuen und privilegierten Erzeugungskapazitäten (Anschluss- und Einspeisevorrang vor allen anderen Anlagen) sind private Photovoltaikanlagen. Sie können nicht der öffentlichen Versorgung zugerechnet werden. „Es besteht Handlungsbedarf, diese Anlagenbetreiber neben Rechten auch stärker mit Pflichten auszustatten, denn sie beteiligen sich in erheblichem Umfang am komplexen System der Stromversorgung unseres Landes“, stellt Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW), fest.
Erneuerbare Energien decken 25 Prozent des Stromverbrauchs in Bayern
Nach Schätzungen des VBEW decken die erneuerbaren Energien inzwischen über 25 Prozent des Stromverbrauchs in Bayern. Lag 1996 die Jahreshöchstlast in Bayern bei zirka 10.500 Megawatt (MW), ist sie bis 2009 auf rund 11.000 MW gestiegen. 1996 wurden 9,2 Prozent der Jahreshöchstlast von rund 4000 Wasserkraftwerken und 91,4 Prozent aus etwa 25 großen Wärmekraftwerken gedeckt. „Dies garantierte eine hohe Einplanbarkeit der Leistungsbereitstellung“, betont der VBEW-Geschäftsführer.
Im Jahr 2009 lagen die Deckungsbeiträge zur gesicherten Leistungsbereitstellung etwa auf dem Niveau von 1996, so Fischer. Hinzu kamen aber größtenteils ungesichert über 800 MW durch rund 3000 Biomassekraftwerke, über 450 MW durch etwa 380 Windkraftwerke und über 3800 MW durch zirka 200.000 Photovoltaikanlagen. „Das heißt, dass an Sonnentagen die Photovoltaik um die Mittagszeit zumindest rechnerisch einen erheblichen Teil der Netzlast deckt“, erklärt Fischer. Es komme zu Rückspeisungen ins Übertragungsnetz. Für Ende 2010 erwartet der VBEW eine an das bayerische Netz angeschlossene Photovoltaikanlagenleistung in Höhe von 5000 MW, die durch rund 275.000 Anlagen bereitgestellt wird.
Der Ausbau der Netze, wie er vielerorts auch sichtbar betrieben wird, helfe allein nicht weiter, um die Stromerzeugungsspitzen in den Griff zu bekommen. Es ergebe sich die technische Notwendigkeit, Speichertechnologien zu entwickeln. Neben großtechnischen Lösungen, wie beispielsweise durch Pumpspeicherkraftwerke, lasse sich Strom auch in Batterien speichern. Diese einzusetzen sei sehr teuer, wie Fischer an einer Musterrechnung verdeutlicht. Eine Photovoltaik-Dachanlage, die ein Maximum von 8 Kilowatt (kW) produzieren kann, liefere am Tag bis zu 48 Kilowattstunden Strom. Wollte man zwei Tagesproduktionen dieses Stroms speichern, müsste man 100 Batterien à einer Kilowattstunde anschaffen. Das bedeutet, dass zu der Investition von rund 20.000 Euro für die Photovoltaikanlage noch einmal zwischen 10.000 und 20.000 Euro für die Batterien hinzukämen.
Doch das seien nicht die einzigen Fragen, die einer Regelung bedürfen. Weit über 5000 MW oder rund 10 Prozent des bayerischen Stromverbrauchs werden durch Erzeugungseinheiten gedeckt, die nicht der öffentlichen Versorgung zuzurechnen sind. „Wie entwickelt sich das weiter?“, gibt der VBEW-Geschäftsführer zu bedenken:
• EEG-Anlagenbetreiber werden von den Stromverbrauchern gefördert, sind aber keine Energieversorgungsunternehmen und damit nicht gemäß § 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zur Versorgung verpflichtet. Das heißt, jeder Anlagenbetreiber darf seine Anlage fahren, wann und wie er will, er muss sich an keinem Fahrplanmanagement beteiligen. Er kann seine Anlage jederzeit vom Netz nehmen und auch wieder in Betrieb nehmen. „Ist das volkswirtschaftlich richtig?“, fragt Fischer.
• Die EEG-Anlagen unterliegen dem § 49 EnWG „Anforderungen an Energieanlagen“ und müssen entsprechend dem Stand der Technik errichtet, betrieben und gewartet werden. Aber jeder Grabstein auf dem Friedhof und jeder Kamin in Deutschland ist sicherheitstechnisch besser überwacht als die EEG-Anlagen. „Wer kontrolliert beispielsweise bei den Photovoltaikanlagen die korrekte Verankerung mit dem Dach nach vielen Jahren?“, merkt Fischer an.
• Weit über 250.000 natürliche und juristische Personen beteiligen sich inzwischen an der bayerischen Stromversorgung. „Wie stellt der Staat den Kontakt mit diesem Personenkreis sicher?“ fragt Fischer. Wer sich an der Energieversorgung beteilige, habe auch Verantwortung für die Versorgungs- und Anlagensicherheit.
Der VBEW fordert, das Energierecht, das bislang ausschließlich die Unternehmen der öffentlichen Versorgung im Fokus hatte, auf diese Entwicklungen hin zu überprüfen und soweit erforderlich anzupassen.
Doch damit nicht genug. Wind- und Photovoltaik-Strom haben geringe Kapazitätsdeckungseffekte bei gleichzeitig hoher installierter Leistung. Das geht aus Berechnungen der Ruhr-Universität Bochum hervor. So waren 2009 in Deutschland 26 Gigawatt Windstrom (+ 1,9 Gigawatt gegenüber dem Vorjahr) und 9,8 Gigawatt PV-Strom (+ 4 Gigawatt gegenüber dem Vorjahr) installiert. Die Last lag 2009 zwischen 40 und 80 Gigawatt. Die Berechnungen der Universität gehen von zwei möglichen Szenarien aus. Szenario 1: 31 Prozent der Stromerzeugung an der Gesamtnachfrage kommen aus Windkraft und Photovoltaik. Die maximale Restnachfrage liegt unverändert bei 79 Gigawatt. Szenario 2: 75 Prozent der Stromerzeugung an der Gesamtnachfrage kommen aus Windkraft und Photovoltaik. Die maximale Restnachfrage bleibt dennoch mit 78,3 Gigawatt nahezu konstant.
Es gibt wenig Spielraum für die Amortisation neuer Kraftwerke
Diese Untersuchung zeigt, dass weiterhin konventionelle Kraftwerke benötigt werden, es aber wenig Spielraum für die Amortisation neuer Kraftwerke gibt, die unter Marktbedingungen Strom erzeugen müssen: „Wer investiert in ein neues Kraftwerk, wenn er nicht weiß, wie viele Stunden es im Jahr betrieben werden kann?“, fragt Fischer. Könne es auf Dauer gutgehen, wenn eine massiv geförderte Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, deren Anteil stetig wächst, mit einer Stromerzeugung, die nach Marktbedingungen arbeiten muss, auf einem Markt zusammentrifft?
Und Fischer führt noch einen anderen kritischen Aspekt zu den derzeitigen Rahmenbedingungen zur Förderung der erneuerbaren Energien an. Während der ganz normale Stromkunde, der seinen Strom aus dem öffentlichen Netz bezieht, neben den Kosten für die Strombeschaffung, den Vertrieb und die Netzentgelte auch noch für die Umlage für die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die EEG-Umlage, die Konzessionsabgabe und die Stromsteuer zur Kasse gebeten wird, so muss der private Stromerzeuger für diese „Staatslasten“ nicht immer aufkommen. Dieser kann den mit seiner eigenen Photovoltaikanlage erzeugten Strom selbst verbrauchen und erhält obendrein noch eine Förderung aus dem EEG dazu. Er lasse sich seine vorteilhafte Position von allen anderen bezahlen, die nicht die Möglichkeit haben, eine Photovoltaikanlage auf das Dach zu bauen. „Dies stellt eine ordnungspolitische Schieflage dar“, kommentiert Fischer.
Die Einnahmen aus der EEG-Umlage – 2011 werden es voraussichtlich 13,5 Milliarden Euro sein – fließen als Förderung in die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Die KWK-Umlage (2010 etwa 410 Millionen Euro) fließt in die Förderung von Strom aus KWK und in Wärmenetze. Die staatlichen Einnahmen aus der Stromsteuer – 2009 waren es zirka 6,4 Milliarden Euro – dienen zu rund 90 Prozent der Stabilisierung der Rentenkasse. Die Konzessionsabgabe – 2009 waren es etwa 3,5 Milliarden Euro – trägt zur Stabilisierung der kommunalen Haushalte bei, verdeutlicht Fischer. Vom Staat verursachte Belastungen auf die Strompreise sind von allen zu tragen. Sonst drohe eine Zweiklassengesellschaft.
Insgesamt sieht der VBEW-Geschäftsführer die Stromversorgung derzeit vor ihrer größten Herausforderung seit dem Wiederaufbau nach 1945. Zwar sei die Stromversorgung seit 1998 liberalisiert, das sei aber – bis auf den Wettbewerb um die Stromkunden – nur auf dem Papier so. „De facto gibt es eine Häufung von staatlichen regulierenden Eingriffen und Lasten sowie Privilegien für Einzelgruppen wie nie zuvor“, moniert Fischer. Jeder, der sich an der Stromversorgung beteiligt, trage ein Stück Verantwortung für ein komplexes Gesamtsystem mit vielen Aspekten. „Bislang wurde sehr viel Ehrgeiz für Konzepte, die die Kosten der Stromversorgung erhöhen, entwickelt. Mindestens genauso viel Ehrgeiz wäre notwendig, die Kosten zu dämpfen“, postuliert er. Neben Amateuren brauche es vor allem Profis, die stets das energiepolitische Zieldreieck „Versorgungssicherheit – Preisgünstigkeit – Umweltverträglichkeit“ im Blick hätten.
(Ralph Schweinfurth)

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