Will man die Überhitzungseffekte im Großraum München lindern, müssen verstärkt Unternehmen raus aufs Land. Damit das funktioniert, braucht man aber passende Mobilitätsangebote. Der öffentliche Personennahverkehr muss massiv gestärkt werden, was die bayerische Staatsregierung auch vorhat. Doch hierfür sind Zentralismus, klare Befehlsstrukturen und ein Oberkommandierender gefragt. Das wurde beim Symposium „Bayern Mobilität 2030“, das der Bayerische Bauindustrieverband (BBIV) in Kooperation mit der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum im BBIV-Hauptquartier in München veranstaltete, mehr als deutlich.
BBIV-Präsident Josef Geiger schimpfte hierbei kräftig über seine Heimatregion Oberallgäu: „Zwischen Oberstdorf und Kempten wollten wir eine Regionalbahn etablieren. Doch da geht momentan gar nichts vorwärts.“ Schuld daran seien Uneinigkeiten zwischen dem Landkreis Oberallgäu und der kreisfreien Stadt Kempten. Richtig sauer ist Geiger auf Landrat Anton Klotz (CSU), der den Landkreis wieder aus dem Reigen der bayerischen Modellregionen der Staatsregierung für die Entwicklung zukunftsfähiger Mobilitätsangebote herausgenommen hat. Stattdessen rückte der Landkreis Cham nach.
Rufbus-System optimieren
Dort will man das Rufbus-System optimieren. „Das Problem ist, dass der Senior Hemmungen hat, den Rufbus zu bestellen. Doch wir müssen den Rufbus mit viel Geld bereithalten“, umriss ein Vertreter des Landratsamts Cham die aktuelle Situation. Deshalb wolle man im Rahmen des Modellprojekts ein Konzept erarbeiten, wonach zum Beispiel die Arztpraxis für die älteren Menschen den Bus bestellt, weil ein Untersuchungstermin ansteht. Somit rücke das Ziel in den Fokus für die Rufbusauslastung. Eine entsprechende Software, die alle Termine koordiniert, soll hierfür programmiert werden. Arzttermine, Behördengänge, Physiotherapietermine, Vereinstreffen, Kulturveranstaltungen und vieles mehr könnten im System hinterlegt werden und den einzelnen Personen zugeordnet werden. Somit erhöhe sich die Auslastung und damit die Rentabilität der Rufbuses.
Im Landkreis Bayreuth will man die ehrenamtlich betriebenen Bürgerbusse stärken. Dazu soll es in den Zentren der Kernorte rund um die zentrale Haltestelle Einkaufs- und Informationsmöglichkeiten geben. Auf diese Weise will man gerade das Fichtelgebirge und die Fränkische Schweiz besser an die Stadt Bayreuth anbinden.
Im Landkreis Berchtesgadener Land hingegen arbeitet man an der Etablierung des ersten grenzüberschreitenden Verkehrsverbunds in Deutschland. Idealerweise soll der Salzburger Verkehrsverbund um die Landkreise Berchtesgadener Land und Traunstein erweitert werden. Somit entstünde für die Bevölkerung und die Touristen ein attraktives Mobilitätsangebot, das auch möglichst viele Pkw-Fahrten vermeidet.
Zentralistisch agieren
All diese Modellprojekte werden vom bayerischen Verkehrsministerium unterstützt und sollen als Best-Practice einmal von anderen Landkreisen im Freistaat kopiert werden.
Ganz im Sinne zentralistischem Agierens müsste aber das bayernweit einheitliche Tarifsystem aufgebaut werden. Ein Ticket für sämtliche ÖPNV-Angebote inklusive den Zügen der Deutschen Bahn (DB) ist das Ziel, das Helmut Schütz, Amtschef des bayerischen Bauministeriums, formulierte.
Klaus-Dieter Josel, DB-Konzernbevollmächtigter für den Freistaat Bayern, zeigte anhand der Erfolge der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), dass eine zentrale Koordinierungsstelle entscheidend ist. Seit die BEG den Regionalverkehr in Bayern organisiert, boome dieser. „Der Freistaat hat 50 Prozent mehr Leistung bestellt und 70 Prozent mehr Kunden auf die Schiene gebracht“, verdeutlichte Josel. Allerdings betonte er auch, dass die Infrastruktur inzwischen überreizt ist. Damit hier für Abhilfe gesorgt wird, investiere die DB 1,3 Milliarden Euro ins Netz.
Aber nicht nur Investitionen ins Netz sind gefragt. Auch die Kommunikation und die Anschlüsse müssen verbessert werden. Das betonte Hermann Steinmaßl (CSU), Alt-Landrat des Landkreises Traunstein: „Wenn in Übersee der Zug verspätet ankommt, ist vor fünf Minuten der Bus nach Reit im Winkl abgefahren.“ Derartige Fehlleistungen führten dazu, dass die Menschen sich vom ÖPNV abwenden und lieber das Auto nehmen.
E-Mobilität ist gefragt
Aber genau das gilt es laut Manfred Miosga zu vermeiden. Der Inhaber des Lehrstuhls für Stadt- und Raumentwicklung der Universität Bayreuth und Mitglied der Enquete-Kommission „Gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Bayern“, die der Bayerische Landtag berufen hatte, betonte, dass es mit Blick auf den Klimawandel entscheidend sei, die De-Karbonisierung des Verkehrssektors entschlossen voranzutreiben. ÖPNV stärken und den Individualverkehr auf E-Mobilität umstellen, empfiehlt er.
Damit liegt er auf einer Linie mit Markus Ganserer, dem verkehrspolitischen Sprecher der Landtagsgrünen. Allerdings ist es für Ganserer glasklar, dass das Auto vor allem im ländlichen Raum nach wie vor entscheidend für die Mobilität der Menschen sein wird. Wegen der Erderwärmung müsse man aber auf alternative Antriebe setzen. „Und rund ein Drittel der bayerischen Bevölkerung hat gar kein Auto. Auch für diese Menschen brauchen wir Mobilitätsangebote“, so Ganserer.
Dieses Bekenntnis zum Auto freute BBIV-Präsident Geiger, der dafür plädierte, die Lücken im bayerischen Straßen- und Schienennetz zu schließen. Damit entsprechend viel gebaut werden kann, forderte eine Abkehr vom „Töpfe-Denken“. Vielmehr müssten sämtliche zur Verfügung stehenden Fördermitteltöpfe für ein Projekt zusammengenommen werden. „Nur so gibt es genügend Geld, um dringende Verkehrsprojekte schnell realiseren zu können“, betonte Geiger.
Alles in allem sehr vernünftige Vorschläge, wie Holger Magel, Präsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum, abschließend konstatierte. Wenn auch in der Sache hart gerungen werde, bestehe doch unter den Beteiligten hohes Vertrauen. Dieses sei Voraussetzung dafür, dass all die notwendigen Schritte zu einem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Freistaat inklusive der Etablierung eines bayernweit einheitlichen Tarifsystems für den ÖPNV gegangen werden können.
(Ralph Schweinfurth)
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