Wirtschaft

Um einen geplanten Güterzugtunnel (Symbolbild) zwischen Nürnberg und Fürth gibt es Streit. (Foto: dpa/Patrick Seeger)

04.11.2022

Die Betroffenen wurden nicht gefragt

Zwischen Nürnberg und Fürth-Nord wird ein für ganz Deutschland wichtiger Güterzugtunnel geplant

Bei der jüngsten, erst vor Ort öffentlich gemachten Anhörung zum für ganz Deutschland wichtigen neuen Güterzugtunnel zwischen Nürnberg und Fürth-Nord wurde klar und deutlich: Die Verantwortlichen der Deutsche Bahn AG glauben weiterhin, sie könnten zuerst planen, bevor sie sich mit den konkret Betroffenen unterhalten. 

Doch viele private Einwender*innen „sind sauer, weil sie keine Information bekommen“: Jochen Loy vom Bauernverband in Mittelfranken fasste zusammen, was viele denken. Denn das aktuelle Problem ist tatsächlich ein altbekanntes.

Zur Erinnerung: 2017 gab es eindeutige Urteile des Bundesverwaltungsgerichts BVerwG zuungunsten der Bahn zum S-Bahn-Verschwenk in Fürth. Bis heute ist deshalb offen, wie und wann die notwendigen S-Bahn-Gleise zwischen Fürth-Klinikum und Erlangen-Eltersdorf verlegt werden können. Die Stadt Fürth und andere Kläger hatten dargelegt, dass sie den Verschwenk aus verschiedensten Gründen als unsinnig empfinden. Und das BVerwG hat am 9. November 2017 den Planfeststellungsbeschluss (PFB) des Eisenbahn-Bundesamts (EBA) für rechtswidrig befunden; er „darf nicht vollzogen werden“. Das betrifft auch den Anschluss des Güterzugtunnels.

Personenverkehr entlasten

Eigentlich hätte man als Reaktion darauf erwarten können: Die unzähligen Firmen unter dem Dach der DB AG und beauftragte Ingenieurgesellschaften würden sich künftig kooperativer zeigen, wenn sie neue Strecken planen. Denn öffentlich ist zu hören, sie wollten diese Pläne ja zügig um- und durchsetzen. Gerade in und um Fürth.

Bestes Beispiel: der Güterzugtunnel unter der Stadt hindurch. Der ist nämlich längst überfällig. Immer noch müssen deshalb alle Güterzüge von Nürnberg Richtung Deutschlands Norden durch „Fürth Bayern Hbf“ geschleust werden. Genauso wie die Züge Richtung Nürnberg. Und so wird hier der Personennah- und Personenfernverkehr Tag und Nacht massiv behindert. Seit vielen Jahrzehnten.

Niemand bestreitet, die Bahnverantwortlichen würden sich nicht kümmern um die Verwirklichung des Güterteils im Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit VDE 8“. Jedenfalls laufen aktuell an einigen Orten Frankens gleichzeitig Planungen und Genehmigungsverfahren. Fakt ist aber auch: Es ist genau 30 Jahre her, dass die Bundesregierung dieses mit der Nummer 8 als eines von 17 VDE-Projekten im „Bundesverkehrswegeplan 1992“ beschlossen hat.

Andere Prioritäten beim Kümmern

Bis heute setzen die Bahnverantwortlichen beim Kümmern dabei offenbar andere Prioritäten, als Normalbürger*innen erwarten. Einer der Gründe ist das EBA. Denn zwar fand besagte Anhörung in der Stadthalle Fürth unter der Regie der Bezirksregierung von Mittelfranken statt. Doch der Freistaat hat – anders als beispielsweise bei Stromleitungen – nicht die Hoheit über das Planungsverfahren. Bei der Bahn ist das EBA die Behörde für die Raumordnung und sonstige Genehmigungen der Bahn in ganz Deutschland.

Es sollen EBA-Mitarbeitende bei der Anhörung in Fürth anwesend gewesen sein, wie Verhandlungsleiter Michael Fertl zu Beginn verkündete. Sie waren jedoch nicht öffentlich zu erkennen. Ob die EBA-Beamt*innen sich so leichter tun bei ihrer nun folgenden Aufgabe, die Einwendungen zu bewerten, als wenn sie erkennbar gewesen wären? Das wird sich zeigen, wenn sie den PFB zum Gütertunnel öffentlich machen.

Die Bahn-Leute wiederum haben sich bis zum jetzigen Planungsstand zumindest bei den privaten Einwendern und Betroffenen offenbar nicht um viel Transparenz und Kommunikation bemüht. Das machte die Aussage eines Grundstückseigners aus Fürth-Steinach deutlich. Der hatte nämlich nach eigenem Bekunden erstmals bei der Anhörung in der Stadthalle anhand einer Skizze erfahren, dass auf seinem Besitz ein Sickerbecken entstehen, die Fläche als Baustellenplatz genutzt werden soll. Reaktion der Bahnvertreter*innen: „Das Entschädigungsverfahren ist ein nachgelagertes Verfahren. Grundsätzlich soll schon jemand auf Sie zukommen.“ Das war selbst dem souveränen Oberregierungsrat Fertl zu viel: „Das Angebot hätte schon vor dem Antrag gemacht werden können“, kritisierte er das Bahn-Verhalten deutlich.

Apropos Entschädigung. Nach dem Motto „Und bist Du nicht willig, brauch ich Gewalt“ verkündeten die Eisenbahner*innen durch die Blume: Sollten sich Grundbesitzer nicht zum Verkauf bereiterklären, werde in letzter Konsequenz eben ein Enteignungsverfahren angestrengt. Dabei habe der Einheitskanzler Helmut Kohl einst versprochen: Bei VDE-Projekten werde nicht enteignet. Damit erinnerte jener Grundbesitzer an die Zeit der ebenfalls versprochenen „Blühenden Landschaften“.

Einwendungen eingereicht

Betroffen sind bei dem sechs Kilometer langen Tunnelprojekt sehr viele. Zum Beispiel jene Hausbesitzer, deren Gebäude oben drüber stehen. „Der Zustand der Gebäude wird durch Bahn-Gutachter festgestellt“, war bahnseits zu hören. Doch sind von dieser Seite bestellte Sachverständige wirklich neutral? Viele Anlieger hatten ohnehin „schon vor 17 Jahren Einwendungen eingereicht. Ich wusste nicht, dass ich das nochmals machen muss“, kritisierte einer die Bahn-Transparenz. Denn wie erwähnt: Die Tunnel-Planungen laufen schon lange, ohne dass vom Bau etwas zu hören und zu sehen war.

So hat inzwischen die Stadt Nürnberg im Tiefen Feld nahe des geplanten südwestlichen Tunnelportals ein großes Wohngebiet erschlossen. „Wie kann es sein, dass der Schallschutz von damals gilt, obwohl die rechtliche Tunnelplanung erst 20 Jahre später beginnt?“, fragte ein Vertreter der Nürnberger Verwaltung. Regierungsbeamter Fertl empfahl, „dem Rechtsamt diese Frage zu stellen“.
Aber zumindest mit den Kommunen und anderen Trägern öffentlicher Belange hatte die Bahn schon vor dem Beratungstermin gesprochen. Anders als mit den Privateinwendern. Ja, das sind sie: die Prioritäten. Und die versprochene Transparenz.

Doch zumindest bei der Erörterung in Fürth konnten sich die Bahn-Mitarbeitenden und ihre beauftragten Ingenieurfirmen nicht um die Gespräche mit den betroffenen Grundstücks- und Hausbesitzer*innen drücken. Und so musste der Termin auch von einem auf zwei Tage ausgeweitet werden.
(Heinz Wraneschitz)

 

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