Wirtschaft

Blick in einen Sitzungssaal im Landgericht Landshut. Dort hat die E-Akte bereits Einzug gehalten. (Foto: STMJ)

08.07.2016

Die E-Akte ist jederzeit für alle verfügbar

Bayern sichert sich mit seinem Vorsprung beim Thema E-Justice einen enormen Standortvorteil in Europa

Rechtssicherheit gilt international als entscheidender Standortfaktor für die Wirtschaft und die Bürger. Wenn das Justizsystem eines Landes also sich auf ins digitale Zeitalter macht, um noch effizienter Recht sprechen zu können, ist das nur zu begrüßen. Bayern ist hier auf einem sehr guten Weg, wenn man sich das Projekt E-Justice in der bayerischen Justiz ansieht. „Der Vorteil einer elektronischen Akte liegt auf der Hand: Sie ist jederzeit für alle Prozessebeteiligte verfügbar. Mehrere Personen können gleichzeitig daran arbeiten und das von jedem Ort aus, an dem sich ein WLAN-Anschluss befindet. Früher war die Akte dagegen nur für denjenigen einsehbar, bei dem sie sich gerade befand“, sagt Ministerialdirigent Thomas Dickert vom bayerischen Justizministerium und zuständig für Haushalt, Bau, IT, Organisation, Statistik und die Vertretung des Amtschefs, zur Staatszeitung. „Langfristig ist unser Ziel das papierlose Gericht“, so Dickert. Das E-Justice-Gesetz vom 10. Oktober 2013 gibt vor allem für die Zivil-, Familien- und Fachgerichte den elektronischen Rechtsverkehr ab dem 1. Januar 2018 verbindlich vor. Die Bundesländer können den Termin maximal um zwei Jahre hinausschieben. Ab 1. Januar 2022 sind Rechtsanwälte, Behörden und weitere professionelle Verfahrensbeteiligte verpflichtet, den elektronischen Rechtsverkehr zu nutzen.

Pilot- und Vorzeigeprojekt in Landshut


Im Freistaat ist das Landgericht Landshut laut Dickert das Pilot- und inzwischen Vorzeigeprojekt. Seit 1. Dezember 2014 wird dort der elektronische Rechtsverkehr praktiziert und seit März 2015 läuft dort auch die Pilotierung der elektronischen Akte. Dickert sieht die elektronische Akte als die natürliche Kehrseite des elektronischen Rechtsverkehrs; nur wenn die elektronischen Eingänge auch innerhalb des Gerichts elektronisch bearbeitet und die gerichtlichen Entscheidungen dann wieder elektronisch versandt werden, wird das Potenzial der Digitalisierung vollständig genutzt und werden aufwendige Medienbrüche vermieden. „Ab Oktober dieses Jahres werden alle Zivilkammern mit erstinstanzlicher Zuständigkeit des Landgerichts Landshut die führende E-Akte nutzen. In diesen Verfahren gibt es ab diesem Zeitpunkt keine Papierakten mehr“, erläutert Ministerialrat Walther Bredl, Leiter des Referats für Informations- und Kommunikationstechnologie im bayerischen Justizministerium. Er berichtet von einer hohen Akzeptanz der E-Akte bei den Richtern,Rechtspflegern und Servicekräften. Diese sei während des Projekts stetig gestiegen. Die noch vor zwei Jahren überall feststellbare ablehnende Haltung sei mittlerweile gewichen. Dieser Entwicklung hat die Pilotierung in Landshut die Türen geöffnet.

Ab 2018 sollen alle Gerichte in Bayern die E-Akte haben


2017 sollen dann die Landgerichte Coburg und Regensburg und bestimmte Senate des Oberlandesgerichts München (sie sind in Berufungsfragen des Landgerichts Landshut zuständig) mit der E-Akte ausgestattet werden. Ab 2018 sollen sukzessive alle 98 Gerichte und 25 Staatsanwaltschaften in Bayern mit ihren neun verschiedenen Verfahrensordnungen folgen. Insgesamt 1000 Sitzungssäle müssen mit der dafür nötigen elektronischen Infrastruktur bestückt werden. Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) betont angesichts der gigantischen Aufgabe: „Bei der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte in den Gerichten werden wir schrittweise vorgehen. Klar ist: Gründlichkeit und Sorgfalt haben Vorrang vor Schnelligkeit. Wir wollen nicht unbedingt die Ersten sein. Entscheidend ist vielmehr, dass wir es so gut machen, dass die Richter, Rechtspfleger und Servicekräfte gerne mit der elektronischen Akte arbeiten.“

Freistaat hat IT-Sicherheit aufgerüstet


Damit der elektronische Datenaustausch in den Gerichten sicher abläuft, hat die Justiz im Freistaat entsprechend aufgerüstet. Ein leistungsfähiges Datennetz, verschlüsselte Datenübermittlung und redundante Datenleitungen sorgen für höchste Sicherheit. Laut Bredl werden alle Daten außer im Rechenzentrum auch in lokalen Netzwerken, also direkt bei den Gerichten gespeichert. Das ist wichtig, falls einmal bei Bauarbeiten aus Versehen der Bagger die Datenleitung zerstört. Die lokalen Netzwerke synchronisieren sich automatisch mit dem Rechenzentrum. Auch dort werden die Daten mehrmals gesichert. Eine extra Firewall (betrieben vom Rechenzentrum Nord des Freistaats) um das Justiznetz schottet die Justiz vom bayerischen Behördennetz ab und sorgt für zusätzliche Sicherheit. „Die eigentliche E-Akte aber ist der Laptop des Richters; denn dort werden lokal nochmals alle Akten gespeichert, mit denen der Richter gerade arbeitet“, erläutert Bredl.

„Die Österreicher haben seit zehn Jahren den elektronischen Rechtsverkehr. Das hat ihnen viel Geld gespart. Aber sie hatten bisher noch nicht mit der elektronischen Akte gearbeitet. Daher haben sie die bayerische Lösung übernommen und sind – wie auch Berlin und Hamburg – in unser Projekt mit eingestiegen, an dem noch weitere Länder Interesse bekundet haben“, erläutert Ministerialdirigent Dickert die Erfahrungen mit der E-Akte aus dem Nachbarland. Er betont, dass Bayern in diesem Bereich im bundesweiten Vergleich sehr weit ist. Im benachbarten Baden-Württemberg habe man bisher vier Kammern bei Arbeitsgerichten und vier landgerichtliche Zivilkammern entsprechend ausgestattet. Und in Nordrhein-Westfalen laufe die E-Akte in einem speziellen Verfahrensbereich der Handelskammern. Die übrigen Länder seien noch in der Sondierungsphase.

„Wir waren vor Kurzem in den Niederlanden, um uns anzusehen, wie weit die mit dem elektronischen Rechtsverkehr sind. Denn uns wurde immer gesagt, die niederländische Justiz sei schon sehr viel weiter als wir. Aber dort gibt es auch nur zwei Pilotanwendungen, eine für einfache, kleine Strafverfahren und eine für Insolvenzverfahren“, berichtet Dickert etwas ernüchtert über den vermeintlichen Vorreiter. Aber diese Erfahrungen zeigen, dass Bayern ganz gut unterwegs ist und sich erneut als moderner und attraktiver Wirtschaftsstandort präsentieren kann.
(Ralph Schweinfurth)

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