Wirtschaft

Der Fachkräftemangel macht sich heute schon in bestimmten Bereichen der Wirtschaft bemerkbar. (Foto: dpa)

30.08.2017

Die einen sind zu alt für einen Job, den anderen fehlt das Fachwissen

Forscher: Deutschland droht bis 2040 großer Fachkräftemangel

Ohne schnelles Umsteuern droht der deutschen Wirtschaft nach Einschätzung von Arbeitsmarkt- und Bevölkerungsforschern langfristig eine große Fachkräftelücke. Allein bis 2030 könnte sich die Zahl der fehlenden Facharbeiter, Techniker, Forscher und medizinischen Fachkräfte auf bis zu 3,0 Millionen belaufen und bis 2040 gar auf 3,3 Millionen, geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des Basler Forschungsinstitut Prognos hervor. Politik und Wirtschaft verfügten aber über die "passenden Maßnahmen", um dies rechtzeitig zu verhindern, heißt es.

Das Bundeskabinett befasst sich an diesem Mittwoch mit der Sicherung der Fachkräfte in Deutschland. Dazu legt das Bundesarbeitsministerium einen Fortschrittsbericht 2017 vor. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagte der "Nordwest-Zeitung" (Mittwoch): "Stillstand und Nichtstun sind in Anbetracht des Wandels der Arbeit der Zukunft grob fahrlässig." Unter Berufung auf den Bericht des Ministeriums schreibt das Blatt, es seien hauptsächlich Gesundheits- und Pflegeberufe sowie technische Berufe, in denen akademische und nichtakademische Fachkräfte knapp seien.

Überalterung ist größtes Problem

Als Hauptgrund für den drohenden Mangel führt Prognos die zunehmende Überalterung der deutschen Gesellschaft an: "Im Zuge des demografischen Wandels wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den nächsten 10 bis 20 Jahren erheblich verschärfen", betont Studienautor Oliver Ehrentraut. Auch wenn man inzwischen nicht mehr mit einem so starken Schrumpfen der Bevölkerung rechne, die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter werde dennoch weiter kräftig sinken - um gut 10 Prozent bis zum Jahr 2040.

Hinzukomme, dass mit dem wachsenden internationalen Wettbewerb, anderem Konsumverhalten und der Digitalisierung in fast allen Wirtschaftsbereiche manche Berufe nach und nach an Bedeutung verlieren würden. Umgekehrt werde es an Menschen mit dem künftig dringend gefragten Fachwissen fehlen, so die Prognos-Wissenschaftler.

Nach der Vorhersage der Baseler Forscher werden etwa viele Sicherungs- und Überwachungstätigkeiten wegfallen. Auch Lastwagenfahrer und Packer müssten damit rechnen, dass ihre Arbeit künftig von Robotern und Automaten erledigt werde. Gleiches gelte für Buchhalter, Kreditsachbearbeiter und Immobilienmakler - elektronische Systeme dürften solche Berufe langfristig ersetzen. Dagegen werde es schon 2020, stärker aber bis 2030 einen Mangel an Managern, Forschern, Ingenieuren, Ärzten, Pflegern und medizinischen Assistenten geben, in geringem Umfang auch an Kreativen und Journalisten.

Bildungsoffensive ist nötig

Um die Fachkräftelücke zu verkleinern oder zu schließen, sprechen sich die Baseler Bevölkerungsforscher auch für eine "Bildungsoffensive" aus: Vor allem die berufliche Ausbildung müsse gezielt gefördert werden, um mehr jungen Menschen zu einem Berufsabschluss zu verhelfen. Bei der akademischen Ausbildung habe sich dagegen viel getan. Für Menschen im Berufsleben sei eine "effektivere Weiterbildung" erforderlich, die sie auf neue Jobs vorbereiten, die mit dem Einzug des Internets in den Fabrikhallen entstünden.

Zudem sollte Frauen und Männern nach einer Familienpause die Rückkehr in das Erwerbsleben erleichtert werden. Ältere sollten dazu motiviert werden, länger zu arbeiten. Mit beiden Maßnahmen könnte der drohende Arbeitskräftemangel langfristig um rund zwei Millionen Beschäftigte verringert werden. Schließlich sollten Teilzeitkräfte dafür gewonnen werden, ihre wöchentliche Arbeitszeit zu verlängern. In allen Szenarien ist bereits eine durchschnittliche jährliche Zuwanderung von 200.000 Migranten unterstellt. Angaben dazu, wie stark die zuletzt zugewanderten Asylbewerber gegen den Fachkräftemangel helfen können, ist in den Prognos-Szenarien nicht enthalten.

Die Bundesagentur für Arbeit hat sich noch nicht so dramatisch zum Fachkräftemangel geäußert. Ihre Denkfabrik, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), sieht derzeit noch keine eklatante Lücke, sondern spricht lediglich von Engpässen in einigen Branchen, etwa im Maschinen- und Autobau und der Informatik.
(Klaus Tscharnke, dpa)

Kommentare (1)

  1. rustyoldguy am 30.08.2017
    Von wegen Fachkräftemangel!

    Mit Weiterbildung oder Umschulungen als Arznei gegen Fachkräftemangel ist das so eine Sache. Ich selbst habe es an meinen ehemaligen Arbeitsplatz erlebt, das ein junger Mechatroniker in der Lehre sich mit verschiedenen Kursen weiter gebildet hatte. Das wurde aber von den Herrschaften im Büro nicht gerne gesehen. Nach der Lehre wurde er entlassen, obwohl er sehr intelligent war und begabt in seinem Beruf. Ich habe auch diese Erfahrung machen müssen. Anfang 2012 wurde ich in einem Berufsförderungswerk in der Nähe von Regensburg zum Qualitätsfachmann für Längenprüftechnik ausgebildet mit Erfolg: Notendurchschnitt im Schulabschlusszeugnis 1,37 IHK-Prüfung mit 92 Punkten, DGQ-Qualitätsassistent und -Fachkraft. Gerade was das Qualitätswesen in Deutschland angeht, in der Produktion, wird die BRD in Zukunft arg Federn lassen müssen. Das haben meine Erfahrungen gezeigt. Da hat der Autor dieses Artikels oben Recht, diese Misere ist hausgemacht.

    Heute arbeite ich als Hausmeistergehilfe.
    An meinen heutigen Arbeitsplatz habe ich sogar Bauingenieure und ausgebildete Umwelttechniker als Kollegen(!!!).

    Gerade kleinere bis mittlere Firmen können meiner Erfahrung nach die ganze Ausbildung und Leistung nicht einmal annähernd ausnutzen. Weder auf Grund der Personalstruktur noch finanziell. Gerade da macht sich auch sogenannte "Vitamin B" bemerkbar. Ältere bilden Seilschaften und lassen es eben nicht gerne zu, das gut ausgebildete jüngere Fachkräfte an ihnen vorbei ziehen..
    Alt her gebrachte Strukturen in Firmen lassen sich fast nicht erneuern. Auch nicht durch Heere von Fachkräften.
    Wer es bis zum 35ten Lebensjahr nicht geschafft hat, sollte von Weiterbildungsmaßnahmen die Finger lassen.
    Instinktiv merken dies auch die meisten und lassen mit zunehmenden Alter die Finger von solchen Maßnahmen.
    Hinterher landet man sowieso auf Harz IV oder im 900 Euro-Teilzeit-Job. Die Zahl derer, die es in meinem Umfeld geschafft haben, liegt lediglich bei etwa 5 bis 8 Prozent.
    Tut mir leid das man so was mal schreiben muss, aber das sind meine Erfahrungen der letzten 37 Arbeitsjahre.
    Man sollte doch mal über den Zaun blicken ins europäische Ausland und sich fragen, ob für gute Fachkräfte jene Staaten nicht doch die bessere Wahl zum arbeiten sind, auch für Bundesbürger, im Vergleich zur BRD.
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