Wirtschaft

Berichteten über Probleme mit Flüchtlings-Azubis (von rechts): Bayerns Handwerkskammerpräsident Georg Schlagbauer, der syrischstämmige Unternehmensberater Azad Hamoto und die ehrenamtliche Asylhelferin Marion Finsterwald. (Foto: Paul)

18.12.2015

"Die glauben, hier fließt Milch und Honig"

Bayerns Handwerkskammerpräsident Georg Schlagbauer zieht eine ernüchternde Bilanz über die Ausbildung von Flüchtlingen

Viel anfängliche Begeisterung, danach aber häufig massiv nachlassende Arbeitsdisziplin und insgesamt hohe Abbruchquoten: Es war eine sehr ernüchternde Bilanz, die Bayerns Handwerkskammerpräsident Georg Schlagbauer jetzt hinsichtlich der Ausbildungsfähigkeit junger Flüchtlinge zog. Noch bleibt er aber verhalten optimistisch. Die Erfahrungsberichte seiner Handwerksmeister-Kollegen mit jungen Flüchtlings-Azubis, die Schlagbauer jetzt bei einem Hintergrundgespräch im Münchner Presseclub zum Besten gab, seien beileibe keine Einzelfälle – wiewohl manche schon arg nach Comedy klingen. Da war etwa der junge Syrer, der bei einem Dachdeckermeister in die Lehre ging. Motiviert sei er schon gewesen, die Arbeit habe ihm auch grundsätzlich Freude gemacht – nur fand er sie eben körperlich doch arg anstrengend und trat deshalb mit einem Vorschlag an den Meister heran: „In Zukunft komme ich nur noch montags und dienstags und den Rest der Woche kommt mein Bruder, der sucht auch eine Arbeit.“ Nachdem ihm der Chef geduldig erklärt hätte, dass es so nun mal nicht läuft, zeigte sich der junge Mann einsichtig. „Am Mittwoch stand dann aber trotzdem der Bruder auf der Matte“, beendet Schlagbauer traurig lächelnd die Anekdote. Die junge Nigerianerin wiederum, die in einer Metzgerei ihre Lehre begonnen hatte, war dagegen nur äußerst schwer von den Argumenten der Filialleiterin zu überzeugen, dass auch dringend notwendige Wege zu Ämtern und Behörden nicht während der Arbeitszeit erledigt werden können und überhaupt die Arbeitszeit nicht selbst festgelegt wird: 7.30 bis 16 Uhr heißt eben nicht 9.30 bis 19 Uhr, auch wenn das dem persönlichen Biorhythmus und den südländischen Lebensgewohnheiten mehr entgegen kommt.

70 Prozent der Lehrverträge scheiterten in der Vergangenheit

„Das alles immer wieder zu erklären braucht seitens der Ausbilder und Unternehmer sehr viel Geduld und Fingerspitzengefühl“, meint Georg Schlagbauer zu den Herausforderungen aufgrund der kulturellen Unterschiede. Mehrfach betont er aber: „Die jungen Leute wollen arbeiten.“ Es fehle aber eben oft an der Disziplin. Manchmal hilft aber alles nichts. Im Jahr 2012 – also noch lange vor dem großen Flüchtlingsansturm – seien rund 70 Prozent der mit jungen Asylbewerbern geschlossenen Ausbildungsverträge wieder aufgelöst worden. Vor allem viele junge Männer aus arabischen Ländern reagierten auch pampig und kündigten, wenn sie klipp und klar Anweisungen erhielten, womöglich sogar noch von weiblichen Vorgesetzten. Inzwischen habe sich die Situation etwas gebessert, berichtet Schlagbauer – auch dank der von den Handwerkern gestarteten Initiativen und Projekte wie etwa „Passgenau“, wo Probleme von Chef und Lehrling gemeinsam mit Mediatoren besprochen werden. „Das größte Problem“, klagt Georg Schlagbauer, „sind die falschen, völlig überzogenen Erwartungen, mit denen die jungen Leute nach Deutschland kamen. Die glauben, dass hier Milch und Honig fließen und jeder in kürzester Zeit ohne viel Arbeit reich werden kann.“ Die Kenntnis vom gesetzlichen Mindestlohn tue ein Übriges, die Motivation in der Lehre zu beschneiden. „Man muss sie mühsam davon überzeugen, dass es besser ist, eine Ausbildung abzuschließen, als nur irgendwo einen Job als Hilfsarbeiter anzunehmen – auch wenn man erst mal etwas weniger verdient.“ Für den Handwerkskammerpräsidenten ist auch deshalb klar: „Die Flüchtlinge können ein Baustein für unseren Fachkräftemangel sein. Aber sie werden ihn nicht lösen.“ Noch immer sind im Freistaat 4500 Lehrstellen offen, etwas weniger als 2014. Warum das so ist, kann ein weiterer Gast des Abends gut erklären: Azad Hamoto ist selbst syrischer Flüchtling, er kam vor drei Jahren aus Aleppo. In Deutschland ist er jedoch bereits zum zweiten Mal, vor mehr als 20 Jahren war er als Student hier. Hamoto arbeitet bei einer großen Unternehmensberatung. „In Deutschland sind die Gewerke viel ausdifferenzierter als etwa in Syrien“, erklärt Hamoto. „Dort lernt man Bauarbeiter – hier wird zwischen Maurer, Dachdecker, Zimmermann und vielem anderen unterschieden.“ Auch der theoretische Teil der Ausbildung in der Berufsschule sei völlig neu für die jungen Flüchtlinge, daheim passiert alles nach der Methode „learning by doing“.   Die dritte große Hürde für eine erfolgreich absolvierte Lehre erläutert die ehrenamtliche Sprachlehrerin Marion Finsterwald. Sie hat einen 30-jährigen Syrer unter ihre Fittiche genommen, um ihm berufsausbildungskompatibles Deutsch beizubringen, er will Klimatechniker werden. „Allerdings ist er es nicht gewohnt, regelmäßig und kontinuierlich zu lernen“, erläutert Marion Finsterwald. Auch nach Monaten hakt es beispielsweise noch mächtig bei den richtigen Artikeln: „Der, die, das – bringt er noch immer durcheinander.“
(André Paul)

Kommentare (1)

  1. Zitrone am 18.12.2015
    Wenn die veröffentlichtten Informationen zutreffen, sind 50 bis 70% der Ankömmlingen jüngere Männner, die bald feststellen werden, dass nur harte und jahrelange Arbeit - und das nicht immer - zu einem mehr oder weniger bescheidenen Wohlstand führen kann.
    Wer sich nüchtern die Parallgeselschaften in Großstädten im Ruhrgebiet oder in Berlin betrachtet, in der deutsches Recht nichts gilt, genausowenig wie Frauen oder staatliche Autoritäten, kann berechtigt Sorge haben, wenn 500 bis 700.000 Menschen dazukommen, die aus einem ähnlichen Kulturkreis kommen.

    Es wird noch ein böses Erwachen geben, wenn es nicht gelingt, den Zustrom zu stoppen und da stimme ich ausnahmsweise der CSU und Herrn Seehofer zu.

    Vorraussetzung wäre dafür aber ein menschenwürdiges Leben in der Heimat der Flüchltlinge und da sehe ich schwarz, solange unsere Freunde, die Siegermächte im Westen und China und Russland und die Saudis und die Iraner ihre eigenen Interessen über das Leben der betroffenen Menschen stellen. Im übrigen, auch wir profitieren von der Ausbeutung der Menschen in diesen Ländern.
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