Die Konjunktur in Bayern tritt auf der Stelle. Die Wirtschaftsleistung wird in diesem Jahr auf dem Vorjahresniveau stagnieren. Wir werden zwar eine Rezession vermeiden können, ein Aufschwung ist aber nicht in Sicht“, erklärte Wolfram Hatz, Präsident der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, bei der Vorstellung des aktuellen vbw „Weißbier-Index“. Die Belastungsfaktoren für die Unternehmen würden unverändert fortbestehen. Damit die Branche zumindest mittelfristig wieder Dynamik gewinnt, müsse jetzt in den Standort und die Wettbewerbsfähigkeit investiert werden.
Der vbw Index der bayerischen Wirtschaft ging gegenüber Herbst 2022 minimal um zwei auf 101 Punkte zurück. „Der Füllstand unseres Weißbierglases ist unverändert. Zwar kam keine Rezession, die das Glas weiter geleert hätte, nachgeschenkt wurde aber auch nicht“, betonte Hatz.
Der Lageindex Wachstum, der die allgemeine Konjunkturlage beschreibt, sank um einen auf 108 Punkte. Der Prognoseindex Wachstum, der die künftige Geschäftslage angibt, konnte sich um 19 Punkte verbessern. Mit aktuell 89 Punkten liegt er aber nach den Worten des vbw-Präsidenten nach wie vor ein gutes Stück unter dem Durchschnitt. Die Perspektiven seien also nicht mehr so pessimistisch wie noch im Herbst, von echter Zuversicht könne aber auch keine Rede sein. Der Lageindex Beschäftigung ging von 122 auf 102 Punkte zurück. Dies liegt laut Hatz allein an der höheren Arbeitslosigkeit, die aber nur wegen der statistischen Erfassung der ukrainischen Flüchtlinge gestiegen ist. Der Prognoseindex Beschäftigung ging von 110 auf 106 Punkte zurück.
Die Wirtschaftsleistung in Deutschland und in Bayern ging im Winter wie erwartet zurück – aber weniger stark als befürchtet. Das lag im Wesentlichen an der leichten Entspannung im Energiebereich, so der vbw-Präsident. Der milde Winter einerseits und die Einsparungen von Wirtschaft und Haushalten andererseits hätten die Preise etwas beruhigt. Auch die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen trugen zur Stabilisierung der Energiepreise und damit der Konjunktur bei. Allerdings, so Hatz, gingen die Energieeinsparungen in der Industrie auch zu Lasten der Produktion. Vor allem die energieintensiven Branchen mussten ihre Produktion aus Kostengründen spürbar drosseln.
Die Energiepreise
als Bremsfaktor
In den bayerischen Gießereien liegt die Produktion um fast sieben Prozent niedriger als vor einem Jahr, in der Glas- und Keramik-Industrie sind es minus zehn Prozent, in der Papierindustrie minus elf Prozent und in der Chemieindustrie minus 15 Prozent, berichtete Hatz.
Als Bremsfaktoren für die Wirtschaft nannte der vbw-Präsident die Energiepreise. Die Gasspeicher seien derzeit zwar gut gefüllt, im Herbst könne es aber durchaus wieder zu Preissteigerungen kommen, vor allem wenn der nächste Winter nicht so mild wird wie der vergangene. Als weiteren Punkt nannte Hatz die allgemeine Inflation, die nur langsam zurückgehe. Die zuletzt gemessenen 7,2 Prozent seien viel zu hoch. Die Kerninflation (also die Preise ohne die sehr schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise) steigt weiter. Sie nahm seit Juni 2022 von 3,3 auf zuletzt 5,8 Prozent zu. Die Inflation scheint sich zu verfestigen, so der vbw-Präsident. „Um so mehr müssen wir jetzt alles dafür tun, dass keine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommt. Die hohe Inflation belastet den privaten Konsum und damit den Handel und die konsumnahen Dienstleistungssektoren. Das wiegt in diesem Jahr umso mehr, als die Nachholeffekte nach der Pandemie wegfallen.
Im Bau sei die Lage ebenfalls sehr kritisch. Der Anstieg der Bauzinsen habe die Finanzierungskosten deutlich erhöht und vor allem den Wohnungsbau einbrechen lassen. Die Bauproduktion in Bayern lag laut Hatz in den ersten beiden Monaten 2023 um acht Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Auftragseingänge würden insgesamt stagnieren, im Wohnungsbau liegen sie um ein Drittel niedriger als vor einem Jahr. Auch die Baugenehmigungen im Wohnungsbau würden um ein Drittel unter dem Vorjahreswert liegen, im Nicht-Wohnungsbau sind es minus 13 Prozent.
Vom Außenhandel seien ebenfalls wenig Impulse zu erwarten. Die Inflation ist ein globales Problem und dämpft die Weltwirtschaft. Die geopolitischen Risikenwürden ihr übriges tun.
Bei den Themen Materialmangel und Lieferengpässe gebe es zwar Entspannungen, „von Normalität sind wir aber noch ein gutes Stück entfernt. Im ifo-Konjunkturtest Bayern vom Januar gaben immer noch 55 Prozent der Industrieunternehmen an, dass ihre Produktion durch Materialknappheit beeinträchtigt wird“, erklärte Hatz. Gleichzeitig verschärfe sich der zweite Engpassfaktor, der Mangel an Fach- und Arbeitskräften. Fast jeder zweite bayerische Industriebetrieb spüre deshalb eine Beeinträchtigung seiner Produktion. „Das ist ein Rekordwert.“
Der Arbeitsmarkt entwickelt sich nach den Worten des vbw-Präsidenten weiterhin gut und ist eine wichtige Stütze der Konjunktur. Die Beschäftigungspläne der Unternehmen seien positiv. Die Betriebe bräuchten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zuletzt zur Bewältigung der Transformation. Angesichts des Arbeitskräftemangels würden die Beschäftigten auch in einer konjunkturell schwierigen Phase wie jetzt gehalten.
Im Jahresdurchschnitt 2023 erwartet der vbw eine Stagnation des bayerischen Bruttoinlandsprodukts. „Auch wenn die konjunkturelle Entwicklung weniger schlecht ist als befürchtet – der Handlungsbedarf ist groß. Denn die aktuellen Krisen sorgen nicht nur für konjunkturelle Schwierigkeiten, sie stellen uns vor strukturelle Herausforderungen. Unsere Standortprobleme werden durch die Energiekrise und den Arbeitskräftemangel verschärft. Wir müssen jetzt endlich in unseren Standort und in unsere Wettbewerbsfähigkeit investieren“, betonte Hatz.
Große Verlagerungen, bei denen Kapazitäten im Inland abgebaut und im Ausland aufgebaut werden, gebe es nicht. „Aber wir beobachten einen schleichenden Prozess: Entscheidungen für Neuinvestitionen erfolgen immer mehr zu Gunsten des Auslands.“ Die Gründe dafür seien niedrigere Arbeitskosten, eine geringere Steuerbelastung, billigere Energie, weniger Bürokratie und schnellere Genehmigungsprozesse sowie ausreichend Arbeitskräfte. „Das sind die zentralen Stellschrauben, an denen wir drehen müssen, und zwar kräftig.“
Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung ist für Hatz die Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit es Wirtschafts- und Industriestandorts Deutschland und Bayern. Man müsse jetzt mit Hochdruck am Umbau des Energiesystems arbeiten und verstärkt die vorhandenen Heimatenergien nutzen. „Wir brauchen jetzt schnell die nötigen Energie- und Stromtrassen. Und wir müssen dabei überall das Tempo an den Tag legen, das bei der Genehmigung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven gelungen ist. Das hat doch gezeigt: Es geht, wenn wir alle wollen. Und es wollen immer mehr. Weil die aktuelle Energiekrise allen vor Augen führt, dass sich etwas tun muss, und zwar schnell.“
Gezielte Zuwanderung
aus dem Ausland
Der zweite wichtige Punkt ist für den vbw-Präsidenten die Bewältigung des Arbeitskräftemangels. Dazu müsse man zum einen alle Potenziale im Inland heben, was seine Ansicht nach jedoch nicht genügen wird. Deshalb brauche der Wirtschaftsstandort Deutschland gezielte Zuwanderung aus dem Ausland. Das beschleunigte Fachkräfteverfahrensei hier ein wichtiger Schritt.
Als dritten Punkt nannte Hatz den Einsatz neuer Technologien wie Robotik, um den Fachkräftemangel zu bewältigen.
Um den Wirtschaftsstandort Deutschland und Bayern zukunftsfähig zu machen „müssen wir agieren, nicht reagieren. Brauchen wir Fortschritt, nicht Rückschritt. Brauchen wir Mut, nicht Bedenkenträgerei. Müssen die Chancen sehen, nicht die Risiken. Die Chancen von neuen Technologien, von kreativen Ideen, von Innovationen.“ Laut Hatz sieht die bayerische Wirtschaft diese Chancen. „Dazu brauchen unsere Unternehmen aber Freiheit, Flexibilität und Entlastung, satt Bürokratie, Reglementierung und Belastung. Dann können unsere Unternehmen die Chancen nutzen und Lösungen für die Zukunftsfähigkeit Bayerns bieten.“ (Friedrich H. Hettler)
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