Wirtschaft

65 Prozent der neuen Autos (rund 800 Fahrzeuge pro Tag), aus dem Regensburger BMW-Werk werden vom Band auf die Schiene verladen. (Foto: Deutsche Bahn)

10.03.2017

Effizienz-Offensive ist gefragt

Expertenrunde bei der IHK Regensburg zum „Schienengüteverkehr im Großraum Regensburg – Wohin geht die Reise?“

Die Wirtschaft im Großraum Regensburg boomt. In den 1980er und 1990er Jahren wurde mit Oberbürgermeister Friedrich Viehbacher (CSU) der Grundstein für den Erfolg gelegt. Zahlreiche große Unternehmen, darunter weltweit agierende wie BMW und Toshiba siedelten sich an, in Neutraubling wuchs Krones, der Weltmarktführer in Sachen Abfüllanlagen und Etikettierung immer weiter – um nur einige zu nennen. In den 1990er Jahren wurde im Regensburger Osten vor den Toren der Stadt das Güterverkehrszentrum (GVZ) errichtet, ob seiner Größe damals noch belächelt, so Jan-Erik Beuttel von der Wirtschaftsförderung der Stadt bei der hochkarätigen Expertenrunde unter Moderation durch Clemens Bochynek, Studiengemeinschaft für den Kombinierten Verkehr (SGKV). Heute bereits sei es zu klein geworden. Für 150.000 Ladeeinheiten im Jahr konzipiert, wurden 2016 bereits 170.000 Container abgewickelt, berichtete Andreas Schulz von der Deutschen Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS), die das Terminal betreibt.

Engpässe in Regensburg


Ähnliche Engpässe gebe es bei der Umschlaganlage des Regensburger Bayernhafens. Hier sei man, so Prokurist Alexander Ochs von der Bayernhafen Gruppe, bereits dabei, die Kapazitäten mit Millioneninvestitionen zu erweitern. Wie können Firmen und Kommunen den immer noch steigenden Anforderungen und Umschlagzahlen nachhaltig begegnen, ohne Einbußen zu erleiden?

So gut es sich auch mangels besserer Vorschläge für Politiker aller Schattierungen macht, einfach die Verlagerung des Güterverkehrs mehr von der Straße zur Schiene zu fordern: Es sind die Unternehmen, die Kommunen und Verbände, die mit einer europaweit immer noch mangelhaften Infrastruktur zu kämpfen haben. Und in den Unternehmen und Kommunen sind es die Logistiker, denen immer mehr Bedeutung zukommt und deren Akzeptanz häufig zu wünschen übrig lässt. „Wir arbeiten an der Kapazitätsgrenze“, sagte Andreas Schulz, einer der drei DUSS-Geschäftsführer deutschlandweit, zum Standort Regensburg. Bis zum Jahr 2030, so Karl Fischer vom Logistik-Kompetenz-Zentrum Prien, werde ein Wachstum im Schienengüterverkehr von 40 Prozent erwartet. Regensburg sei stark von Transporten in die Seehäfen an Nordsee und Adria geprägt. Es habe darüber hinaus eine gute Ausgangslage für Verkehre nach und aus Ost- und Südosteuropa.

Wasserwege ausbauen


Wolle man, so Andreas Schulz hierzu, den weiter steigenden Güterverkehr von der Straße fernhalten und mehr auf Schiene und Wasserwege verlagern, könne das im Endeffekt nur bedeuten: „Ausbauen!“ Er berichtete von Planungen für ein neues Terminal im Regensburger Stadtosten, die weit fortgeschritten seien bei gesicherter Finanzierung über den neuen Bundesverkehrswegeplan.

2020/21 schon soll es in Betrieb gehen – höchste Eisenbahn angesichts der Situation, so alle Teilnehmer des Podiums. Als ein teils unerkanntes großes Problem bezeichnete Friedrich Gitterle das Thema „Leergut-Container“, welches es ebenfalls mit den Mitteln einer vernetzten Logistik anzugehen gelte. Gitterle ist einer der zwei Geschäftsführer des Ingenieurbüros „AnschlussBahnProfis GmbH“ mit Sitz in Pfaffenhofen/Ilm und gehört zu den Gründern der ERFA Gleisanschluss zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) Prien sowie der LKZ Prien Gmbh. Das Unternehmen ist Komplettdienstleister rund um Gleisanschlüsse, von der Fachplanung über die Förderantragstellung bis hin zur Vermittlung von Anschlussbahnleitern: Auch die schwierige Förderantragstellung und baurechtliche Problematik kann für viele Unternehmen ein Grund sein, die Dienste und Kontakte dieser Dienstleister in Anspruch zu nehmen (Infos unter www.erfa-gleisanschluss.de).

Zweifelhaftes Vergnügen


Wer das zweifelhafte Vergnügen hat, in den Morgen- und Abendstunden beispielsweise die Autobahn A 3 über das Kreuz Regensburg befahren zu müssen, der weiß, was wohl auf den Bürger zukommen könnte, würden Unternehmen und Kommunen nicht mit aller Kraft versuchen, mit dem trimodalen System Straße-Schiene-Wasserweg gegenzusteuern. Mehr Öffentlichkeitsarbeit könnte hier die Bürger des Großraumes Regensburg von den Intentionen der großen Firmen und der Stadt um mehr Verladekapazität auf die Schiene überzeugen. Kurzfristig, so Manfred-Jürgen Fichtl, Vorsitzender des IHK-Verkehrsausschusses und Gesellschafter der Spedition und Unternehmensgruppe Fichtl, Vizepräsident des Landesverbandes Bayerischer Spediteure, könne mit mehr Effizienz mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene gebracht werden. Wie geht das?
Zunächst arbeiten die Logistiker an wirkungsvolleren und schnelleren Prozessen. Lieferketten werden fragmentierter, an jedem Glied sollte ein hochqualifizierter Experte sitzen. Muss beispielsweise ein Lieferschein auf seinem Weg fünfmal in verschiedene Systeme eingegeben werden, könne eine entsprechend spezialisierte Digitalisierung Zeit und Kosten – auch ein gewichtiger und einzuplanender Gesichtspunkt – sparen. Darin waren sich alle Experten einig. Vernetzung der Akteure in den Verladeabläufen, gerade bei der Zulieferung, sei mit besserer Unterstützung der Bahn – Einstellungen von qualifiziertem Personal für die Verbesserung der Rangierkapazität – ein weiterer Ansatzpunkt. Mehr als ein Drittel Steigerung sei insgesamt dadurch möglich. Doch irgendwann stoße auch die Effizienz an ihre Grenzen.

 Wo Unternehmen das können, versuchen sie selbst, ihre Warenströme aufs Gleis zu bringen. BMW-Logistiker Ronald Gentsch berichtete, dass 65 Prozent der Autos – das sind 800 Fahrzeuge pro Tag – im Regensburger Werk vom Band auf die Schiene verladen werden, der Rest geht auf die Straße. Ein Grund sei auch die selbst auferlegte Flexibilität des Unternehmens, die dem Kunden nach dem „Rohbau“ des Autos noch bis rund eine Woche vor Auslieferung Änderungsmöglichkeiten einräumt. Anders sehe es bei den Zulieferern aus: Nur 15 Prozent der Materialien gelangen per Bahn ins Werk. Geforderte Schnelligkeit und mangelnde Bahnstrukturen machen hier sogar im Extremfall den Einsatz von Hubschraubern nötig.

Krones hatte Glück


Die Krones AG in Neutraubling hat sich vor genau einem Jahr in Eigenregie an die Schiene angeschlossen. Projektleiter Stefan Eigenstetter und Friedrich Gitterle vom Ingenieurbüro Anschluss Bahn Profis berichteten, was ein Unternehmer dafür zu tun hat. Krones hatte Glück. Vor den Werkstoren lag ein stillgelegtes Gleis im Dornröschenschlaf. Es zu reaktivieren sei trotzdem aufwendig genug gewesen. Mit dem neuen Gleisanschluss konnte das Unternehmen ökonomischen Nutzen mit ökologischen Aspekten verknüpfen: „Im ersten Jahr konnten wir 1000 Waggons verladen. Das entspricht 1700 Lkws weniger auf den Straßen in und um Neutraubling.“ All das zeige, dass im Güterverkehr mit der Schiene sehr viel bewegt werden könne im Sinne einer saubereren Umwelt.

Kein Kröten-Tunnel


Angesichts der fortgeschrittenen Planungen und einer möglichen Effizienzsteigerung um rund 30 Prozent ohne weiteren Ausbau traf die Frage von Bürgermeister Jürgen Huber (Grüne), ob denn wegen des Platzmangels jede Tonne über Regensburg laufen müsse, gelinde gesagt, auf Unverständnis. Manfred-Jürgen Fichtl betonte, dass ohne die Arbeit der Firmen und der Bahn mit ihren Logistikern der hohe Lebensstandard der Region nicht zu halten sei und wünschte sich auch von der Politik eine stärkere Akzeptanz für deren Arbeit. Mit dezenter Ironie sagte dann auch nach Ende der Veranstaltung ein Zuhörer, er glaube nicht, dass wirtschaftliche Einbrüche, die ohne die genannten intensiven Bemühungen entstehen würden, durch den „verstärkten Bau von Kröten-Tunnel-Anlagen ausgeglichen werden könnten“.
(Hermann Höcherl)

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