Wirtschaft

Siegfried Russwurm soll Präsidenten des einflussreichen Bundesverbands der Deutschen Industrie werden. (Foto: dpa/Rolf Vennenbernd)

30.11.2020

Ein Professor als Konzernlenker und Technikfreak

Siegfried Russwurm war lange Siemens-Vorstand, heute ist er Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp

"Es gibt wenige Topmanager, mit denen man gerne nach Feierabend in der Kneipe ein Bier trinken würde. Er ist so einer", sagt ein ehemaliger Weggefährte von Siegfried Russwurm bei Siemens. Einer, der nicht auftrete wie ein Gutsherr, sondern direkt und offen auf Menschen zugehe. "Eine Rampensau."
Das kann Russwurm künftig in Berlin beweisen: Er soll am Montag zum neuen Präsidenten des einflussreichen Bundesverbands der Deutschen Industrie gewählt werden und sein Amt im Januar antreten.

"Bei Siemens hat er als Arbeitsdirektor immer gut mit der Arbeitnehmerseite zusammengearbeitet und ist auch neue Wege mitgegangen", sagt Birgit Steinborn, stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats. Ein anderer Vertreter der Arbeitnehmerseite beschreibt den 57-jährigen Franken als "umgänglich, ohne Attitüden, ohne Arroganz".

Russwurm kommt aus einem kleinen Dorf östlich von Coburg, sein Vater war dort Polsterer, die Mutter Industriearbeiterin. Und er wohnt auch heute noch in einem Dorf ganz in der Nähe. Die Hektik des Berliner Politikbetriebs scheint von dort aus gesehen weit weg zu sein.

Fasziniert von Technik

Schon als Jugendlicher habe ihn Technik fasziniert; er sei ein "Technikfreak", erklärte er einmal bei einem IG-Metall-Forum. Nach dem Studium an der Uni Erlangen-Nürnberg fing er als frischgebackener Dr.-Ing. bei Siemens im Oberpfälzer Werk Kemnath an, war dann mehrere Jahre in Schweden und stieg 2006 in den Vorstand der Medizintechnik-Sparte auf. 2008 holte der damals noch neue Siemens-Chef Peter Löscher den 44-jährigen Russwurm dann in den Konzernvorstand.

Als Personalchef musste er erst einmal Tausende Stellen abbauen. Zwei Jahre später bekam Russwurm die Verantwortung für die Industriesparte - die größte im Konzern mit mehr als 100.000 Beschäftigten - und trieb die Digitalisierung voran. Als Löscher immer mehr in die Kritik geriet, wurde Russwurm als ein möglicher Nachfolger gehandelt. Nach der Berufung seines damaligen Vorstandskollegen Joe Kaeser zum neuen Siemens-Chef bekam Russwurm bald als neue Aufgabe die Forschung und Entwicklung übertragen. Zwei Jahre später teilte er mit, dass er seinen Vertrag im März 2017 nicht mehr verlängern und "sich möglichen neuen Herausforderungen nicht verschließen" werde.

Er wolle "nur noch mit Leuten zusammenarbeiten, die ich mag", sagte Russwurm laut "Manager-Magazin". Er arbeitete für eine schwedische Investmentfirma, wurde als Kandidat für die Chefposten bei der Deutschen Bahn und beim Münchner Gasekonzerns Linde gehandelt und trat 2019 wieder ins Rampenlicht: als Aufsichtsratschef des schwäbischen Anlagenbauers Voith und des angeschlagenen Stahl- und Industriekonzerns ThyssenKrupp.

Bestens vernetzt

Seine Leidenschaft für Technik, für Digitalisierung, für künstliche Intelligenz versucht Russwurm seit 2009 auch als Honorarprofessor an seiner alten Uni an Studenten weiterzugeben. Politisch ist er bestens vernetzt - vom Arbeitgeberverband BDA und dem Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) über die Schwedisch-Deutsche Handelskammer bis zur Plattform 4.0 und Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) reicht die Liste der Gremien, in denen er Führungsposten hatte oder hat.

Mit Sachkenntnis hatte der Technikfreak Russwurm auch Experten in den Forschungslaboren von Siemens beeindruckt. Im Berliner Politikbetrieb gilt er als geradlig. Als oberster Lobbyist der deutschen Industrie wird klare Kante von ihm erwartet. In der gesellschaftlichen Diskussion dürfte aber auch sein Witz und seine Schlagfertigkeit gefragt sein, wenn er zum Beispiel in Talkshows mit Klimaschützern über die Zukunft der Wirtschaft diskutiert.
(Roland Losch und Andreas Hoenig, dpa)

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