Man habe die Auswirkungen der Reaktivierung der Höllentalbahn zwischen Blankenstein in Thüringen und Marxgrün im Landkreis Hof im Blick gehabt. So beschreibt das Nürnberger Ingenieurbüro Anuva den Auftrag, den es vom Thüringer Infrastrukturministerium bekommen hatte. Am Dienstag dieser Woche wurde das Ergebnis im Rennsteigsaal in Blankenstein präsentiert.
Die bestehende Schienenlücke insbesondere für Güterverkehre zu schließen, darum gehe es bei der Verbindung zwischen Thüringen und Bayern, schreibt Anuva in der dritten Zeile der Zusammenfassung. Und die Planer kommen darin zum „gutachtlichen Fazit: Die entscheidende Hürde für die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens ist die Unvereinbarkeit mit den Schutzzielen des FFH-Gebiets Selbitz, Muschwitz und Höllental.“
Juristische Spitzfindigkeiten hervorgehoben
Im Anuva-Gutachten steht ebenso klar: „In der Zusammenschau der Hürden wird die Betroffenheit des FFH-Gebiets und die Erfolgsaussicht einer Abweichungsprüfung nach §34 Abs. 3 Bundesnaturschutzgesetz kritisch eingestuft.“ Doch im Rennsteigsaal und vor Online-Publikum stellte Anuva-Chef Klaus Albrecht fest: „Natura 2000 heißt nicht, es darf nicht gemacht werden. Gerichte kennen auch bagatellhafte Eingriffe, denn im Grunde bleibt alles gleich.“
Bei der Präsentation hob Albrecht eher juristische Spitzfindigkeiten in den Vordergrund: Die EU-Kommission könne um Stellungnahme gebeten werden, ob „zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art“ für die Reaktivierung sprächen. Die Genehmigung sei aber auch durch „ein Abweichungsverfahren gemäß §34 Abs. 3 des Bundesnaturschutzgesetzes“ zu erreichen. Anders gesagt: Die Belange des Umweltschutzes im FFH-Gebiet würden zum Beispiel wegen der „maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt“ zurückgestuft. Das würde bedeuten, es müsste bewiesen werden: Weniger Holztransporte auf der Straße sind insgesamt besser für die Umwelt als das FFH-Gebiet Höllental. Sprich: Nach einem Gang vor Gericht wäre die Reaktivierung wohl machbar.
Denn wie von der Staatszeitung berichtet, hofft Thüringens Landesregierung, dank einer neuen Höllentalbahn vor allem viele Holzlaster von den engen Straßen des Thüringer Waldes zu bringen. Die transportieren seit Jahren täglich zig Tonnen Baumstämme aus Tschechien nach Blankenstein. Dort steht eine der modernsten Papierfabriken Europas. Das Werk des US-Konzerns Mercer ist ein wirtschaftliches Schwergewicht der Region.
Dabei hatte vor wenigen Wochen die Deutsche Bahn verkündet: Die Höllentalbahn solle als eine von 20 Bahnstrecken in ganz Deutschland reaktiviert werden, um „mehr Menschen für die Bahn zu gewinnen“, also für den Personenverkehr.
Noch nicht mit Bayern gesprochen
Nun hörten in Blankenstein auch Vertreter der für Personenzugbestellung in Bayern zuständigen Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) und des bayerischen Verkehrsministeriums interessiert zu, als der Thüringer Bahn-Konzernbeauftragte Martin Walden erklärte: „Wir haben diese geplante Reaktivierung intensiv mit den Ländern beraten.“ Auf Nachfrage der Staatszeitung gab Walden jedoch zu: Er habe damit nur Thüringen gemeint, nicht aber das mit drei Viertel Naturschutz-Streckenanteil wesentlich stärker betroffene Bayern.
In der Diskussion im Saal prallten Pros und Kontras aufeinander. Die anwesenden Landtagsabgeordneten aber – ob von SPD (Bayern) oder von Linken, AfD oder Grünen (Thüringen) – waren sich einig, dass die Höllentalbahn runderneuert und wieder befahren werden soll.
Weder Statik der Brücke noch Untergrund untersucht
Anuva-Chef Albrecht machte Hoffnung. Denn sowohl die beiden Tunnel, die Trasse wie auch die historische Brücke über die Selbitz wären dafür geeignet. Doch später gab Gutachterin Tanja Weinhold zu, dass die Statik der Brücke bislang wenig betrachtet worden sei. Auch der Untergrund der alten Streckenführung sei nicht untersucht worden.
Selbst wenn Anuva-Mann Klaus Albrecht klarstellte: „Alleine wirtschaftliche Aspekte reichen für eine Ausnahmegenehmigung nicht aus. Es geht um den Zusammenhang von Interessen sozialer und wirtschaftlicher Art.“ Thüringens Verkehrsstaatssekretärin Susanna Karawanskij (Linke) will „mehr Güterverkehr auf der Schiene im Thüringer Wald“. Zwar will sie „die Lückenschlussdiskussion leidenschaftlich, aber transparent weiterführen“. Doch am Ende soll die Höllentalbahn wieder rollen, das war deutlich herauszuhören.
Von möglichen Kosten sprach an diesem Tag ohnehin niemand: „Das ist heute der Start, nicht der Endpunkt des Dialogprozesses“, befand die Staatssekretärin. Konkrete nächste Schritte nannte sie aber nicht.
(Heinz Wraneschitz)
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