Die gute Nachricht des Tages: MAN hat aus Valencia einen Riesenauftrag für Elektrobusse bekommen. Doch der Einstieg war denn auch die einzig wirklich gute Nachricht, die Michael Krausa den Teilnehmern des zweiten Bayerischen Batteriekongresses in Nürnberg in seinem Vortrag überbrachte.
Krausa ist Geschäftsführer des KLiB e. V., des Kompetenznetzwerks Lithium-Ionen-Batterien (LiIon) mit Sitz in Berlin. Das hat zwar inzwischen deutschlandweit etwa 90 Mitglieder aus den Bereichen F&E, Batteriematerialien und -komponenten, Zellfertigung Batteriefertigung, und auch einige OEM sind dabei, also Erstausrüster wie zum Beispiel VW oder Stihl.
Kein Batterieökosystem in Deutschland
Tatsächlich jedoch gebe es in Deutschland – und damit erst recht nicht nur in Bayern – laut Krausa kein Batterieökosystem. Aber ein solches brauchen wir, also alles, was von der Rohstoffgewinnung bis zum Vertrieb von Stromspeichern im eigenen Land notwendig ist. Noch nicht einmal in Europa gebe es alles für moderne Lithium-Ionen-Batterien Notwendige. Weshalb man in vielen Bereichen gerade von Importen aus China abhängig sei. Und das, obwohl solche Speicher in wichtigen Infrastruktur-Systemen oder militärischen Geräten unverzichtbar sind.
Doch warum gibt es dieses Batterieökosystem (BÖS) nicht? „Weil 100 Gründe dagegen zu finden sind“, lautet Krausas Erklärung. Und er zieht dazu den Sailing Ship Effekt aus dem 19. Jahrhundert hervor: Da fanden die Segelschiffbesitzer jede Menge Argumente gegen die aufkommenden Dampfschiffe – bis den Seglern selbst der Wind abhanden kam. „Das war auch bei den Handys so.“ Und heute sei es bei der Elektromobilität wieder wahrzunehmen, dem am stärksten steigenden Marktsegment für LiIon-Akkus. Doch eben nicht dem einzigen, wie bereits erwähnt.
Investitionsbedarf von 200 Milliarden Euro
Dass ein solches BÖS etwas kostet, dürfte allen Beteiligten klar sein. Krausa sprach von einem Investitionsbedarf von 200 Milliarden Euro. Doch die könne in Deutschland kein Unternehmen alleine stemmen: Kooperationen seien gefragt. „Aber wenn wir das BÖS wollen, müssen wir diese Herausforderungen annehmen.“ So investiere beispielsweise VW 20 Milliarden Euro allein für den Aufbau der Batterie-Zelltechnik. Da sind noch keine anderen Komponenten dabei.
Auch wenn bislang die unterschiedlichen Strategien der einzelnen Hersteller notwendigen Kooperationen entgegenstünden: Nach Krausas Meinung führt kein Weg daran vorbei. Zumal dies nicht von heute auf morgen gehen könnte, schlägt er zehn bis 15 Jahre als langfristige Vereinbarung zwischen staatlichen und industriellen Maßnahmen vor, um ein deutsches, mindestens aber europäisches BÖS zu schaffen – und damit die Wettbewerbsfähigkeit mit China und Co zu erreichen.
Nach dieser kritischen Analyse versuchte Michael Danzer, das Thema positiver darzustellen, gerade aus regionaler Sicht. „Bayern ist Batterieland. Das kann man gar nicht oft genug sagen“, stellte der Direktor des Bayerischen Zentrums für Batterietechnik (BayBatt) heraus. Wobei er dies vor allem auf die breite und vielfältige Forschungslandschaft bezog, bei der man im Freistaat schon sehr gut aufgestellt sei. Doch ähnlich wie Krausa forderte auch er ein Leitbild: „Was will Bayern in der Batterietechnik wie erreichen?“ Und eine strategische Ausrichtung in Deutschland und der EU: „Wir müssen wissen, was wir wollen und wo wir hinwollen.“
Innovative Batterien sind die Schlüsselkompetenz
Denn offensichtlich hat inzwischen selbst die Politik wahrgenommen: „Innovative Batterien sind die Schlüsselkompetenz für Industrie- und Energiewende.“ Jedenfalls war unter dieser Überschrift der Vortrag von Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) angekündigt gewesen. Der Energieminister sprach dann aber von „Setzen auf Schwarmkompetenz, je mehr beteiligt sind“ aus Forschung und Industrie – und dass im „Potenzial von 80 bis 100.000 (Batterie-)Arbeitsplätzen qualitativ hochwertiges freiwerdendes Personal aus der Autoindustrie“ unterkommen könne.
Denn Aiwanger hat inzwischen offensichtlich abgeschrieben, dass die Solarindustrie nach Deutschland zurückkehren könnte. Das sieht er aber nicht so schlimm an: „Wenn keine PV mehr geliefert würde, passiert nichts. Aber wenn keine Batterien kommen, steht die Wirtschaft. Ohne Batterie wird Bayern, wird Deutschland, wird unser Wirtschaftsstandort nicht funktionieren.“
Gleichzeitig hofft er wohl noch immer, das europäische Verkaufsverbot für neue Verbrennerautos ab 2035 kippen zu können. Auch wenn Weltmarktzahlen eine völlig andere Sprache sprechen; auch wenn sich Matthias Meindl von MAN auf dem Kongress sicher ist, dass E-Antriebe den größten Teil ausmachen werden; auch wenn sich viele Automanager klare Rahmenbedingungen wünschen: Aiwanger gibt seine Mehrgleisigkeit nicht auf. Warum? „Ich will ja wiedergewählt werden.“
Dagegen forderte Uwe Seidel, bei der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH für die deutsche Speichertechnik-Förderung zuständig, eindeutige Rahmenbedingungen. Für ihn ist dabei eine souveräne Wertschöpfungskette und der gesteuerte Zugang der Chinesen zum EU-Binnenmarkt entscheidend. Das ist keine deutsche oder bayerische Frage.
Großer Bedarf an Stromspeichern
Denn der Bedarf an Stromspeichern besteht beileibe nicht nur bei E-Autos oder beim endlich in Angriff genommenen Aufbau von Großbatterien in der Stromversorgung: in der Raumfahrt, für Drohnen oder andere Militärprodukte, für elektrisches Handwerkszeug, für Sicherheitssysteme, für Zahnbürsten und und und.
Die wohl beste Zusammenfassung, warum es nicht wirklich vorangeht mit dem Batterieökosystem in Bayern, Deutschland oder Europa, hatte KLiM-Mann Krausa parat: „Die Vernunft sagt zwar ja. Aber wer nicht will, findet Gründe.“
(Heinz Wraneschitz)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!