Wirtschaft

Bürgerenergie-Genossen unter sich: Swen Hansen, Vorstand der Deutschen Bürgerenergie-Genossenschaft e.G. (r.) wurde in Augsburg anlässlich der Renexpo ausgezeichnet mit dem „Energy Award“. Aufsichtsratschef Manfred Rebelein freut sich mit. (Foto: Wraneschitz)

14.06.2013

Energiewende von unten

Die deutsche Bürgerenergie-Genossenschaft DBE will die Abkehr vom Atomstrom auch ohne Politiker vorantreiben

Die DBE Deutsche Bürgerenergie-Genossenschaft e.G. aus Nürnberg errichtet Ökoenergie-Projekte, die meisten davon in Bayern. Das DBE-Motto „Die Energiewende ist ein Geopolitikum. Doch die Bevölkerung schafft das von unten. Auch ohne die Politik.“ „Energiegenossenschaften schießen seit Jahren aus dem Boden. Es gibt viele vom Genossen-schaftsgedanken infizierte Leute. Was bislang oft gefehlt hat, sind die passenden Projekte.“ Deshalb haben Swen Hansen und sein Partner Mario Fürst die DBE Deutsche Bürgerenergie-Genossenschaft gegründet. Die beiden ehrenamtlich tätigen Vorstände sind im Hauptberuf für die LVC-Gruppe engagiert. Diese Firmengruppe entwickelt und baut seit 2010 Solarstromprojekte in ganz Deutschland, „ob Dach- oder Freiflächenanlagen, ob Klein- oder Großkraftwerke“. Aus diesem Fundus kann DBE schöpfen. Aber nicht nur: Die übernimmt auch Projekte von Entwicklern, wie gerade eben einen 2,1-Megawatt-Solarpark in Marktrodach oder einen Windpark mit vier Rotoren im Kreis Bad Kissingen. Die Solaranlage wird noch im Juni, die Windräder im Dezember ans Netz gehen, verspricht Mario Fürst.
Seit DBE 2011 im Genossen-schaftsregister steht, hat sie bereits vier Solarkraftwerke mit über 5000 Kilowatt Spitzenleistung gebaut. Eigentümer sind die Genossen. Mitglied bei DBE kann jeder mit einer Mindestbeteiligung von 500 Euro werden. Dazu kommen der gleiche Betrag als Nachrangdarlehen „und 50 Euro als Eintrittsgeld für Rücklagen“, erklärt Fürst. „Aber auch das Vielfache dieser Summe ist möglich.“ So haben die mittlerweile über 100 Mitglieder eine knappe Million Euro Kapital eingebracht. Daraus und mit zusätzlich knapp 80-prozentiger Finanzierung durch Genossenschaftsbanken oder Sparkassen hat DBE bereits um die 5 Millionen Euro in besagte Ökoenergien investiert.
Neue Kraftwerke wie jetzt im oberfränkischen Marktrodach werden zunächst im Rahmen einer Projektgesellschaft errichtet, welche die DBE übernimmt. In „Bürgerinfoveranstaltungen“ er-fahren die Bewohner der Gegend, was es mit dem Projekt auf sich hat. Sie können sich dann „bevorrechtigt an der Genossenschaft und damit indirekt am jeweiligen Bürgerprojekt beteiligen“, erläutert Vorstand Fürst.
Wie in jeder Genossenschaft gilt: Jedes Mitglied hat eine gleichwertige Stimme in der Generalversammlung, egal wie hoch der Finanz-Anteil ist. Andererseits fließen alle Erträge der Projekte in die Genossenschaft, und daraus wird der Gewinn anteilig an die Mitglieder ausgeschüttet. Dass Vorstand und Aufsichtsrat bisher gut gearbeitet haben, zeigte sich auf der ersten Generalversammlung der DBE im Februar: Es gab vollständige Entlastung der Führung.
Ein Grund: „Bei der Wirtschaft-lichkeitsberechnung sind wir vorsichtig. Wir rechnen sehr konservativ, machen lieber bessere Projekte als gefährliche, verteilen das Kapital übers Land“, erklärt Vorstand Hansen. Er nennt das „regionale Risikostreuung“. Der Windpark in der Rhön ist der erste Schritt zu einer „Technologie-Streuung: DBE will neben Solar auch in andere Erneuerbare investieren“, zum Beispiel wie Wind oder Biogas.
„Wir setzen nicht auf die Gierigen, sondern auf die Idealisten als Genossen“ erklärt Swen Hansen. Was auch an der „Prognose von 6,4 Prozent Rendite für die Genossen“ liegt. In Zeitungen oder im Internet wird mit Solar-Renditen oft über 12 Prozent pro Jahr geworben.
Aufsichtsrat Manfred Rebelein verweist deshalb auf das „bewusste Risikomanagement, unter anderem durch den Kauf der Anlagenteile bei bekannten Konzernen. Wir sind weg von den reinen Modulklitschen, kaufen bei Töchtern der Automobil-Zulieferindustrie“. Die könnten leichter die notwendigen 25-jährigen Modul-Gewährleistungen sicherstellen.
Für seine „Energiewende-von-unten“-Visionen hat der Vor-stand schon weitere Pläne in der Schublade. Heuer will die DBE laut Fürst „einen eigenen Ökostromtarif entwickeln. Mit Direktvermarktung“ für die Mitglieder, also auch für die Kraftwerkstandort-Gemeinden.
Der Hintergrund: Die Solarstrom-Vergütung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG wird immer geringer. Ende September gab es für Strom aus neuen Kraftwerken noch 12 Cent, Mitte 2013 nur noch 10 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Der Strompreis für Normalbürger liegt da weit drüber.
„Wir werden eine 24 Stunden versorgungssichere Energiequelle anbieten, kümmern uns um die Verteilung und den Vertrieb des Stroms. Aber um die Durchleitungsgebühr (über 10 C/kWh; d. Red.) auszuknipsen, müssen Sie Eigentümer des Netzes und gleichzeitig Abnehmer sein“, erläutert Hansen.
Für so viel Engagement gab es vor ein paar Monaten von der Fachzeitschrift Joule den „Energy Award“ für Swen Hansen. Der sieht den Preis jedoch als Auszeichnung für die ganze DBE-Idee (Staatszeitung berichtete). Die Begründung der Jury: DBE „bietet Bürgern neben Umweltschutz eine attraktive ökologische Kapitalanlage und beteiligt gleichzeitig ihre Mitglieder an regionalen Bürgerkraftwerken und damit konkret an der Energiewende“. Weitere Preisträger waren be-kannte Ökoenergie-Größen wie Johannes van Bergen, Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch-Hall, oder Hans-Josef Fell, Grünen-MdB aus Hammelburg, Miterfinder des EEG.
Während DBE Nürnberg Solar-Genossenschaftsprojekte in ganz Deutschland umsetzt, ist zum Beispiel die „VR Bürgerenergie Fürth e.G.“ mit Solardächern in Nürnberg und Umgebung aktiv. „Genossenschaften sind grundsätzlich keine Konkurrenz, es ist eine Art Wettbewerb in der Kapitalakquise“ erklärt Swen Hansen und verweist auf DBE-Kooperationen wie „mit Pro Region eG Hof. Das wird im Genossenschaftsverband gerne gesehen.“
(Heinz Wraneschitz) www.deutsche-buergerenergie.de

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