Wirtschaft

Während der Ausbau des Stromnetzes auf regionaler Ebene gut vorankommt, fehlen die Umspannwerke. Nur sie können dafür sorgen, dass die großen Mengen an PV- und Windstrom ins Höchstspannungsübertragungsnetz eingespeist werden können. (Foto: N-ERGIE/Michael Enderlein)

29.11.2024

"Es stellt sich immer mehr die soziale Frage"

Maik Render, Vorstandssprecher des Regionalversorgers N-Ergie AG, über die Finanzierung der Energiewende, den Netzausbau und fehlende Umspannwerke

Die Energiewende erfordert eine Menge Investitionen. Macht Deutschland aber langfristig unabhängiger von Energieimporten. Doch beim Ausbau der Verteil- und Höchstspannungsnetze hapert es. An manchen Tagen wird so viel Ökostrom produziert, dass Erzeugungsanlagen wie Windräder oder Solarparks vom Netz genommen werden müssen, damit nicht die Sicherung herausfliegt und es zu temporären Stromausfällen kommt.

BSZ: Herr Render, wo drückt der N-Ergie der Schuh?
MAIK RENDER: Beim Thema Netzausbau. Wir schließen immer mehr Photovoltaikanlagen in unserem Netzgebiet an, können aber die Stromüberschüsse, die an sonnenreichen Tagen produziert werden, nicht unbegrenzt ins übergeordnete Stromnetz weitertransportieren.

BSZ: Wieso?
RENDER: Weil es schlicht zu wenig Verbindungen, sprich Umspannwerke gibt. Der hier in der Region erzeugte Strom, der vorwiegend aus PV-Anlagen stammt, müsste dort auf Höchstspannung transformiert werden, um im Höchstspannungsnetz weitergeleitet werden zu können.

BSZ: Würde es diese Verbindungen geben, wohin würde der Strom transportiert werden?
RENDER: Zum Beispiel an Industriestandorte wie das Bayerische Chemiedreieck oder Automobilstandorte wie Ingolstadt – oder weiter weg an Industriestandorte außerhalb Bayerns.

BSZ: Wer ist zuständig für den Bau entsprechender Umspannwerke?
RENDER: Der Übertragungsnetzbetreiber, also in unserem Fall Tennet. Bei denen stehen aber ganz viele auf der Matte und wollen ihren Strom ins Höchstspannungsnetz übergeben. Also dürfen wir uns in die Schlange einreihen.

BSZ: Was passiert, wenn die Umspannwerke nicht oder zu spät gebaut werden?
RENDER: Dann steigt der temporäre Überschuss durch die boomenden PV-Anlagen in unserer Region immer weiter an. Ohne zusätzliche Netzkuppler brauchen wir andere Werkzeuge, damit wir das Netz in solchen Situationen stabil halten können.

BSZ: Damit es nicht zu einem Blackout kommt?
RENDER: Nein, von einem Blackout sprechen wir nicht. Ein solcher würde mehrere Tage andauern und eine große Fläche betreffen. Wir sprechen hier lediglich von der möglichen Gefahr, dass aufgrund der Überlastung des Netzes regional sozusagen die Sicherung für ein paar Stunden rausfliegt.

BSZ: Und die Stromerzeuger abschalten, geht nicht?
RENDER: Sofern es regelbare Anlagen sind, ist das kein Problem und zunehmend gängige Praxis. Zum Beispiel kann man alle Windkraftanlagen abschalten. Aber die allermeisten kleinen PV-Anlagen sind aktuell nicht regelbar – entsprechende Vorgaben für neue Anlagen könnten erst künftig greifen. Dann sollten alle neuen PV-Anlagen ab einer Leistung von 2 Kilowatt regelbar sein.

BSZ: Wie lange dauert es, die neuen Umspannwerke zu bauen?
RENDER:Zwischen zehn und 15 Jahren. In der Zwischenzeit können wir nur den Mangel an Stromkabeln verwalten.

BSZ: Und den überschüssigen Strom speichern, geht nicht?
RENDER: Doch, damit beschäftigen wir uns auch.

BSZ: Sie könnten ja für die N-Ergie einen zweiten riesigen Heißwasserspeicher errichten, wie er schon in Nürnbergs Stadtteil Sandreuth steht.
RENDER: Theoretisch möglich, wir beschäftigen uns daneben mit verschiedensten Speichermöglichkeiten wie Batterien oder Elektrolyseuren, um Wasserstoff zu erzeugen.

BSZ: Wie viel Ökostrom wird in Deutschland beziehungsweise im N-Ergie-Netzgebiet erzeugt?
RENDER: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein richtiger Booster für Ökostrom. Allein 2023 wurden in Deutschland 14 Gigawatt Leistung aus Photovoltaik zugebaut.

BSZ: Wie viel hat die N-Ergie in den letzten Jahren in den Netzausbau investiert, um die vielen neuen PV-Anlagen anzuschließen?
RENDER: Wir haben unsere Investitionen in das Stromnetz stetig gesteigert und bewegen uns in diesem Jahr bei rund 150 Millionen Euro, das ist rund eine Verdreifachung im Vergleich zum Durchschnitt der 2010er-Jahre. Bis 2030 stecken wir noch mal etwa 1,3 Milliarden in das Stromnetz, das ist für unsere Verhältnisse eine enorme Summe und eine enorme Anstrengung.

BSZ: Was müsste der Gesetzgeber noch regeln, damit die Energiewende besser klappt?
RENDER: Sich auch einmal trauen, nicht alles zu fördern. Durch die pauschale, undifferenzierte Förderung mit fixen Vergütungen bekommen wir jetzt die angespannte Situation im Stromnetz. Denn die vielen PV-Anlagen bringen es an seine Leistungsgrenze. Aber das ist nicht alles.

BSZ: Was noch?
RENDER: Es stellt sich aus meiner Sicht immer mehr die soziale Frage. Denn im Status quo profitieren vorrangig die Eigentümer, die tendenziell ohnehin vermögender sind. Sie können sich auf ihren Häusern eine PV-Anlage installieren, somit ihren eigenen Strom verbrauchen und ihr E-Auto laden. Das können Menschen, die zur Miete wohnen, nicht. Und das ist die Mehrheit. Überspitzt könnte man deshalb sagen, dass sich ein ohnehin besser situierter Teil der Gesellschaft zunehmend von der gemeinsamen Finanzierung des Systems abkoppelt und sich damit vorwiegend auf Kosten derer optimiert, die dazu kaum Möglichkeiten haben. Das wäre eigentlich auch ein politisches Thema, das aktuell aber aus meiner Sicht gar nicht besetzt wird.

BSZ: Wie viele Windkraftanlagen wollen Sie in den kommenden Jahren noch bauen? Die N-Ergie hat ja schon viele.
RENDER: Das stimmt – wobei wir früher stärker auf Photovoltaik gesetzt hatten, nachdem für Windkraftanlagen in Bayern mitunter der Rückenwind gefehlt hat. Wir wollen in den kommenden Jahren den Anteil der Windkraft in unserem Portfolio deutlich steigern und sind für mehrere Standorte in konkreten Planungen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

 

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