Wirtschaft

Der Hamburger Containerhafen ist nur Sinnbild für den Erfolg des Exports aus Deutschland. Von hier aus gehen Waren – auch aus Bayern – in alle Welt. (Foto: dpa)

09.09.2016

Europa ist die größte Handelsmacht der Welt

Manfred Weber, EVP-Fraktionschef im Europaparlament, referierte in der Katholischen Akademie darüber, wie sich der Alte Kontinent im globalen Wettbewerb behaupten kann

Wenn ein Politiker an einem Werktagabend bei bestem Biergartenwetter nicht nur Münchens Kardinal Reinhard Marx mit einer bischöflichen Delegation in die Katholische Akademie nach Schwabing lockt, sondern über 300 Besucher, dann muss es sich wohl um ein brisantes Thema handeln.

Akademiedirektor Florian Schuller zeigte sich bei der Begrüßung des Fraktionschefs der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament denn auch hocherfreut, mit Manfred Webers und dem Thema „Die EU am Scheideweg?!“ ein politisch interessiertes Publikum angesprochen zu haben.

Wie die Diskussion zeigte, ist der EVP-Politiker und CSU-Vize Weber nicht mehr allein mit seiner Sorge: „Nichts, was wir heute in Europa noch für selbstverständlich halten, muss auch weiterhin selbstverständlich bleiben.“ Mit Hinweis auf die AfD und eine Reihe von stark nationalistischen Entwicklungen in vielen europäischen Nachbarländern mit Einschränkungen der Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit konstatierte Weber: „Nichts ist heute mehr ausgeschlossen und jeder muss sich dafür verantwortlich fühlen!“

Kitt für Frieden


Der EVP-Fraktionschef erinnerte zunächst daran, dass sich vieles fundamental verändert hat. Zum Beispiel habe früher „Europa einen Gewinn an Souveränität bedeutet, als Strauß noch sagte, wir müssten Europäer werden, um Deutsche zu bleiben“. Heute werde auf mehr nationale Souveränität gepocht. Früher sei Europa „die Kreativitätsabteilung der Welt“ gewesen, „heute sind wir in vielen innovativen Bereichen in der Defensive“. Die Theorie über den Frieden in Europa habe lange als Thema für schöne Sonntagsreden gedient, „der Kitt Frieden“ habe Europa zusammengehalten. Heute gehöre diese Sorge wieder zum Alltag und „der Kitt für Europa ist, seine Selbstbehauptung in der Welt zu verteidigen“.

Da viele Megatrends und globale Herausforderungen wie Wirtschaftswachstum, Kriege, Klimawandel, Massenflucht, Internet etc. parallel ablaufen, führe das zur Verunsicherung der Menschen und zur Flucht in die übersichtlichere nationale Welt. In Englands politischer Führung zum Beispiel habe niemand eine Idee, wie es nach dem Brexit weitergehen soll. Viele osteuropäische Staaten hätten nicht die Wertegemeinschaft mit Solidarität und Subsidiarität in der EU gesucht, sondern nur die wirtschaftliche Hilfe und militärische Sicherheit vor Russland. „Die Europäische Union ist aber nicht nur Brüssel, sondern Europa sind auch die Nationalstaaten“, betonte Weber mit Nachdruck: „Und wenn die Nationalstaaten nicht funktionieren, kann auch die EU nicht funktionieren!“

Nationalstaaten haben allein keine Chance


Weber zählte dann eine Reihe von Themen auf, bei denen sich etwas ändern müsse, damit Europa sich im globalen Wettbewerb behaupten könne, in dem kein europäischer Nationalstaat allein eine Chance habe. Weber forderte, die Verschuldung der Staaten weiter abzubauen, wieder – zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik – zur Solidarität und Subsidiarität zurückzukehren, den Wettlauf im Steuerdumping zu beenden und für mehr Steuergerechtigkeit unter den Mitgliedsstaaten zu sorgen. Weber: „Sicherheit ist in Europa wieder ein Thema und zwar äußere wie innere Sicherheit. Aber das können die europäischen Staaten nicht national bewältigen, sondern nur gemeinsam organisieren – bei der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung wie auch bei der Produktion moderner Waffensysteme! Daher können wir auch nicht einfach die Augen vor der restlichen Welt verschließen und gegenseitig unsere Grenzen abriegeln!“
Manfred Weber wies darauf hin, dass Europa die größte Handelsmacht der Welt ist. Aber nur mit europäischem Auftritt könne man auch für europäische Werte eintreten: „Wer sonst hebt denn in internationalen Gremien die Hand, wenn es in Abkommen etwa darum geht, Kinderarbeit zu verhindern, soziale, ökologische oder Verbraucherschutzziele durchzusetzen? Wir haben doch einen ‚european way of life’. Aber den müssen wir auch global verteidigen!“

"Gönnt uns in Europa auch Erfolge!"


Zur Grundsatzfrage, was dafür zu tun ist, zählte Weber eine Reihe von persönlichen Wünschen auf: „Gönnt uns in Europa auch Erfolge! Frieden und Freiheit sind ein Erfolg – ich gehöre zur ersten Generation, die beides erlebt hat.“ Auch der Klimagipfel in Paris und das Iranabkommen sei ein Erfolg der EU. Wenn in der Arbeitslosigkeit Südeuropas eine verlorene Generation heranzuwachsen drohe, sei dem nicht national, sondern nur europäisch zu begegnen. Weber forderte in Europa mehr Mut zum Gestalten als nur zum Beharren und vor allem, wieder Regeln und rechtsstaatliche Prinzipien einzuhalten.

Der EVP-Fraktionschef im Europaparlament forderte von den Politikern der Nationalstaaten, darunter auch den deutschen, endlich mehr Verantwortung zu übernehmen: „Verteidigt endlich in Deutschland, was ihr in Brüssel beschlossen habt!“ So habe man in Europa zwar die Sanktionen gegen Russland einstimmig verlängert, „aber kein Außenminister erklärt zuhause, warum“. Zu den Wünschen Webers gehört es auch, „Europa endlich zu einer parlamentarischen Demokratie auszubauen und europäische Fragen auch in Europa demokratisch im Parlament zu entscheiden statt in Hinterzimmern“.

Fünf-Prozent-Klausel für EU-Parlament


Um das Europaparlament effektiver und handlungsfähiger zu machen, fordert Weber auch bei der Europawahl eine Fünf-Prozent-Klausel, um die Zersplitterung durch einzelne Vertreter von Kleinstparteien zu verhindern. Im Gegensatz zu allen Rechtspopulisten sieht Weber keinen Gegensatz zwischen Nationalstolz und europäischem Patriotismus: „Man kann sehr gut Bayer, Deutscher und Europäer sein!“

Darüber hinaus müsse auch von den Kirchen mehr getan werden, „die christliche Seele Europas zu retten“. Weber: „Wo immer ich über Europa fliege, sehe ich unten in jedem Dorf eine Kirche und auf jedem Berg ein Kreuz. Europa hat doch eine christliche Prägung und diese Prägekraft steht hinter Solidarität, Subsidiarität und Menschenwürde. Wir sind nicht nur eine Wirtschaftsregion, nicht nur eine Interessengemeinschaft, sondern auch eine Wertegemeinschaft, zu der wir uns mit mehr Leidenschaft bekennen sollten!“ Mit großem Beifall hat das Publikum in der Katholischen Akademie zum Abschluss der Rede Manfred Webers emotionalen Wunsch quittiert: „Die meisten von uns haben doch inzwischen viel von Europa gesehen und schätzen seine Vielfalt. Darum lasst uns dieses schöne Europa auch ein bisschen liebhaben!“
(Hannes Burger)

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