Wirtschaft

Sprechen über die Wasserstoffstrategie (von links): Hydrogenious-Geschäftsführer Daniel Teichmann, Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und H2.B-Leiterin Monika Grimm. (Foto: Wraneschitz)

05.06.2020

Export von Know-how, Import von Wasserstoff

Wie Bayerns Ökoenergie der Zukunft aussieht

Am letzten Freitag verkündete Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die „Bayerische Wasserstoffstrategie“. Dass deren Umsetzung keine leichte Kost werden wird, zeigt schon die 36-seitige Broschüre: Kein einziges Bild ist darin enthalten, nur Fakten, Forschung, Forderungen in Textform.
In der Strategie geht es um Export von Know-how und Technologie. Und „So wie wir heute Öl importieren, müssen wir künftig Wasserstoff (H2) importieren.“ Das machte Aiwanger gleich zu Beginn seiner Präsentation am Nürnberger Messegelände klar.

Die grüne Erzeugung hierzulande, also mit Strom aus erneuerbaren Quellen, spielt in der Bayern-Strategie für H2 dagegen eine untergeordnete Rolle. In der Druckschrift heißt das „Arbeitsteilung“: Bayern entwickelt die weltweit führenden H2-Technologien und unsere künftigen Partner nutzen sie für die Erzeugung, den Transport und die Verwendung von grünem H2. „Made in Bavaria“ soll zum H2-Gütesiegel werden“, lautet das klar gesteckte Ziel der Staatsregierung.

Angespannter Sektor

Aiwanger hofft dabei vor allem auf „Hunderttausende Arbeitsplätze, die wir damit generieren können“, gerade im schon vor Corona angespannten Sektor Maschinenbau: Bis jetzt sind es gerade ein paar 100. „Dafür nehmen wir mehrere 100 Millionen Euro in die Hand, für Forschung bis zur Hochskalierung, und zur Anwendung in Lkw, Bus oder Tankstelle.“

Dass der Minister dabei aber auch an mit H2 angetriebene Brennstoffzellen-Pkw denkt, erahnte man an der Begeisterung, mit der er sich von BMW-Vertreter Jürgen Guldner über das ausgestellte Antriebssystem des „BMW i Hydrogen NEXT“ beugte und unterhielt. Dabei wird der Münchner Autokonzern erst Ende 2022 eine Kleinserie produzieren von dem H2-SUV. Der soll auf Basis des X5 gebaut werden, mit 374 kW Leistung und etwa drei Tonnen Gewicht. Für den Wirtschaftsminister „ist H2 die eierlegende Wollmilchsau, die nur Wasserdampf hinterlässt und Ökonomie und Ökologie versöhnt“. Passend dazu sitzen eine Volkswirtin und ein Ingenieur mit ihm auf der Bühne: die Professoren Veronika Grimm und Peter Wasserscheid. Beide zusammen leiten das Zentrum Wasserstoff Bayern H2.B, das am Energiecampus EnCN Nürnberg angesiedelt ist.

Alte Zöpfe abschneiden

H2.B wiederum koordiniert das „Wasserstoffbündnis Bayern“, in dem sich über 40 Firmen und Organisationen zusammengefunden haben. Das zeitgleich veröffentlichte „Positionspapier“ dieses Bündnis’ hat laut Veronika Grimm als Grundlage für die Bayernstrategie gedient. Es gehe darin um ein „technologisch wie ökonomisch zukunftsfähiges Energiesystem“, für das „Firmen und Kommunen bereit sind“.

Die Wissenschaft ist dafür offensichtlich auch bereit, alte Zöpfe abzuschneiden: „Es ist eine strategische Partnerschaft zwischen der FAU Erlangen-Nürnberg und der TU München geplant, um die Forschungsexpertise zu bündeln und Impulse zu generieren“, gab Grimm bekannt.

Der Plan sieht vor, dass künftig Professuren strategisch besetzt werden: In Franken soll mehr im Bereich bis zu Prototypen, in München mehr in Richtung Zertifizierung gearbeitet werden. So wollen FAU und TUM gemeinsam schneller vorankommen, statt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen.

Denn: „Wir streben nach Technologieführerschaft“, ergänzte Peter Wasserscheid: „Es gibt nicht die eine Erzeugungsmethode oder die eine Brennstoffzellen-Technologie. Was in Nürnberg das Beste ist, muss es nicht in Kolumbien sein. Unsere Technologien müssen aber überall auf der Welt funktionieren.“ Und in den verschiedensten Bereichen: von Chemie- über Stahl- bis Glasindustrie, „bei der Mobilität schwerer Fahrzeuge vom Binnenschiff über die Eisenbahn, Lkw und Bus bis zum SUV“, spannte der Wasserstoff-Professor den Bogen. Das alles sei aber kein Selbstzweck, sondern: „Wir wollen damit den Klimawandel bekämpfen. Die H2-Strategie zeigt den Weg auf, wie man Klimaschutzziele und den Erhalt von Wertschöpfung verknüpfen kann.“
Dafür ist Bayern gerade dabei, mit 50 Millionen Euro Fördermitteln ein Tankstellennetz aufzubauen, „in jedem Landkreis mindestens eine“, wie Minister Aiwanger betont. Für den Anfang denkt er vor allem an Lkw und Busse, die dort tanken. Und er wünscht sich, „dass Unternehmen eigene Tankstellen aufbauen, dass der ÖPNV auf H2-Systeme umstellt“.

Damit das klappen kann, fordert Veronika Grimm – sie ist seit Kurzem Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen der Bundesregierung – „ein Ende der durch Abgaben verzerrten Strompreise und vernünftige CO2-Preise.“ Dann würden sich auch H2 und erneuerbare Energien lohnen. Und man könne „H2 im Wettbewerb mit anderen Technologien in die Märkte bringen“.

Green Deal als Chance

Bayern setzt also auf internationale Energiepartnerschaften: „Im H2-Import aus Drittstaaten liegt eine Chance für den Green Deal der EU insgesamt“, ist Grimm überzeugt. Und Wasserscheid ergänzt: „Viele Länder interessieren sich inzwischen für H2-Technologie. Asien investiert, wir müssen uns anstrengen, unsere Spitzenposition zu erhalten. Deshalb sind in Bayern alle Beteiligten an schneller und konsequenter Umsetzung der H2-Strategie interessiert.“

Wohl auch aus diesem Grund war Hubert Aiwanger am letzten Freitag verärgert: Wenige Tage zuvor hatten die Nicht-Entscheider der Berliner GroKo die deutsche H2-Strategie wieder hinausgezögert. Deshalb konnte sich der Minister einen Seitenhieb nicht verkneifen: „H2 ist eine runde Sache. Wir haben das Geld. Wir haben die Technik. Wir haben noch Forschungsvorsprung. Wir senden jetzt das Signal nach Berlin: Das müssen wir auf Europäischer Ebene im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft nutzen, wir müssen dort diese unsere Pflanze setzen. Denn H2 ist gut für Bayern, Deutschland, Europa, ja für die ganze Welt.“ Bayerns Energieminister hat offenbar viel vor.
(Heinz Wraneschitz)

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