Statt Kosten zu sparen wie Ende der 1990er Jahre, sind Flexibilisierung und Effizienzsteigerung die heutigen Ziele von IT-Konsolidierung in der öffentlichen Verwaltung. Schneller werden und Bürgern sowie Wirtschaft möglichst umfassend alle Verwaltungsprozesse elektronisch anzubieten, steht hinter der Bündelung sämtlicher IT-Services in einem zentralen Rechenzentrum. Das ist grob gefasst, die Quintessenz der zentralen Podiumsdiskussion „Vision und Wirklichkeit der IT-Konsolidierung in der öffentlichen Verwaltung – Wo stehen wir und wo wollen wir hin?“ beim 2. Zukunftskongress Bayern „digital – vernetzt – sicher“ im Haus der Bayerischen Wirtschaft in München, bei dem die Staatszeitung Medienpartner war.
Qualität steigern, Standardisierung vorantreiben und Sicherheit erhöhen sind die Themen, mit denen in Bayern die IT-Konsolidierung betrieben wird. „Das wird ständig ausgebaut. Aber die Ressorthoheit steht nicht zu Debatte. Wir wollen Vielfalt statt Einfalt“, sagte Rainer Bauer, Abteilungsleiter IT im Finanz- und Heimat- und Landesentwicklungsministerium. Damit beschrieb er, dass viele Behörden des Freistaats froh sind, wenn ihnen zentral die Microsoftoberflächen angeboten werden, sie aber dennoch ihre eigenen Aufgaben selbst steuern können. „So haben wir zum Beispiel die Aufgaben der Polizei und der Steuerverwaltung als Spezialisierung nicht mit den anderen staatlichen Aufgaben in einem Rechenzentrum konsolidiert“, so Bauer.
96 Prozent von Bayerns staatlichen IT-Anwendungen sind konsolidiert
Heute sind Bauer zufolge 96 Prozent der staatlichen IT-Anwendungen konsolidiert. „Der Rest von vier Prozent ist extrem ressortspeziell. Eine Konsolidierung wäre wirtschaftlich nicht darstellbar“, so der Abteilungsleiter. Derzeit betreibe der Freistaat in seinen beiden Rechenzentren Nord und Süd rund 2500 IT-Anwendungen. An 138.000 IT-Arbeitsplätzen der Staatsverwaltung würden sechs Petabyte Daten verwaltet.
Damit möglichst viele Verwaltungstätigkeiten in der sicheren Umgebung eines Rechenzentrums betrieben werden können, ist Bauer zufolge der E-Government-Pakt zusammen mit der kommunalen Familie (Bayerischer Städtetag, Bayerischer Gemeindetag, Bayerischer Landkreistag und Bayerischer Bezirketag) geschmiedet worden. Dieser und das E-Government-Gesetz hätten erst das BayernPortal ermöglicht, unter dem Bürger Verwaltungsdienstleistungen abrufen können.
Von diesem paradiesischen Zustand ist man in Baden-Württemberg noch weit entfernt. Stefan Krebs, CIO der Regierung des Nachbarbundeslands, beklagte, dass 25.000 Mail-Accounts der Finanzverwaltung nicht zentral gehostet, sondern irgendwo administriert werden. „Meine Aufgabe ist es, Verständnis für IT bei den einzelnen Verwaltungen zu wecken“, so Krebs, der erst seit sieben Monaten im Amt ist und vorher die Konsolidierung der Sparkassen im Ländle erfolgreich betrieben hat. Bei seiner Bestandsaufnahme für Konsolidierungsprojekte habe er in einer Behörde, die zur Überwachung der Sicherheit von Kernkraftwerken zuständig ist, eine Prognosesoftware entdeckt, die ziemlich clever ist. „Mit ihr kann man sehr genau simulieren, wie sich eine radioaktive Wolke bewegt“, so Krebs. Dieses Programm gebe es seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Aber es ist in einer veralteten Programmiersprache verfasst. Damit es zukunftsfähig bleibt, müssten hieran Änderungen vorgenommen werden. Genau um solche Sensibilisierungen gehe es bei den einzelnen Fachbehörden. Außerdem will Krebs ein E-Government-Gesetz des Landes mit vorantreiben und einen ähnlichen E-Government-Pakt mit der kommunalen Familie schmieden wie Bayern.
Österreich ist Musterland für IT-Konsolidierung
Als Musterland für IT-Konsolidierung gilt seit über zehn Jahren Österreich. Erfolgsrezept ist laut Roland Ledinger, Leiter des Bereichs ITK-Strategie des Bundes im Bundeskanzleramt Österreich und Geschäftsführer der Plattform Digitales Österreich, das Kommunizieren auf gleicher Augenhöhe. Bund, Länder und Kommunen seien bei der Standardisierung Kooperationen eingegangen. „Als im Jahr 2012 das Finanzministerium einmal die Parole ‘Wer zahlt, schafft an’ ausgab, ging es schief“, so Ledinger. Der partnerschaftlich-kooperative Ansatz habe in der Alpenrepublik zum Beispiel das zentrale Gewerberegister ermöglicht. „Alle Beteiligten haben sich darauf geeinigt, dass es von der Stadt Wien für ganz Österreich betrieben wird“, erläuterte der ITK-Bereichsleiter aus dem Bundeskanzleramt.
Auf freiwillige Kooperationen und möglichst viel Ausprobieren setzt auch Konrad Walser von der Fachhochschule Bern. „Ein großes Rechenzentrum für alles ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Es geht um Flexibilität“, so der Professor für Wirtschaftsinformation und E-Government.
Ähnlich sieht das auch Werner Achtert, Leiter IT-Consulting Public Sector des Münchner Softwarehauses msg systems ag: „Dienstleistungszentren müssen sich als Dienstleister begreifen und nicht als ausgegründetes IT-Referat.“ Der Service stehe im Vordergrund. Nicht alles Google und Amazon zu überlassen, war das Schlussplädoyer von ITK-Bereichsleiter Ledinger aus dem Bundeskanzleram Österreich. Interoperabilität und Standardisierung seien für alle EU-Staaten entscheidend, um sich im Innovationsfeld Digitalisierung nicht die Butter von der Konkurrenz aus Übersee vom Brot nehmen zu lassen.
(Ralph Schweinfurth)
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